SPD und BSW in Brandenburg: Sind sich Rot und Lila noch grün?
Lange Zeit verliefen die Koalitionsverhandlungen in Brandenburg geräuschlos. Nun scheint es zu krachen, auch in der SPD. Es geht um die Kohle.
Ausgebootet wurde er schon vorher. Die wichtige Arbeitsgruppe Wirtschaft, Arbeit und Energie bei den Koalitionsverhandlungen mit dem BSW leitete für die SPD nicht Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach, sondern Fraktionschef Daniel Keller. Nun schmeißt Steinbach das Handtuch.
Er stehe in einer möglichen Koalition aus SPD und der Wagenknecht-Partei BSW als Minister nicht mehr zur Verfügung, ließ der frühere Präsident der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus über sein Ministerium mitteilen. Und nennt das BSW als Grund. Er sehe „insbesondere wegen der von der Parteispitze vertretenen Positionen keine Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit“, so der SPD-Politiker.
Lange Zeit verliefen die Koalitionsverhandlungen in Brandenburg geräuschlos. Nun scheint es erstmals zu knirschen, auch innerhalb der SPD. Im Mittelpunkt steht der Kohleausstieg in der Lausitz, der auch in der Arbeitsgruppe von Keller verhandelt wird. Statt Steinbach sitzt dort für die SPD auch die Landesbezirksleiterin der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Stephanie Albrecht-Suliak. Die Lausitzer Kohlekumpel sind also dabei am Verhandlungstisch. Und natürlich auch die Verhandler der Kohlepartei BSW.
Für den Klimaschutz bedeutet das nichts Gutes. In einem Entwurf der Arbeitsgruppe, über den zunächst der Tagesspiegel berichtet hatte, wird etwa die Abschaffung der CO2-Bepreisung und des Zertifikatehandels mit Kohlenstoffdioxid gefordert. Das würde bedeuten, dass die Emission von CO2 nicht mehr verteuert werden darf, um damit Klimaschutzprojekte zu finanzieren.
Grüne kritisieren „Geisterfahrt“
Grünen-Landeschefin Alexandra Pichl spricht bereits von einer „energiepolitischen Geisterfahrt, die die Zukunft Brandenburgs und den Klimaschutz auf dem Altar populistischer Machtspiele opfert“. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz BUND schlägt Alarm. „Die laufen mit offenen Augen in die Katastrophe“, sagt Landesgeschäftsführer Axel Kruschat der taz. „Statt sich darauf einzustellen, dass der Kohleausstieg eher kommt, will man das Ausstiegsdatum im Koalitionsvertrag festlegen. Das ist Wunschdenken.“
Zwar wurde die Forderung nach einem Ausstieg aus der CO2-Bepreisung im Papier der Arbeitsgruppe laut Tagesspiegel als „streitig“ markiert und von SPD und BSW dann auch dementiert. Auch gegenüber der taz erklärte SPD-Generalsekretär David Kolesnyk, dass es keinen Streit gebe. „Wir sind gut vorangekommen.“
Allerdings taucht der Rückzug Steinbachs das Thema Kohleausstieg in ein anderes Licht. Der Wirtschaftsminister hatte nicht nur maßgeblich den E-Autobauer Tesla nach Brandenburg geholt, sondern auch den Strukturwandel in der Lausitz vorangetrieben. Steinbach habe „die Chancen des grünen Wandels für gut bezahlte Arbeitsplätze und Wohlstand“ begriffen, lobte der brandenburgische Grünen-Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner.
Zwar kann Brandenburg als Bundesland nicht eigenständig aus der auf europäischer und bundespolitischer Ebene geregelten CO2-Bepreisung und dem Zertifikatehandel aussteigen. Allein aber das Signal, in einer Bundesratsinitiative diese Forderungen aufzustellen, wäre fatal.
Doch nicht nur die Lausitz sorgt für reichlich Gesprächsstoff, sondern auch das uckermärkische Schwedt mit der Raffinerie PCK. Vor dem Hintergrund des Embargos auf russisches Öl heißt es im vom Tagesspiegel zitierten Verhandlungspapier: „Die verhängten Wirtschaftssanktionen haben unserem Bundesland wirtschaftlich geschadet. Wir werden uns dafür einsetzen, schädliche Entscheidungen rückgängig zu machen.“
„Jetzt muss Dietmar Woidke zeigen, wie durchsetzungsstark er ist“, sagt der Grüne Michael Kellner. „Wenn es bei diesen Positionen bleibt, besonders im Zusammenhang mit Russland und dem Klimaschutz, würde Woidke zentrale Fragen Europas für seine Wiederwahl opfern.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker