SPD zu Abzugstermin aus Afghanistan: Möglichst schnell, möglichst konkret
SPD-Fraktionschef Steinmeier nennt einen konkreten Abzugstermin als Bedingung seiner Partei für eine Zustimmung zu einem verlängerten Mandat.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier fordert, 2011 mit dem Abzug deutscher Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan zu beginnen. Anderenfalls werde seine Fraktion die Mandatsverlängerung im neuen Jahr nicht mittragen. "Für die Zustimmung der SPD muss der Beginn des Rückzugs im Mandat enthalten sein", sagte er der Bild am Sonntag. Das sei eine Frage der Glaubwürdigkeit. Im neuen Jahr müsse der im Mandat von 2010 bereits avisierte Rückzug "durch konkretes Tun untermauert werden".
Die Regierungskoalition ist sich nicht einig, wann sie den Abzug beginnen lassen soll. Besonders zwischen Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gibt es diesbezüglich Differenzen. Aber auch Steinmeiers Äußerungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die SPD in der Rückzugsfrage zerrissen ist. Während einem Großteil der Parteibasis der Abzug nicht schnell genug kommen kann, hat sich die Parteispitze auf ihrer Afghanistan-Konferenz Mitte Dezember in einem von Steinmeier und Parteichef Sigmar Gabriel vorgelegten Positionspapier auf eine gemäßigte Position geeinigt: Der Abzug könnte in einem Zeitraum zwischen 2013 und 2015 erfolgen, bereits Mitte 2011 sollen die ersten Soldaten abziehen. Zudem soll die Verantwortung schrittweise an die Afghanen übergeben werden.
Prominente Unterstützung erhalten die Befürworter eines sofortigen Rückzugs aus dem SPD-Landesverband in Mecklenburg-Vorpommern. Ministerpräsident Erwin Sellering sowie Parteivize Manuela Schwesig forderten einen "schnellstmöglichen Abzug der Bundeswehr". Endgültig wird die SPD-Position auf der Bundesvorstandsklausur im Januar entschieden.
Omid Nouripour, verteidigungspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, kritisiert die Diskussion der Sozialdemokraten: "Die werfen da einiges durcheinander. Den Beginn des Abzugs, die Übergabe der Verantwortung an die Afghanen und den kompletten Abzug aller Soldaten", sagte Nouripour zur taz. Er warnte vor vorschnellen Forderungen und plädierte für kurzfristige und realistische Ansagen. "Ein Komplettabzug bis 2014 wäre wünschenswert, wer das aber zu stark proklamiert, läuft Gefahr, es nicht einhalten zu können", so Nouripour. Der Beginn des Abzugs sei dagegen jetzt schon möglich und sinnvoll, "auch als Zeichen an die Afghanen, dass Anstrengungen auf beiden Seiten nötig sind".
Während die Parteien über das neue Afghanistan-Mandat diskutieren, kam an Heiligabend ein deutscher Entwicklungshelfer durch einen Anschlag im Norden Afghanistans ums Leben. Im Januar wird der Bundestag über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats abstimmen. Dafür benötigt die Regierung zwar nicht die Stimmen der Opposition, setzt aber bei dem umstrittenen Einsatz traditionell auf eine breite Zustimmung im Parlament. Das derzeit geltende Mandat sieht bis zu 5.000 deutsche Soldaten plus 350 Soldaten als Reserve vor.
Letztlich nähern sich Union, FDP, SPD und Grüne mit ihren Vorstellungen zum Rückzug aus Afghanistan einander an, auch wenn innerhalb der Regierung vor allem zwischen Außenminister Westerwelle und Verteidigungsminister zu Guttenberg noch Uneinigkeit herrscht. So hatte sich Westerwelle vor knapp zwei Wochen darauf festgelegt, dass Ende 2011 die ersten deutschen Soldaten das Land verlassen sollen und bis 2014 die Verantwortung für die Sicherheit komplett in die Hände der Afghanen übergeben wird. Wann die gesamte Mission endet, ließ er offen. Zu Guttenberg konterte mit offener Kritik am Außenminister und warnte vor einer frühzeitigen Festlegung. Ein Abzug der Bundeswehr komme nur infrage, wenn die Lage es erlaube, sagte er. Nicht Jahreszahlen, sondern die Lage sei maßgeblich. "Jeder Ehrgeiz muss sich an der Verantwortung messen lassen", sagte er.
Kurz vor Weihnachten zeichnete sich dann wenigstens ein kleiner Kompromiss zwischen Westerwelle und zu Guttenberg ab. In einem groben Entwurf zum neuen Mandat heißt es laut Medienberichten, dass Ende 2011/Anfang 2012 nicht mehr benötigte Soldaten abgezogen werden. Allerdings sei dies von der aktuellen Lage abhängig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist