SYRIENEin Sprecher Putins bestätigt, dass Moskau nicht nur den IS im Visier hat. USA und Russland wollen Luftangriffe besser absprechen: Neue Bomben trotz Kritik
Aus New York Dorothea Hahn
Russland setzt trotz der Kritik an seinem Syrieneinsatz seine Luftangriffe fort und nimmt dabei nach eigenen Angaben auch andere Rebellengruppen als den „Islamischen Staat“ (IS) ins Visier. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums bombardierten russische Kampfflugzeuge in der Nacht vier IS-Stellungen. Ein Regierungssprecher in Moskau sagte laut Reuters, die Bombardements richteten sich generell gegen eine Reihe bekannter islamistischer Organisationen, nicht nur gegen den IS.
Bereits am Vortag, wenige Stunden nachdem russische Militärflugzeuge erstmals Bomben über Syrien abgeworfen hatten, traten US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lavrov am New Yorker UN-Sitz gemeinsam vor die Medien. Das zentrale Stichwort ihres kurzen Auftritts, bei dem keine Fragen zugelassen waren, lautete „Deconfliction“. Möglicherweise noch am Donnerstag wollten Militärs beider Länder, die nun gleichzeitig Ziele in Syrien bombardieren, Gespräche zur Konfliktvermeidung aufnehmen. Sie sollten, so Lavrov, „Gesprächskanäle eröffnen, um unbeabsichtigte Zwischenfälle zu vermeiden“.
Der erste „Zwischenfall“ könnte bereits am Mittwoch eingetreten sein. Nach Angaben syrischer Oppositioneller im Exil haben die russischen Bomben nicht den IS anvisiert, sondern syrische Oppositionelle, die mit den USA zusammenarbeiten. Chaled Chodscha, Chef der oppositionellen Nationalen Koalition mit Sitz in Istanbul, sagte, die Luftangriffe in der Region von Homs hätten 36 Zivilisten getötet, aber keine Rebellen. „Die Angriffe von Mittwoch beweisen, dass Russlands Ziel in Syrien nicht der IS, sondern Anti-Assad-Rebellengruppen sind“, erklärte auch der Sprecher der oppositionellen Schamia-Front, Sales al-Sein.
In Washington schien Verteidigungsminister Ashton Carter diese Position zumindest ernst zu nehmen. Auf einer Pressekonferenz am Mittwochnachmittag sagte er, die russischen Bomben gössen Öl ins Feuer in Syrien und könnten den „Bürgerkrieg entflammen“. Carter bestätigte die Berichte, die russischen Bomben hätten Zivilisten getroffen, zwar nicht. Er sagte aber, „falls es so wäre, wäre das ein weiterer Grund, weshalb diese Art russischer Aktionen für Russland sehr böse nach hinten losgehen wird.“
Der rasante Übergang von russischen Worten zu Bomben, nur zwei Tage seit dem ersten Treffen zwischen Barack Obama und Wladimir Putin seit Jahren, bringt Washington in eine komplizierte Lage. Außenminister John Kerry, der bei seinem Presseauftritt in New York seinen Amtskollegen mehrfach mit „Sergej“ ansprach, geriet umgehend in die Kritik. Er klang deutlich versöhnlicher gegenüber Moskau als Obama zwei Tage zuvor in der UNO. Obama sieht für den syrischen Bürgerkrieg keine Lösung mit Assad, der „sein eigenes Volk bombardiert“.
Bei den Außenministern hingegen klingt es, als gebe es nur Unterschiede in den Nuancen. „Wir alle wollen ein demokratisches, vereintes und säkulares Syrien“, sagte Lavrov, während Kerry neben ihm nickte, „aber wir haben Differenzen in den Details, wie wir dahin kommen“. Allerdings sprach er auch von amerikanischen „Sorgen“ bezüglich der Angriffsziele und kündigte an, dass die militärische „Deconfliction“ sehr bald nach Lösungen suchen solle.
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