Sabotageversuch bei „Washington Post“: Recherche entlarvt Lügengeschichte
Eine Frau wollte der Zeitung eine fingierte Geschichte über eine Vergewaltigung unterjubeln. Dahinter steckt wohl ein rechter Verein.
![Ein Mann steht in einem Raum Ein Mann steht in einem Raum](https://taz.de/picture/2414022/14/19525940.jpeg)
Entweder es handelt sich um das, was sich Rechte unter Satire vorstellen – oder es ist ein gezielter Sabotageakt gegen die US-Presse. Eine junge Frau hat der Zeitung Washington Post eine Vergewaltigungsgeschichte vorgegaukelt. Sie behauptete, der Senatskandidat in Alabama, Republikaner Roy Moore, habe mit ihr Sex gehabt, als sie Jugendliche war. Sie sei schwanger geworden und Moore habe sie gedrängt, abzutreiben.
Die Geschichte war gelogen. Dahinter steckt ein rechter Verein, der sich selbst als Enthüllungsmedium sieht.
Die falsche Informantin, die nach Angaben der Washington Post Jaime Phillips heißt, kontaktierte die Zeitung Anfang November. Bei einem Background-Check zu ihrer Person stießen die RechercheurInnen der Post auf Widersprüche in ihren biografischen Angaben, sowie auf eine Website unter ihrem Namen, in dem es heißt, dass sie nach New York ziehe, um sich der „konservativen Medienbewegung“ anzuschließen. Die Post geht davon aus, dass es sich dabei konkret um den Verein „Project Veritas“ handelt. Nachdem Philipps' Betrug aufgeflogen war, beobachteten Post-MitarbeiterInnen, wie sie deren Büro aufsuchte.
„Project Veritas“ ist ein Verein des rechten Aktivisten James O'Keefe. Dessen Onlineportal bewirbt sich als investigatives Medium und Medien-Watchblog. Es enthülle „Korruption, Verlogenheit, Untreue, Verschwendung, Betrug und andere Verfehlungen in öffentlichen und privaten Einrichtungen, um die Gesellschaft ethischer und transparenter zu machen“, heißt es auf der Seite.
Für ihre sogenannten Enthüllungen suchen O'Keefe und seine MitarbeiterInnen den Kontakt zu JournalistInnen und filmen heimlich Gespräche mit ihnen, in denen diese – aus Sicht von „Project Veritas“ – ihre politische Agenda offenlegen. Im Oktober machte sich die Seite die New York Times zum Ziel und veröffentlichte verdeckt gefilmte Unterhaltungen mit NYT-MitarbeiterInnen in Bars.
Die Journalistinnen sprechen darin über die politische Ausrichtung der Zeitung und dass sie versuche, ein Gegen-Narrativ zum Präsidenten zu entwickeln. „Project Veritas“ veröffentlichte Zusammenschnitte der Aufzeichnungen als angebliche Scoops. Das rechtsextreme Portal „Breitbart“ des ehemaligen Trump-Strategen Stephen Bannon verbreitete diese sowie viele weitere Videos von O'Keefes Verein.
Allem Anschein nach locken O'Keefe und seine MitarbeiterInnen JournalistInnen gezielt in Gesprächssituationen in entspannter Atmosphäre und versuchen sie durch geschickte Gesprächsführung dazu zu bringen, Äußerungen zu machen, die „Project Veritas“ dann als Indizien für eine politische Verschwörung der Medien verkauft.
Inhalte für Rechte und Verschwörungstheoretiker
Nach Ansicht der Washington Post soll die falsche Informatin ein ähnliches Ziel verfolgt haben. In ihrem letzten Treffen mit einer Post-Mitarbeiterin, der Reporterin Stephanie McCrummen, verlangte Phillips mehrfach die Zusicherung, dass ihre Geschichte zu Roy Moores Wahlniederlage führen würde. Zu diesem Zeitpunkt war sich die Post schon sicher, dass Phillips lügt. McCrummen will beobachtet haben, wie Phillips ihre Tasche so rückte, dass eine darin versteckte Kamera McCrummen hätte aufnehmen können. McCrummen konfrontierte daraufhin Phillips mit ihren Widersprüchen, die das Gebäude verließ.
Ein Post-Reporter versuchte am Montag, „Project Veritas“-Macher O'Keefe zu einer Stellungnahme zu bewegen. Die Begegnung hielten beide Seiten auf Video fest. O'Keefe weicht darin der Frage aus, ob Jaime Philipps für ihn arbeite.
„Project Veritas“ verfolgt entweder das Ziel, interessante Inhalte für ein rechtes oder verschwörungstheoretisches Publikum zu generieren. Das Narrativ von der „Verschwörung der liberalen Presse“ ist beliebt, auch weil der Präsident es regelmäßig verwendet. Es könnte aber auch darum gehen, der Post zu schaden, indem man gezielt falsche Stories platziert. Wäre die Zeitung auf den Schwindel reingefallen, hätte sie das Glaubwürdigkeit gekostet. Ganz egal, wer dahinter steckt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Krisentreffen nach Sicherheitskonferenz
Macron sortiert seine Truppen
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär