Ausweisungen religiöser Extremisten: Show für die konservative Klientel
Innenminister Friedrich will Ausweisungen religiöser Extremisten erleichtern. Anlass sei die Bedrohung in Deutschland durch „salafistische Aktivisten“.
FREIBURG taz | Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will die Ausweisung „religiöser Extremisten“ erleichtern. Das hatte er bereits vorige Woche bei der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern in Hannover angekündigt. Jetzt liegt der taz sein Referentenentwurf „zur Modernisierung des Ausweisungsrechts“ vor.
Danach soll ein Ausländer zwingend ausgewiesen werden, wenn er sich „bei der Verfolgung religiöser Ziele“ an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht. Bisher war dies laut Gesetz nur bei der Verfolgung „politischer Ziele“ vorgesehen.
Anlass sei die zunehmende Bedrohung des friedlichen Zusammenlebens in Deutschland durch „salafistische Aktivisten“, heißt es in dem Entwurf des Bundesinnenministers. Salafisten sind besondere fundamentalistische Muslime. Nicht alle Salafisten sind gewaltorientiert. Aber die meisten der jüngst in den Terror abgeglittenen Muslime waren vorher Salafisten.
Allerdings handelt es sich bei der von Friedrich vorgeschlagenen Änderung nicht wirklich um eine Verschärfung des Ausweisungsrechts. Da der religiöse Extremismus bisher als politischer Extremismus behandelt wurde, ist die ausdrückliche Nennung „religiöser Ziele“ eher eine symbolische Klarstellung.
Regeln ohne große Bedeutung
Etwas größere praktische Bedeutung haben andere Verschärfungen des Entwurfs. So soll bei gewaltorientierten extremistischen Ausländern die Ausweisung nicht mehr nur „in der Regel“, sondern zwingend erfolgen. Außerdem soll künftig zwingend ausgewiesen werden, wenn ein Ausländer zu einer einjährigen Freiheitsstrafe (ohne Bewährung) verurteilt wurde, derzeit liegt die Grenze noch bei drei Jahren Freiheitsstrafe.
Für die meisten Ausländer werden diese Regeln allerdings keine große Bedeutung haben. EU-Bürger können nur ausgewiesen werden, wenn sie eine akute Gefahr darstellen. Das Gleiche gilt aufgrund eines Assoziationsabkommens auch für Türken. Andere Ausländer, die schon mehr als fünf Jahre rechtmäßig in Deutschland leben, können auch nur nach einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden. Diese von der Rechtsprechung entwickelte Einschränkung des Ausweisungsrechts soll nun auch ausdrücklich im Gesetz erwähnt werden.
Insofern ist die ständige Zunahme der Gründe für eine zwingende Ausweisung vor allem Show für die konservativen Stammwähler. Es gibt nur wenige Fälle, bei denen dieser Automatismus überhaupt anwendbar wäre, zum Beispiel bei frisch eingereisten afrikanischen Studenten, die straffällig werden. Innenminister Friedrich rechtfertigt die Verschärfungen vor allem damit, dass die Hochstufung der Ausweisungsgründe ihr Gewicht bei der Abwägung mit den Interessen des Ausländers erhöhe.
Ob Friedrichs Vorschläge je im Aufenthaltsgesetz verankert werden, ist ohnehin unsicher. Er müsste erst einmal seine Regierungskollegin Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) überzeugen, dass die Änderungen notwendig sind. Sollten Bundeskabinett und Bundestag zustimmen, wäre auch noch eine Zustimmung des rot-grün dominierten Bundesrats erforderlich. Bei der Innenministerkonferenz vorige Woche legte Friedrich die Vorschläge nur als Tischvorlage vor und verärgerte damit sogar sein eigenes Lager.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise der Linkspartei
Ein Tropfen reicht, um das Fass zum Überlaufen zu bringen
Ende des Brics-Gipfels
Guterres diskreditiert die Vereinten Nationen
Getötete Journalisten im Libanon
Israels Militär griff Unterkunft von TV-Team an
Wissings Verkehrsprognose 2040
Auto bleibt wichtigstes Verkehrsmittel
Freihandel mit Indien
Indien kann China als Handelspartner nicht ersetzen
+++ Nachrichten im Nahost-Konflikt +++
Libanon-Konferenz sagt eine Milliarde Dollar zu