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SPD und BSW in BrandenburgWoidkes verbrannte Erde

Uwe Rada
Kommentar von Uwe Rada

Die Entlassung der grünen Gesundheitsministerin durch Dietmar Woidke ist kein Ausrutscher. Für das BSW opfert er die Zukunftsfähigkeit des Landes.

Was ist Dietmar Woidke wichtiger? Der Cottbuser Ostsee in einem gefluteten Tagebau? Oder das Kraftwerk Jänschwalde im Hintergrund? Foto: picture alliance/dpa | Soeren Stache

G enutzt hat es ihm nichts. Um die Krankenhausreform von Karl Lauterbach in den Vermittlungsausschuss und damit vielleicht ins Aus zu schicken, hat Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) die grüne Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher gefeuert. Der Bundesrat hat die Reform, für die sich auch Nonnemacher starkgemacht hatte, dennoch verabschiedet.

Umso größer ist nun der Schaden für Dietmar Woidke. Nach Nonnemachers Rauswurf ist am Freitagnachmittag auch der noch amtierende Grünen-Umweltminister Axel Vogel zurückgetreten. „Die heutige Bundesratssitzung, in der der Ministerpräsident die Gesundheitsministerin durch die Entlassung an ihrer Rede gehindert hat, markiert nun einen neuen Tiefpunkt“, sagte Vogel zur Begründung. „Vor diesem Hintergrund ist keine Zusammenarbeit mehr möglich.“

Dass nicht nur das Tischtuch zwischen SPD und Grünen, sondern auch das der Bundes-SPD zu den Genossen in Brandenburg zerschnitten ist, zeigt die Reaktion von Karl Lauterbach. Der Bundesgesundheitsminister ließ es sich nicht nehmen, Nonnemacher ausdrücklich zu loben. Er bedauere die Entlassung der grünen Ministerin, sagte der Sozialdemokrat im Bundesrat: „Sie hat sich insbesondere dafür eingesetzt, dass in Brandenburg die Notfallversorgung in dem Umfang erhalten bleiben kann, wie sie notwendig ist. Das ist ihr Verdienst.“

Doch Verdienst ist für Dietmar Woidke offenbar kein Argument mehr, seitdem seine SPD mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht regieren will. Verdienstvoll für Brandenburg war auch Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD). Dieser hatte nicht nur maßgeblich Tesla nach Grünheide geholt, sondern auch den Strukturwandel in der Lausitz von der dreckigen Kohle zur sauberen grünen Energie erfolgreich gemanagt.

SPD-interne Verwerfungen

Am Donnerstag hatte Steinbach nun angekündigt, in einer künftigen Landesregierung nicht mehr als Minister zur Verfügung zu stehen. Als Grund nannte er das BSW, mit dem Brandenburgs SPD seit drei Wochen Koalitionsverhandlungen führt. Mit dieser Partei sei er „nicht kompatibel“, sagte Steinbach dem RBB und nannte als Grund unter anderem „die völlig andere Interpretation der russischen Haltung und des russischen Angriffskrieges bis hin zu der Forderung, die gesamte Embargo-Politik wieder umzudrehen und wieder russisches Gas und russisches Öl zu beschaffen“.

So wie der SPD-Mann Lauterbach die Grüne Nonnemacher lobte, hatten die Brandenburger Grünen zuvor die aufrechte Haltung Steinbachs gewürdigt. „Er war einer der wenigen Sozialdemokraten in Brandenburg, der eine klare Haltung zur russischen Aggression gegenüber der Ukraine hat“, erklärte der grüne Bundestagsabgeordnete aus Brandenburg, Michael Kellner. „Meine Sorge vor einer Landesregierung, die Pro-Putin-Politik betreibt, steigt damit weiter.“

Außerdem habe Steinbach „die Chancen des grünen Wandels für gut bezahlte Arbeitsplätze und Wohlstand“ ergriffen, so Kellner, der auch Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) ist. Die Wagenknecht-Partei dagegen trat Steinbach zum Abschied lieber nach.

BSW-Landesgeschäftsführer Stefan Roth betonte, wer auf der Position des Wirtschaftsministers nachfolge, müsse ein besonderes Augenmerk auf die Sicherung von Arbeitsplätzen und den Erhalt der Produktionsstätten von Industriebetrieben im Land legen. „Viele dieser Unternehmen sind abhängig von Energiepreisen und leiden unter den Wirtschaftssanktionen.“

Vorwärts in die Vergangenheit

Vorbei sind die Wochen, in denen immer wieder die Rede davon war, die Koalitionsverhandlungen und zuvor die Sondierungen in Brandenburg verliefen geräuschlos. Nun sind die ersten Risse unübersehbar, auch in den Reihen der SPD. Befeuert könnten die noch werden durch die Forderungen der Kohlepartei BSW, künftig aus der CO₂-Bepreisung und den Handel mit Kohlenstoffzertifikaten auszusteigen.

Was die Brandenburger Grünen, die nicht mehr im Landtag vertreten sind, eine „energiepolitischen Geisterfahrt“ nennen, wird man in der Konzernzentrale des Tagebaubetreibers LEAG gern hören. Ohnehin sitzen die Kohlekumpel mit am Verhandlungstisch bei den Koalitionsgesprächen. Statt Jörg Steinbach darf in der Arbeitsgruppe Wirtschaft, Arbeit und Energie die Landesbezirksleiterin der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Stephanie Albrecht-Suliak, für die SPD verhandeln.

Als er noch die Kenia-Koalition mit CDU und Grünen anführte, hörte sich Brandenburgs Ministerpräsident an manchen Tagen an wie ein Grüner. Immer wieder betonte Woidke die Chancen einer Green Economy in der Energieregion Lausitz. Kein Wunder: Der Bund hat seinem Land den Kohleausstieg mit mehr als 10 Milliarden Euro an Fördermitteln versüßt.

Nun, da sich eine Koalition mit dem BSW abzeichnet, muss sich Woidke fragen lassen, ob er schon wieder knietief in der Kohle steckt. Ob er im bisherigen Aufschwungsland Brandenburg aus Liebedienerei mit dem BSW verbrannte Erde hinterlassen will. Und auch, ob er sich noch auf seinen politischen Instinkt verlassen kann.

Politischer Instinkt abhandengekommen

Im Wahlkampf hatte Dietmar Woidke – wie zuvor CDU-Mann Michael Kretschmer in Sachsen – alles auf eine Karte gesetzt und angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs der AfD „weg“ zu sein. Am Ende landete seine SPD am 22. September mit 30,9 Prozent knapp vor der AfD mit 29,2 Prozent.

Doch der Preis für diesen Sieg war hoch. Vielleicht zu hoch. Mit seiner Erpressungskampagne kickte Woidke nicht nur Grüne und Linke aus dem Landtag, sondern pulverisierte auch die CDU, die nur auf 12,1 Prozent kam. Eine Fortsetzung von Kenia ist seitdem ebenso wenig möglich wie eine Koalition mit der CDU. Die einzige Option, die der SPD bleibt, ist das Bündnis mit Sahra Wagenknecht.

Das BSW scheint die Not der SPD und die eigene Machposition hinter den Kulissen genüsslich auszuspielen, auch wenn seit dem Beginn der Verhandlungen zunächst keine Inhalte an die Öffentlichkeit gedrungen waren. Allerdings hatte BSW-Landeschef Robert Crumbach immer wieder deutlich gemacht, wie wichtig ihm Bildung, Migration, der Erhalt aller Krankenhäuser und ein Ende der Sanktionen gegen Russland seien. Dass SPD und BSW die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland in ihrem Sondierungspapier „kritisch sehen“, hat ihm sogar ein Sonderlob der Vorsitzenden in Berlin eingebracht.

War das erst der Anfang vom Durchmarsch des BSW? Nach der Entlassung Nonnemachers, dem Abschied Steinbachs und dem Schwenk zurück zur Kohle hat es den Anschein, als könnte sich das BSW tatsächlich in wesentlichen Politikfeldern in Brandenburg durchsetzen. An einem „Njet“ aus Saarbrücken scheint die erste Beteiligung des BSW an einer Landesregierung derzeit nicht zu scheitern.

Und die SPD? „Es ist beschämend zu sehen, dass der SPD-Ministerpräsident vor nichts zurückschreckt, um seine Macht zu sichern“, sagt die Grünen-Landesvorsitzende Alexandra Pichl. Diese Entscheidung zeige, „wie weit die SPD inzwischen bereit ist zu gehen, um sich für eine künftige Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht anzubiedern“.

Ob Jörg Steinbach noch andere Genossinnen und Genossen in Brandenburg folgen werden, könnte sich schon Anfang Dezember zeigen. Wenn, wie geplant, der fertige Koalitionsvertrag in der kommenden Woche vorgestellt werden wird, folgt am 6. Dezember ein Parteitag der Brandenburger SPD. Auf das Abstimmungsergebnis darf man gespannt sein.

Erst recht auf die Wahl des Ministerpräsidenten, die für den 11. Dezember geplant ist. Wieder einmal hat Woidke hoch gepokert. Vielleicht auch in dem Fall zu hoch. SPD und BSW haben im neuen Landtag nur eine Stimme mehr als die notwendige Mehrheit.

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Uwe Rada
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.
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3 Kommentare

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  • Nicht jeder Ostdeutsche ist ein Woidke. Dieser Dietmar verspekuliert sich enorm mit solchen Mätzchen, zumal der Entwurf aus seiner eigenen Partei kam, vom anpackendsten Gesundheitsminister seit Jahrzehnten. Das muss man dann im Vorfeld klären, nicht mit Ausbrüchen.

  • Woidke ist eine hohle Nuss.

    Und der größte Witz ist, dass man seinem "Wenn die AfD ..." auf dem Leim gegangen ist. Das hat Grüne und Linke raus gekickt, der AfD relativ noch mehr Sitze im Landtag beschert und der Putin-BSW an die Macht gebracht. Schlimmer hätte es nicht kommen können.

  • Woidke versucht die Politik der künftigen Koalition umzusetzen. Nicht die der Abgewählten. Irgendwie ist das logisch.