Saisonstart in der Fußball-Bundesliga: Der FC Bayern grüßt die Liga
Pinke Leiberl, Rochade auf den Trainerbänken, Herbst im Januar, Brause aus Ostdeutschland, ein Refugee als Rechtsaußen. Doch der Meister kommt eh aus München.
Einzig mögliche Post-Pep-Option
Wahrscheinlich haben sie sich in München schon im April 2014, als der große FC Bayern dahoam in der Champions League 0:4 gegen das so offensichtlich größere Real Madrid unterlag, gedacht: Dieser Trainer, der dem weißen Ballett so viel Chuzpe und Cleverness eingeimpft hat, muss eines Tages Coach in München sein. Carlo Ancelotti hieß der Mann. Nun ist der 1959 im italienischen Reggiolo geborene Erfolgstrainer da, und er war die einzig mögliche Post-Pep-Option, der einzig denkbare Kandidat, um der spielerisch so glorreichen, aber eben auch so championsleaguetitellosen Ära Pep Guardiola zu folgen. „Ich bin kein Magier, ich kann das Resultat nicht voraussagen“, ließ er im Vorfeld des Spiels wissen. Ein Zauberer mag er nicht sein, dominieren wird er die Liga wohl dennoch mit seinem Team, ganz unabhängig von der Premiere. (JUT)
Gott und Götze
Kürzlich gab es in der Dortmunder Dreifaltigkeitskirche einen Gottesdienst, bei dem ein paar Stoßgebete für eine möglichst erfolgreiche BVB-Saison gen Himmel gesendet wurden. SZ-Journalist und BVB-Fan Hans Leyendecker hielt eine Art schwarz-gelbe Predigt; unter anderem war das Gleichnis des verlorenen Sohns ein Thema, das sich jüngst in Dortmund wiederholt hat: Mario Götze ist zurück. Er ist aber nur ein Teil in einem völlig neu zusammengewürfelten BVB-Puzzle, dem die Teile Mkhitaryan, Hummels und Gündoğan abhanden gekommen sind und in dem dafür die Elemente Schürrle, Guerreiro, Mor und Dembélé passend gemacht werden müssen. Wir sagen: Guru Thomas Tuchel wird’s richten, auch ohne Gottes Beistand. (JUT)
Brause, Limo, Fußball
Okay, könnte man sagen: Mit RB Leipzig ist endlich Ostdeutschland wieder in der Bundesliga vertreten. Seit 2009, als Energie Cottbus verschwand, hat die Ex-DDR, die man ja immer noch „Neue Bundesländer“ nennt, gefehlt, obwohl es ja durchaus vorzeigbare Arenen gibt. Doch mehrheitlich halten deutsche Fans RB allerdings eher für österreichische Limonadenverkäufer in kurzen Hosen. Brauseklub, Kommerzverein, Dosenkicker, Marketinggag, traditions- und seelenlose Fußballfirma – so lauten die Vorwürfe. Verkörpert RedBull alias RasenBallsport Leipzig also gar nicht sächsische Fußballtradition? Hm. Niedersächsische Fußballtradition etwa ist in der Bundesliga ja auch nur durch eine hundertprozentige Tochter der Volkswagen AG vertreten. (MAK)
Masterpiece of Resozialisierung
Wer heute noch ernsthaft bestreitet, welche Integrationskraft vom Fußball ausgeht, der sollte den Blick nach München richten. Dort heuert Anfang 2015 ein damals 63-jähriger Straftäter im offenen Vollzug bei einem Fußballverein an und übernimmt Aufgaben in der Jugendabteilung. Er beweist schnell enormes Fachwissen und sorgt dafür, dass die Nachwuchsabteilung umstrukturiert wird. Man schätzt ihn im Klub zusehends für seine soziale Ader. Im November dieses Jahres wird dieses Masterpiece of Resozialisierung vermutlich vollendet, wenn er Präsident des FC Bayern wird. Uli Hoeneß ist dann wieder in Amt und Würden. (JUT)
Ein Flüchtling in der Liga
Aus Gambia stammt Bakery Jatta, 18 Jahre ist er alt, und nach allem, was man weiß, hat er vor seiner Flucht nach Deutschland noch nie in einem Verein gespielt. Aber nun gehört Jatta zum Kader des Hamburger SV. Damit das Talent da landen konnte, musste die Arbeitsagentur die „Vorrangprüfung“ aussetzen, nach der erst mal geguckt wird, ob es nicht auch „deutsche Arbeitssuchende“ gibt, die eher den Job kriegen. Der HSV habe, heißt es, für Jatta ein privilegiertes Verfahren bekommen. Und Jatta einen Dreijahresvertrag. Ob der auch für die Zweite Liga gilt, weiß man nicht. (MAK)
Pinke Schocker
„#pinkschockt“, heißt es derzeit beim HSV. Als Reminiszenz an die 70er Jahre laufen die Rothosen in dieser Saison in pinken Auswärtstrikots auf. Vor 40 Jahren wollte Präsident Peter Krohn die Damenwelt mit rosa Trikots ins Stadion locken. Schöne stereotype Welt. Heute geht es nur noch um den Absatz der Sporthemden in Modefarben. Werder spielt in Lila, Freiburg in Grün, die Hertha ab und an auch in Pink. Aber es gefällt: HSV-Fans standen Schlange, als der „Schocker“ in den Verkauf ging. Rekordverkauf! „Ihr werdet es alle gut finden“, sagte Sportchef Dietmar Beiersdorfer. Die Gruppe Nordtribüne Hamburg sieht’s anders: „Blau, weiß und schwarz sind unsere Farben“, sagen sie, alles andere sei Marketing. Tim Wiese wird es aber gefallen, war er doch der Pionier des rosa Trikots. Vielleicht ist der ehemalige Werderaner ja einer für den HSV? (SÖH)
Der Video-Assi
In Köln wird er hocken, der fünfte Mann im Schirigespann. Fernab von jedem Stadion sitzt ein Videoassistent vor dem Bildschirm: War’s ein Tor, war’s ein Elfer, und wem gebührt Rot für dieses Foul? Dazu sollen in einer Testphase bis zu vier Bundesligaspiele ausgewertet werden. Noch kriegt der Schiri auf dem Platz keine Infos vom Besserwisser. Hauptsache, der deutsche Fußball kann „auch auf der Ebene des technischen Fortschritts eine Vorreiterrolle übernehmen“, wie der DFB mitteilt. Ist die mediale Schirikontrolle etwas Neues? Früher hieß sie „Sportschau“. Kam auch aus Köln. (MAK)
Herbstmeister im Winter
Joachim Gaucks visionäre Fähigkeiten wurden – endlich, endlich und endlich – auch von der Deutschen Fußballliga erkannt. „Winter im Sommer – Frühling im Herbst“ heißt das Erinnerungsbüchlein des Herrn Bundespräsidenten, und siehe: Im Winter wird der Herbstmeister gekürt: Erst am winterlichen 22. Januar dürfen Sportjournalisten verkünden, mit welch hoher Wahrscheinlichkeit der Herbst- auch der Deutsche Meister wird. Der wiederum wird am 20. Mai ausgerufen. Dann ist bekanntlich noch Frühling, aber für den FC Bayern München, der es ja eh wird, ist dann irgendwie auch schon Sommer. (MAK)
Hertha und die Hornhaut
Die Hamburger Marketingagentur Jung von Matt hat schon vielen Unternehmen ein bisschen Sexyness eingehaucht, man denke an den supergeilen Supermarkt Edeka oder Sixt, die Verleihfirma mit den coolen Cars. Mit dem Charlottenburger Fußballunternehmen Hertha BSC hat sich die Agentur möglicherweise übernommen, denn die Hertha zu vermarkten ist in etwa so schwierig wie eine Hornhautschere zum unverzichtbaren Accessoire am Badesee zu erklären. Die ersten Slogans auf den Plakaten lauten: „Berliner Start-up seit 1892“ und „We try! We fail! We win“ (wir probieren, wir versagen, wir gewinnen). Hertha-Fans strichen den letzten Satz nach dem Europa-League-Scheitern gleich mal ersatzlos durch. (JUT)
Danke, geliebte Fifa
„Doppelbestrafung“, „Dreifachbestrafung“. Begriffe, die Fußballfans gut bekannt sind – negativ. Wenn ein Spieler in der vergangenen Saison im Strafraum eine klare Torchance verhinderte, bestrafte der Schiedsrichter dieses mit Elfmeter und Rot. Die Untat wurde doppelt gesühnt, eigentlich dreifach: Der vom Platz gestellte Spieler fehlte mindestens im nächsten Spiel. Dies ändert sich in dieser Saison. Danke, oh, du geliebte Fifa. Versucht ein Spieler beim Foul den Ball zu spielen, gibt es nur noch Gelb und Elfmeter. Handspiele, Ziehen und Tätlichkeiten sind davon ausgenommen. Weise, oder? Kleine Frage: Wer erinnert sich an die Handspiel-Diskussionen? Wollte ich nur mal kurz in den Raum werfen. (SÖH)
Fünf Trainer sollt ihr sein
Überraschung, fast wäre es untergangen: Neben Carlo Ancelotti stehen fünf weitere Trainer in dieser Saison für ihre neuen Vereine an der Seitenlinie: Markus Kauczynski und Markus II. Weinzierl, Dirk Schuster, Norbert Meier und Ralph Hassenhüttl. Typen wie du und ich. Kauczynski, ein bierbäuchiger Knurrhahn à la Frank Pagelsdorf, verkörpert im Bundesligazirkus der Konzepttrainer eine so ehrliche wie herrliche Abwechslung. Weinzierl, Konzepttrainer und damit Antagonist des leidenschaftlichen Kauczynskis, ist gefangen im Schalker Erwartungssumpf. Glück für ihn: Das Medienumfeld auf Schalke ist als sehr geduldig bekannt – einfach mal bei Jens Keller anrufen. Neu sind auch Motivator Schuster und Kopfnuss-Legende Meier. Während Letzterer Schuster in Darmstadt ersetzte, ersetzte dieser Weinzierl in Augsburg, der wiederum Breitenreiter beim FC Schalke ersetzte. Was eine Rochade! Hasenhüttl ist übrigens der Neue beim Dosenklub. Ob die fünf Fragezeichen der Liga ihren Stempel aufrücken? Gewiss! Ob sie den Bayern gefährlich werden können? Gewiss nicht! (SÖH)
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