Sambia bei der Fußball-WM: Erschütternder Auftritt
Das Team aus Sambia verliert deutlich gegen Japan. Bei all den Skandalen um Missbrauch und ausbleibende Zahlungen ist das nur eine Randnotiz.
Es war ein Desaster. Mit 0:5 hat Sambia gegen Japan verloren. Ein Blick auf die Statistiken, die der Internationale Fußballverband Fifa zur Verfügung stellt, macht das Ausmaß der Unterlegenheit deutlich. Japan hat 26-mal aufs gegnerische Tor geschossen, Sambia kein einziges Mal. 27-mal ist es den Japanerinnen gelungen, die letzte Verteidigungslinie mit einem Pass zu überspielen.
In solche Bereiche ist Sambia kein einziges Mal vorgedrungen. Am Ende war die Verteidigung Sambias nicht mehr als ein amorphes Gebilde, in dem sich die passsicheren Japanerinnen beinahe nach Belieben bewegen konnten. Was war da los? Hatte Sambia nicht eine fantastische Vorbereitung gespielt, dabei sogar gegen Deutschland mit 3:2 gewonnen?
Ja, die Japanerinnen haben einen blitzsauberen Auftritt hingelegt, haben gezeigt, wie man mit schnellen Ballstaffetten immer wieder mit Tempo vors gegnerische Tor gelangen kann. Und doch ist es gut möglich, dass die Gründe für den Zusammenbruch des Teams aus Sambia nicht allein im sportlichen Bereich zu finden sind. An der Seitenlinie steht mit Bruce Mwape ein Mann, gegen den wegen sexueller Übergriffe auf seine Spielerinnen ermittelt wird.
Nachdem bekannt wurde, dass etliche Spielerinnen den Trainer beschuldigen, hat der sambische Verband die Fifa um Ermittlungen gebeten. Offiziell liege aber keine Anzeige einer Spielerin vor, so behauptet es eben jener Fußballverband. Im englischen Guardian wird eine Spielerin, deren Name nicht genannt wird, mit den Worten zitiert: „Wenn er mit einer schlafen möchte, dann hat die ‚ja‘ zu sagen.“ Und: „Es ist nomal, dass der Trainer mit Spielerinnen aus unserem Team schläft.“ Die Vorwürfe sind in der Welt.
Verdächtiger Rausschmiss
Und sie schwingen mit bei jeder Entscheidung, die der Trainer trifft. Eine davon betrifft Grace Chanda. Die Offensivspielerin, die bei Madrid CFF unter Vertrag steht, wurde kurz vor Turnierbeginn aussortiert. Wegen einer Krankheit, wie es zunächst offiziell verkündet wurde.
Später hieß es, sie sei aus disziplinarischen Gründen von der WM-Auswahl ausgeschlossen worden. Sie habe einen „schlechten Einfluss“ auf das Team. Es wird vermutet, dass sie eine der Spielerinnen ist, die hinter den Protesten gegen ausbleibende Zahlungen des Verbands steht. Seit fast zwei Jahren ist kein Geld mehr an eine Spielerin überwiesen worden. Die haben vor der WM zweimal das Training boykottiert und sich zu einer Art Schweigeprotest formiert. Statt wie sonst üblich laut singend zum Training zu fahren, soll eisiges Schweigen im Teambus geherrscht haben. Reden wird darüber wohl so schnell keine Spielerin. Der Guardian berichtet über einen strengen Verhaltenskodex mit strengsten Sanktionen, dem sich alle im Team zu unterwerfen haben.
Eine andere Spielerin, die vor der WM aussortiert worden ist, hat sich gegenüber dem Online-Medium Zambian Digest ein wenig Luft gemacht. Hazel Nali, die Stammtorhüterin, hatte sich wegen Schmerzen im Knie an den Trainer gewandt. Der glaubte ihr nicht, warf ihr vor, eine Verletzung vorzutäuschen. Sie sei zum Training gedrängt worden, das sie wegen Schmerzen habe abbrechen müssen.
Vergelbliche Bitten
Ein MRT sollte Klarheit bringen. Das Ergebnis jedoch hat man ihr nie gezeigt. Man habe ihr nur gesagt, sie hätte einen Bänderriss im Knie. So richtig glauben konnte sie das nicht, weil sie bis auf einige extreme Bewegungen schmerzfrei laufen konnte. Egal. Sie sollte nach Sambia zurückfliegen. Dabei wäre sie gerne beim Team geblieben, hätte es gerne unterstützt, auch wenn sie nicht hätte spielen können. Sie durfte nicht. Niemand aus dem Verband habe auf ihre Bitten geantwortet.
Bei ihren Versuchen, mit dem sambischen Team zu kommunizieren, wurde sie von Kapitänin Barbra Banda unterstützt. Die weiß, wie es sich anfühlt, kurz vor einem Turnier ausgeschlossen zu werden. Vor der Afrikameisterschaft 2021 war bei ihr im Zuge einer für Wettbewerbe des afrikanischen Fußballverbands CAF vorgeschriebenen Geschlechtsüberprüfung ein zu hoher Testosteronspiegel nachgewiesen worden.
Sie durfte das Team immerhin zum Turnier nach Marokko begleiten, um es zu unterstützen. Dennoch hat es damals auch Diskussionen darüber gegeben, ob ihr genug Unterstützung vom Verband zuteil geworden ist.
Im Spiel gegen Japan hatte die schnelle Stürmerin fast keinen Ballkontakt. Diskussionen darüber, ob es richtig ist, eine Frau mit derart erhöhtem Testosterionspiegel bei der WM auflaufen zu lassen, sind ihr somit erspart geblieben. Ein arg schwacher Trost.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen