Salafistenvereine verboten: „Oh Allah, zerstöre sie“
Der Innenminister verbietet drei salafistische Vereine. Einen Teil der Szene könnte das weiter radikalisieren. Im Netz beschimpfen sie den „Verfassungsschmutz“.
KÖLN/BERLIN taz | Zum zweiten Mal in seiner Amtszeit geht Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) mit einem Vereinsverbot gegen die salafistische Szene vor. Von Mittwoch um 6 Uhr an durchsuchten Polizisten unter anderem in Solingen, Düsseldorf und Frankfurt die Wohnungen von 20 Männern und Frauen, beschlagnahmten Computer, Handys, Geld und Propagandamaterial. Rund 120 Beamte waren in Nordrhein-Westfalen und Hessen im Einsatz.
Verboten wurden drei islamistische Gruppen, von denen aber nur eine von größerer Bedeutung ist: „DawaFFM“ um den 41-jährigen Salafistenprediger Abdellatif Rouali, der sich selbst „Sheikh Abdellatif“ nennt. Die 2008 gegründete Gruppe aus Frankfurt am Main befand sich schon länger im Visier der Sicherheitsbehörden.
Sie war stark missionarisch aktiv, betrieb intensive Jugendarbeit, organisierte Fußballturniere, Grill-Events und bundesweite Seminare. Ihr Logo: Ein Schriftzug im Graffiti-Stil, dazu die Skyline von Frankfurt, verdeckt von in den Himmel ragenden Minaretten.
Das wäre für sich freilich wenig problematisch. Laut Innenministerium hat die Gruppe jedoch andere Religionen für minderwertig erklärt und dazu aufgerufen, diese zu bekämpfen. „DawaFFM“ richte sich „gegen die verfassungsgemäße Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung“, heißt es in der Verbotsverfügung. Ein ranghoher Sicherheitsbeamter formuliert es so: „Es gibt ein bestimmtes Maß an Unerträglichkeit, ab dem man Hetze und Propaganda einen Riegel vorschieben muss.“
„Lass es schmerzhaft sein“
So fanden die Behörden bei einer Razzia, die bereits im vergangenen Jahr stattgefunden hat, in größerer Stückzahl Bücher, in denen das Schlagen von Frauen und das Töten von „Abtrünnigen“ rechtfertigt werde. Zudem soll „DawaFFM“ im Internet Videos verbreitet haben, in denen die Vernichtung von Juden, US-Amerikanern und der von den Salafisten verhassten Schiiten herbeigesehnt werde. „Oh Allah, zerstöre sie und lass es schmerzhaft sein“, heißt es laut Verbotsverfügung in einer Hymne in einem dieser Videos.
Eine Rolle für das Verbot von „DawaFFM“ hat nach Angaben aus Sicherheitskreisen auch gespielt, dass der Frankfurter Flughafenattentäter Arid Uka, der im März 2011 zwei US-Soldaten erschoss, in Kontakt mit Propaganda der Gruppe gekommen war. Nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft hatte Uka sowohl im Internet Vorträge des DawaFFM-Chefpredigers gehört, als auch einige Male dessen Veranstaltungen besucht. Persönlich gekannt haben sollen sie sich aber nicht.
Salafisten propagieren einen vermeintlichen Ur-Islam mit strengen Regeln für alle Bereiche des Lebens. Ein kleinerer Teil der Szene propagiert den bewaffneten Dschihad gegen die „Ungläubigen“ und westlichen „Kreuzritter“ in Ländern wie Afghanistan und Mali. Der Verfassungsschutz geht von 4.500 Salafisten in Deutschland aus – bei mehr als 4 Millionen Muslimen insgesamt. Verbote radikaler Vereine dienten daher „auch dem Schutz der übergroßen Zahl friedlicher Muslime“, findet Innenminister Friedrich.
Im vergangenen Jahr hatte er nach Straßenschlachten von Salafisten in Solingen und Bonn bereits die besonders radikale und offen Gewalt befürwortende Gruppe „Millatu Ibrahim“ verboten. An diesem Mittwoch wurde nun der salafistische Spendensammelverein „an-Nussrah“ mit Sitz in Nordrhein-Westfalen als Teilorganisation dieser Truppe ebenfalls aufgelöst.
Ein Verbot mit Risiken
Das Verbot von „Millatu Ibrahim“ im Juni 2012 hatte jedoch eine zwiespältige Wirkung. Einerseits schien sich die Szene in Deutschland danach zumindest im öffentlichen Auftreten zu mäßigen. Andererseits gab es einen kleineren Teil der Szene, der sich radikalisierte, nach Nordafrika auswanderte und von dort aus weiter Hetze im Internet verbreitete.
Der Verfassungsschutz spricht von 60 Salafisten aus Deutschland, die in den letzten zwölf Monaten nach Ägypten übergesiedelt sind. Einige von ihnen könnten das Ziel haben, sich Dschihadisten in Mali, Jemen oder Syrien anzuschließen.
Auch jetzt besteht nach Einschätzung aus Sicherheitskreisen die Gefahr, dass sich einzelne von den Verboten nicht abschrecken ließen, sondern weiter radikalisierten.
Passend dazu kam es am Mittwoch zu heftigen Reaktionen einzelner Aktivisten der Salafistenszene. Im Internet wurden die für das Verbot zuständigen Beamten als „Affen und Schweine“ beschimpft, andere wetterten gegen den „Verfassungsschmutz“.
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