Sachsens Innenminister bei Nius: Zu wenig Berührungsängste

Sachsens Innenminister Armin Schuster setzt rechte Akzente. Im rechtspopulistischen Reichelt-Portal „Nius“ lobhudelt er sein Bundesland.

Armin Schuster (CDU), Innenminister in Sachsen, spricht mit Bundespolizisten am Gemeinsamen Zentrum der Deutsch-Polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit am Autobahngrenzübergang

Armin Schuster im Gespräch mit der Polizei Foto: picture alliance/dpa/Patrick Pleul

LEIPZIG taz | „Sachsen sind sensibler!“ Armin Schuster kommt ins Schwärmen, wenn er von Sachsen spricht. Sie seien nicht nur kernig und widerspenstig, sondern auch der „Frühwarnindikator für Stimmungen, für gesellschaftliche Positionierungen“ in Deutschland. Also, Völker der Welt, schaut nach Sachsen. Denn dort fühlt sich Schuster, der Staatsminister des Innern, nicht nur „sauwohl“, dort findet er von seinem Zweitwohnsitz aus die besten Menschen der Welt.

Nicht erst seit der unsäglichen Kampagne „So geht sächsisch“ wabert der Mythos von den besonders fischelanten (sächsisch für clever, ausgebufft) Sachsen durch den Freistaat. Der gebürtige Pfälzer Schuster wohnt bei Weil am Rhein, am anderen Ende Deutschlands, und will sich auch darum umso eindringlicher als Mann des ostdeutschen Volkes inszenieren. Dafür wärmt er die Ideologie des sächsischen Exzeptionalismus auf und nutzt sie als Steigbügel in Richtung Populismus: „Das Entscheidende: Sie haben keinen Political-Correctness-Filter vor dem Maul“, lobhudelt der Innenminister seine Sachsen.

Diese Lobrede hält er ausgerechnet bei dem neuen Onlinemedium Nius, bei dem sich neben dem ehemaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt zahlreiche erzkonservative bis rechtspopulistische Stimmen versammelt haben. Die Top-Takes aus der Redaktion: „Trans ist Trend“, „Kinderarmut ist importiert“ oder „Wie die Grünen die Wahrheit verdrehen“.

Fast eine Stunde nimmt sich Armin Schuster Zeit, dort die suggestiven Fragen von Ralf Schuler zu beantworten, der Reichelt aus dem Springer-Kosmos gefolgt ist in diese Ecke des Internets, wo nur Empörung zählt. Schuster bleibt bei seinem Leisten und tut, was ein Innenminister in Sachsen tun muss: Er fordert scharfe Grenzkontrollen und mehr Abschiebungen – als Alarmsignal für Brüssel. Er betont, dass ein pragmatischer Umgang mit der AfD auf kommunaler Ebene nicht mehr nur denkbar sei, sondern in Sachsen geradezu Pflicht – gerade im Sinne der Bevölkerung.

Türen in der Brandmauer

So weit, so schlecht. Schuster ist nicht der erste CDUler, der mit der AfD zusammenarbeiten will. Natürlich muss eine Ortsumfahrung nicht blockiert werden, weil auch ein AfD-Landrat sie will. Doch wer diesen Umstand in einer einschlägigen Echokammer geltend macht, möchte vor allem Türen in die Brandmauer nach rechts einbauen – und keine Ortsumfahrungen.

Mindestens ebenso haarsträubend ist seine inhaltliche Schlagseite, auch ohne Handschlag mit der AfD: Ein CDU-Minister, der sich ohne Not in eine populistische Nischensendung setzt, um ausgiebig gegen alles zu wettern, was für ihn irgendwie links riecht (gendern, öffentlich-rechtliche Medien, Migration), der fischt nicht in fremden Gewässern nach Wähler*innen. Vielmehr fühlt er sich rechts außen sauwohl.

Dass sich Rechts­po­pu­lis­t*in­nen um Julian Reichelt auf Nius versammeln, ihre Reichweite also freiwillig drosseln und sich mithilfe der Finanzierung eines konservativen Milliardärs in eine ästhetische wie inhaltliche Schmuddel­ecke zurückziehen, ist das eine. Aber was sucht dort ein Landesinnenminister? Diskurs? Wahlkampf? Demokratie?

Armin Schuster erweist seinem Freistaat einen Bärendienst, wenn er ihn als zänkisches Korrektiv für Berlin und ganz Deutschland darstellt. Vor allem aber macht Schuster mit solchen Auftritten sich selbst lächerlich. Das ist zwar nicht lustig, aber auch für einen vermeintlich sächsischen CDUler nicht besonders fischelant.

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