Deutsche Fußballerinnen ohne WM-Form: Abschied aus dem Favoritenkreis

Ein schlechter WM-Test und der Ausfall von Carolin Simon vermiesen die Stimmung der deutschen Fußballerinnen. Doch nicht alle sind gleich besorgt.

Enttäuscht dreinblickende Jule Brand, im Hintergrund eine Teamkollegin

Frustriert nach dem zweiten Gegentor: Jule Brand im Spiel gegen Sambia Foto: Daniel Karmann/dpa

Die Bedenken sind Martina Voss-Tecklenburg inzwischen längst anzusehen. Sorgenfalten zeigten sich auf dem Gesicht der Bundestrainerin, als die 55-Jährige in Herzogen­aurach ihren Kader für die WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) kommentierte. Die vermasselte WM-Generalprobe gegen den unkonventionellen Außenseiter Sambia (2:3) hätte ihr als Ballast für den Abflug nach Sydney am Dienstag eigentlich schon gereicht, als am Wochenende gleich noch eine weitere Hiobsbotschaft eintraf. Carolin Simon hatte sich in der grotesken Schlussphase dieses Testspiels einen Riss des vorderen Kreuzbands zugezogen.

Der Ausfall der 30-Jährigen vom FC Bayern trifft die deutsche Nationalelf auf einer neuralgischen Position. Mit Felicitas Rauch (VfL Wolfsburg) steht nur noch eine richtige Linksverteidigerin zur Verfügung. Die erst zur USA-Reise im Herbst vergangenen Jahres ins DFB-Team zurückgekehrte Simon war nebenbei die beste Vorlagengeberin der Liga. „Dass das im letzten Spiel passiert, trifft uns alle hart. Caro wäre im Kader gewesen, sie hatte sich die vergangenen 14 Tage ganz, ganz stark präsentiert. Nicht nur auf dem Platz“, sagte Voss-Tecklenburg.

Gestrichen wurden aus dem WM-Aufgebot erwartungsgemäß nach der bereits abgereisten Paulina Krumbiegel nun noch Sarai Linder (beide TSG Hoffenheim), Tabea Sellner (VfL Wolfsburg) und Ersatztorhüterin Ena Mahmutovic (MSV Duisburg). Die als zentrale Anker unverzichtbaren Lena Oberdorf (muskuläre Läsion) und Marina Hegering (Fußprellung) haben zwar nur leichte Verletzungen erlitten, dennoch reist Janina Minge (SC Freiburg) als 24. und zusätzliche Spielerin mit.

Bei vielen ist die Selbstsicherheit dahin. Von einer Titelform scheint das Team gut zwei Wochen vor der Eröffnung so weit weg wie Aus­tra­lien von Deutschland. Immerhin ist der Vertrauensvorschuss für die deutschen Fußballerinnen riesig: Da gab es im gut besuchten Sportpark Ronhof bei der Ehrenrunde unverändert Beifall, am Absperrgitter drängten sich die Fans. Bei solch wohlwollender Grundstimmung neigten einige zur Schönfärberei.

Gefährliche Ballverluste

Der Ball sei ja „gut gelaufen“, meinte Mittelfeldspielerin Sara Däbritz. Doch wenn gegen einen WM-Neuling vorne Durchschlagskraft, hinten Wehrhaftigkeit fehlen, bringt das wenig. Fast jeder Ballverlust beschwor bei einem insgesamt ideenarmen Auftritt genau wie gegen Vietnam eine brenzlige Situation herauf.

„Wir müssen schneller ins Gegenpressing kommen, wir sind nicht kompakt genug“, mahnte Kapitänin Alexandra Popp. Hierzulande würden bei Fußballfans „ja ganz schnell die Alarmglocken angehen“, fügte die 32-Jährige sarkastisch an, sie mache sich „keine Sorgen“, was ein wenig verwunderte. Voss-Tecklenburg hob die Stimme, als sie mit Blick auf die Gruppenspiele gegen Marokko (24. Juli), Kolumbien (30. Juli) und Südkorea (3. August) sagte: „Gegen Kolumbien kommt die gleiche Physis, das gleiche Tempo auf uns zu.“

Fünf von Verunsicherung geprägte Länderspiele 2023 – gegen Schweden (0:0), die Niederlande (1:0), Brasilien (1:2), Vietnam (2:1) und nun Sambia – nähren den Verdacht, dass sogar diese bunte Vorrunde zur Zitterpartie werden kann. „In der Summe zu viele Fehler. In der Summe ein durchwachsenes Jahr“, konstatierte Voss-Tecklenburg, die zwar „nicht alles zerreden“ wollte, aber doch deutliche Worte fand: „Mentalität und Körperlichkeit“ müsse man reinkriegen, da müsse es endlich „klares Handeln und ein Learning“ geben.

Gleichwohl wollte die Daueroptimistin aus dem Dämpfer im Frankenland auch eine Chance erkannt haben: „Vielleicht gucken die anderen jetzt weniger auf uns.“ Stimmt wohl: Der eine oder andere wird Deutschland auch bei den Frauen nicht mehr zu den WM-Favoriten zählen.

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