piwik no script img

Sammelklage wegen Abgas-SkandalTausende Diesel-Opfer gegen VW

Die Aufarbeitung des Abgas-Betrugs kommt mit dem neuen Gesetz zur Musterfeststellungsklage in Fahrt. Nun können Verbände für Kunden klagen.

Licht am Ende des Tunnels? Am 1. November tritt das Gesetz zur Musterfeststellungsklage in Kraft Foto: dpa

Nächste Woche wird es ernst. Dann wird in Deutschland die erste Musterfeststellungsklage eingereicht. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (Vzbv) wird gemeinsam mit dem ADAC gegen den VW-Konzern klagen. Es geht um Diesel-Pkws mit manipulierter Abgassteuerung.

Die Musterfeststellungsklage wurde erst im Sommer vom Bundestag eingeführt. Die SPD setzte sich schon einige Jahre dafür ein, doch die Union zögerte. CDU/CSU fürchteten, dass deutsche Unternehmen von einer Klageindustrie nach US-Vorbild mit Prozessen überzogen werden. Am Ende gab es einen Kompromiss: Nur anerkannte Verbraucherverbände wie der Vzbv und der ADAC können klagen.

Am 1. November tritt das Gesetz in Kraft. Viele Verbraucherschützer halten es für einen großen Schritt nach vorne. Denn dann können mehrere geprellte Kunden, die eine eigene Klage gegen Firmen scheuen, ihre Rechte von einem Verband durchsetzen lassen.

Gleich am ersten Tag wollen Vzbv und ADAC ihre Klage beim Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig einreichen. Sie werfen VW vor, die Käufer von manipulierten Dieselfahrzeugen vorsätzlich geschädigt zu haben. Ziel ist die Rückabwicklung der Verträge – zumindest sollen die Käufer Schadensersatz für den Wertverlust erhalten.

Klageregister für private Diesel-Käufer

Die Klage ist nur zulässig, wenn sich binnen zwei Monaten mindestens fünfzig betroffene Verbraucher in ein Klageregister eintragen. Doch bei der VW-Klage ist diese Hürde ein Klacks. Bundesweit wurde die manipulierte Abgassteuerung millionenfach verkauft. Ein erster Anhaltspunkt für die Zahl möglicher Eintragungen: „Bei uns haben rund 34.000 Personen den News-alert zur Musterfeststellungsklage abonniert“, sagt Vzbv-Experte Sebastian Reiling.

Mit einer Eintragung in das Klageregister lässt sich der Eintritt der Verjährung stoppen

In das Klageregister kann sich jeder betroffene private Autokäufer eintragen. Handwerker und Unternehmen sind allerdings ausgeschlossen. Der Vzbv empfiehlt eine Registrierung bis zum Jahresende, denn dann endet die Verjährungsfrist. Möglicherweise ist aber auch noch eine Eintragung bis zum Prozessbeginn möglich.

Diese hemmt den Eintritt der Verjährung, der Diesel-Käufer behält sozusagen den Fuß in der Tür, bis die Grundfragen geklärt sind. Die Eintragung ist kostenlos und beinhaltet kein Risiko. Das Register wird ab etwa Mitte November auf der Webseite des Bundesamts für Justiz geführt.

Katarina Barley hofft auf einen Vergleich

Der Prozess beim OLG Braunschweig startet vermutlich Ende 2019 oder Anfang 2020. Gegen das Urteil wird die unterlegene Seite wegen der großen Bedeutung sicherlich Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof einlegen. Bis zu dessen Urteil kann es insgesamt also etwa drei bis vier Jahre dauern.

Wenn das Musterverfahren für die Diesel-Käufer günstig ausgeht, können diese anschließend individuell gegen VW klagen. Dann kommt es auch auf die Details an: Was hat das Fahrzeug gekostet, wie lange wurde es gefahren, wie hoch ist der Schaden? Justizministerin Katarina Barley (SPD) hofft, dass VW einen Vergleich schließt und die Käufer sich weitere Klagen sparen können. Allerdings könnte es auch sein, dass Unternehmen bis zuletzt warten, ob die Betroffenen nicht doch aufgeben.

Die Vzbv-Musterklage wird von Anwälten vertreten, die in der Causa bereits Erfahrung haben. Die Lahrer Kanzlei Dr. Stoll und Sauer vertritt rund 14.000 Diesel-Käufer, die Düsseldorfer Anwälte Rogert und Ulbricht haben weitere rund 7.000 Diesel-Mandanten. Bisher sind das vor allem Käufer mit Rechtsschutzversicherung.

Zehntausende Mandanten winken

Mit der Vzbv-Klage erschließen sich die Kanzleien einen neuen großen Markt. Die Musterfeststellungsklage selbst ist zwar nicht lukrativ, aber viele der Diesel-Käufer, die sich ins Klageregister eingetragen haben, werden für ihre individuellen Klagen dann die Anwälte beauftragen, die schon bei der Feststellungsklage Erfolg hatten. Einige zehntausend Mandate winken.

Parallel vertritt der US-Anwalt Michael Hausfeld gemeinsam mit dem Rechtsdienstleister Myright bereits jetzt einige zehntausend VW-Kunden. Hier tragen die Kläger bis zum Ende keinerlei Kostenrisiko, müssen aber im Erfolgsfall 35 Prozent des Schadenersatzes an Myright abgeben.

Die Einführung der Musterfeststellungsklage sollte auch solchen Geschäftsmodellen die Grundlage entziehen. Im VW-Fall wirbt Hausfeld aber ohnehin kaum noch um neue Mandanten, angeblich mit Blick auf die bevorstehende Verjährung. Ob am Ende der US-Anwalt oder der deutsche Verbraucherschutzverband für die Diesel-Halter mehr erreichen können, wird sich erst in einigen Jahren zeigen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Nochmal ein Interview mit dem Verkehrsminister.



    Sylvi: ' Herr Dobr ... ntschuldigung, Herr Scheuer, wia is des jetz mit de Nachrüstsätze ...



    Scheuer: ' Mit 'Nachrüstung' hab i nix zum doa, i bin a Mensch, der bloß für das 'Vorwärts' zuständig is ...'



    Sylvi:' I wollt ja bloß fragn, weil immer in de Zeitungen steht, und die Maybrit Illner jetz a no ...'



    Scheuer: ' I habs Eahna scho amoi gsagt, daß i da Verkehrsminister bin, der wo dafüa verantwortlich is, daß da Verkehr fließt und ned, daß a steht ... und jetz muass i geh'



    Sylvi: 'Danke Herr Dobrindt fürs Gespräch'.

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @91672 (Profil gelöscht):

      Frau Müller? ... Frau Müller, war des jetz der Dobrindt oder der Scheuer, der da des Interview gebn had?



      Frau Müller: 'Keine Ahnung. De san doch alle gleich'.