piwik no script img

SPD in Baden-WürttembergDie Anti-Spinnerei-Partei

Die SPD tut sich schwer, Juniorpartner zu sein. Die Vorbehalte gegenüber den Grünen bleiben. Sich selbst will die Partei nun als Hort der Zuverlässigkeit darstellen.

Nils Schmid, SPD-Landeschef: "Und dann werden wir danach fragen: Wo sind denn die größeren Gläser?" Bild: dpa

KARLSRUHE taz | Wenn das der eigene Chef gehört hätte: "Winfried Kretschmann halte ich für einen guten Mann." "Dem Kretschmann traue ich viel zu." "Ich finde gut, dass er der neue Ministerpräsident ist." Diese Sätze kommen nicht von irgendwem, sondern von Sozialdemokraten. Sie stehen vor dem Eingang zur Europahalle in Karlsruhe und loben den designierten Ministerpräsidenten von den Grünen. Wenn sie nach der neuen Juniorrolle der SPD in der grün-roten Koalition gefragt werden, scheint demnach alles halb so schlimm zu sein. Doch die Stimmung in der Partei von Landeschef Nils Schmid ist gemischt. Das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten ist noch nicht weggesteckt - Vorbehalte gegenüber den Grünen bleiben.

Mit den Worten, die SPD-Chef Schmid seit der Wahl mantraartig in der Öffentlichkeit wiederholt, musste er auf der Regionalkonferenz am Montagabend auch seinen eigenen Leuten gut zureden. "Wie so oft nach einer Wahl fragt man sich: Ist das Glas jetzt halb voll oder halb leer?", sagte Schmid und gab zu, dass die Gefühle zwei Wochen nach der Wahl nicht ungetrübt seien. Doch man werde mit den Grünen auf Augenhöhe regieren, die SPD werde ihr Profil schärfen und auch der Koalitionsvertrag werde eine klare sozialdemokratische Handschrift tragen, verspricht Schmid.

Bislang ist es der SPD allerdings so gut wie nie gelungen, gestärkt aus einer Koalition hervorzugehen, in der sie der Juniorpartner war. Das soll dieses Mal anders werden. Schmid: "Und dann werden wir danach fragen: Wo sind denn die größeren Gläser?"

Seit der Wahlnacht Ende März versucht sich die SPD mit derlei Worten gelassen mit der Rolle als Juniorpartner abzugeben. Bloß keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass man der kleinere Partner ist und nicht auch von der Konstellation profitieren kann. Doch allein die Tatsache, wie viel die Genossen selbst darüber reden, zeugt davon, dass das Selbstverständnis ein anderes ist. Immerhin hatte die SPD bislang eine klare Vorstellung von einer Koalition mit den Grünen. "In einer rot-grünen Konstellation muss klar sein: Der Größere ist Koch, der Kleinere ist Kellner", sagte Kanzler Gerhard Schröder 1998. "Dies nicht zu akzeptieren, ist eine typische Form grüner Überheblichkeit."

Dreizehn Jahre später kochen nun die einstigen Kellner: 1,1 Prozentpunkte Differenz haben den Sozialdemokraten den entscheidenden Posten gekostet: das Ministerpräsidentenamt.

Seitdem wird spekuliert, ob Nils Schmid ein Superministerium anstrebt. Als neuer Finanzminister wird er sowieso gehandelt. Diesen Posten wolle er mit dem Wirtschaftsressort zusammenlegen, meldete die Nachrichtenagentur dpa nach der Wahl mit Bezug auf SPD-Kreise. Wenn Kretschmann schon Ministerpräsident wird, solle ihm mit Schmid wenigstens ein starker Minister gegenübergestellt werden.

SPD-Generalsekretär Peter Friedrich wies die Meldung zwar umgehend als Spekulation zurück. Der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim hält eine solche Konstellation allerdings für folgerichtig. "Schmid wird darauf pochen, dass er mit ähnlichen Kompetenzen ausgestattet ist wie Kretschmann", sagt Brettschneider. "Als Finanzminister könnte er auf alle Themenbereiche zugreifen. Das mit einem Bereich zu verknüpfen, in dem er gestalten kann, wäre nur logisch."

Ebenso erwartet Brettschneider, dass die SPD versuchen werde, sich als "Garant der Regierung" darzustellen. Beispielsweise, wenn es kontroverse Mitgliederkonferenzen der Grünen geben sollte. "Dann wird die SPD symbolisieren wollen: Wir sind der Hort der Zuverlässigkeit."

Ähnliches war bereits am Montagabend in Karlsruhe herauszuhören. In Bezug auf Themen wie Straßenbau oder Stärkung des Industriestandorts Baden-Württemberg sagte Schmid: "Mit uns wird es keine Spinnerei geben." Und auch die Basis denkt so. Ein junger Genosse lehnt sich bei der Frage nach der Juniorrolle entspannt zurück: "Die Erwartungen an die Grünen sind viel höher." Der Kretschmann möge zwar viel Erfahrung haben - in den Reihen dahinter sähe es aber anders aus: "Die müssen der Verantwortung jetzt erst mal gerecht werden."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • WB
    Wolfgang Bieber

    Noch sollte man die Sozialdemokratie nicht abschreiben. Sogar bekennende Konservative preisen sie:

    http://bit.ly/dKuKSo

  • G
    gundi

    Liebe SPD,

    bei allem Mut der Verzweiflung und bei allem Pfeifen im dunklen Wald: Primär ist es nicht die Frage nach der Größe des Glases, es geht darum wieviel darin ist!

     

    Liebe potentielle SPD-Wähler,

    den Umgang mit einem lahmenden Pferd lässt noch Auswahl zu - von einem toten Esel sollte man absteigen!

  • A
    André

    Die SPD ist eine Partei des Status Quo.

  • JK
    Juergen K

    Liebe SPD!

     

    Die Tage mit der Cohiba im Mund verklären.

     

    Rauchen ist aber nicht mehr Bestandteil

    des Existenzminimums.

  • K
    Kaplan

    Bei diesem Rollenverständnis der SPD ist ein Scheitern von Grün-Rot in BW vorprogrammiert - wegen Größenwahns der SPD

  • Q
    Quotenmann

    "Die müssen der Verantwortung jetzt erst mal gerecht werden."

     

    Da habe ich aber herzlich lachen müssen. Ich wette, die Grünen werden ihrer Verantwortung gerechter, als es die SPD die letzten Jahren und insbesondere in der großen Koalition hätte werden können.

     

    Und ja, natürlich sind "Die Erwartungen an die Grünen viel höher." Deshalb wurden sie ja auch gewählt und sind die stärkere Kraft, neben einer SPD, die es immer noch nicht verstanden hat.

    Das zu negieren, kommt der Missachtung des Wählerwillens gleich. Auch nichts neues bei der Partei, die sich immer noch als Volkspartei und Partei der Mitte begreift und dabei immer mit den Originalen in Konkurrenz tritt und zwangsläufig verlieren muss.

     

    Als Denkanstoß für die eigene Profilbildung empfehle ich mal zwei Zitate:

    "Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden."

    und

    "Das Herz sitzt links"

     

    So what?

    Quotenmann

  • H
    Hans

    Nils Schmid, SPD-Landeschef, hat sich am Wahlsonntag noch als Sieger der Wahl gefeiert. Begründung: Das miese Abschneiden der Linkspartei.

    Noch Fragen?

     

    Nils Schmid und seine Partei sind längst selbst am Rand der Gesellschaft angekommen. Die SPD hat längst nicht mehr die Möglichkeit, ihre Politik 1:1 umzusetzen, sondern muss ihre Programmatik mit anderen Parteien weichspühlen. Was sie sagen, werden sie nicht mehr umgesetzt bekommen. Mit wem sie koalirieren und vor allem wie, bleibt offen und damit ein großes Risiko für den Wähler.

     

    Und das ist die Folge aus

    a) Riester (Verarmung von Rentnern)

    b) Hartz (Verarmung von Arbeitslosen)

    c) Basta - haltet die Klappe (Diktatur der Schörder-Gang)

    d) Austritt der Linken /Alternativen /Anderen

    bei der SPD

    e) Anti-Liberale Innenpolitik (Otto Schilly ex-RAF-Anwalt)

    f) Keine wirkliche Wirtschaftskompetenz

    g) Schwaches Personalangebot (Steinmeier, Müntefering und hier Nils Schmid etc)

  • A
    Allendorf

    Die FDP hat genug Realitätssinn um den Wählerschwund zur Kenntnis zu nehmen. Wann werden wir den Satz "Wir haben verstanden" von der SPD hören? Einer Partei der Massenhaft die Mitglieder und Wähler davongelaufen sind. Die Kraft und zur inhaltlichen Wende in Richtung sozialdemokratischer Wurzeln ist nicht erkennbar. Die weltfremde Arroganz die sich, wie auch in diesem Artikel dargestellt, den beleidigenden und herabwürdigenden Äußerungen des Grünen Koalitionspartners, der Streuung von Zweifeln ergeht, qualifiziert sie eher als dauerhaften Mehrheitsbeschaffer für die CDU/CSU. Nicht nur das ihre Führer von "sicheren Hort" faseln und gleichzeitig an dessen Ast unermüdlich sägen, weigern die SPD sich auch den Satz von Willy Brand" "mehr Demokratie wagen" umzusetzen, wie das taktiererische Bps. S21 zeigt. Das macht die Partei letztendlich zunehmend überflüssig.

  • E
    enough

    Die Egal-Partei vom Schrottplatz der Geschichte.

     

    Das Lustige ist, dass bereits seit Schröders Abgang überall, auf den Nachdenkseiten oder auf Twitter, in x Blogs, in x Gesprächen, Diskussionen, Zeitungsartikeln dieser reformunfähigen Partei aufgrund ihrer opportunistisch-phantasielosen "Politik" der Niedergang genau so vorhergesagt wurde, wie er dann kam. Die Wähler, und die Mitglieder, wandern beständig massenweise ab - bei der SPD kümmert das aber niemanden. Die von Bertelsmann, Maschmeyer und Seeheimer Kreis entworfene Null-Politik wird regelmässig abgewatscht - bei der nächsten Wahl steht die SPD aber wieder damit unterm roten Sonnenschirm, und möchte gerne ihre Wählerstimmen dafür einsammeln.

     

    Man erinnere sich, wie bei der letzten mit Pauken und Trompeten verlorenen Bundestagswahl sich "Kanzlerkandidat" und Merkel-Replikat Steinmeier noch am Wahlabend flugs von herbeigekarrten Juso-Claqeuren zum breit grinsenden Fraktionsvorsitzenden ausrufen ließ/ernannte, und dann einfach weiter machte mit seiner Schröderpolitik. Das war symptomatisch.

     

    Die BW-SPD ist mir auch nur aufgefallen durch entschiedenes sowohl-als-auch, man-wird-sehen, und mit-der-SPD-wirds-gut. Die Wähler hat das ja nicht überzeugt. Scheinbar aber auch kein Anlass, in sich zu gehen - sitzt man doch in der Regierung. Dann hat man ja "gewonnen" - irgendwie.

     

    Verfügt man doch als "Volkspartei" scheinbar über einen Pool traditionsgebundener SPD-Ankreuzer, die auch einen Rasenmäher ins Parlament wählen würden, wenn dieser sich erfolgreich auf einen vorderen Listenplatz intrigiert hätte, und vor den Wahlen noch irgendwas mit "Genossinnenundgenossen" und "sozial" ins Mikrofon schreit.

     

    Die SPD der letzten 10-20 Jahre hat mich - akademische Mittelschicht, alte Brandt/Schmidt-Wähler-Familie, dabei sogar ein Ex-SPD-Parteimitglied - dazu gebracht, die CDU auch nicht mehr so schlimm zu finden - ist ja so ziemlich das selbe, aber wenigstens nicht so verlogen links blinkend vor Wahlen. Als jemand, der das Zeitgeschehen verfolgt, habe ich für diese Politik, die die sog. kleinen Leute verrät und sich bei den Reichen anbiedert, die alles privatisierte, Finanzmärkte "liberalisierte", und uns "Job-floater", "Ein-Euro-Jobs" und die "Ich-AG" (sic!) bescherte, nur Verachtung übrig. Fehler kann man machen. Ist man aber unfähig, diese wenigstens 10 Jahre später auch mal zu korrigieren, oder auch nur zu erkennen, stellt man sich selbst eben ins Aus.

     

    Meine Hoffnung ist daher, dass diese Partei langfristig den Weg der FDP geht. Einer Demokratie tut es gut, wenn sich die rasanten Veränderungen in der Lebenswelt, Wirtschaft und Gesellschaft auch im Parteienspektrum widerspiegeln. Eine solche verkrustete Traditionspartei aus dem vorletzten Jahrhundert voller braver Parteisoldaten um die 60 ist da nun wirklich verzichtbar. Selbst als Koalitionspartner. Denn um sich zu profilieren, wird sie nun wohl wieder "CDU light" spielen, und blockieren, privatisieren, intrigieren - wie gehabt.

     

    Schade, dass aus der Linkspartei auch nur so ein populistisch-gestriges Muffelkonstrukt für die Oppositionsbank wurde. Sonst könnte man nämlich langsam mal auf rotgrün oder grünrot hoffen - und das ganz ohne SPD.

  • N
    nogo

    Warum erinnert mich das Verhalten dieser Politiker schon wieder an einen Kindergarten?

     

    Können die nicht mal konstruktive Sachpolitik machen statt nach Superposten zu schielen und in jede Schachstelle des möglichen Koalitionspartners gnadenlos hinein zu treten statt sie zu flicken und so etwas Größeres, Erfolgreiches auf die Beine zu stellen?

  • WG
    Wilhelm G

    Was macht die SPD in Ba-Wü, wenn die Grünen nicht versagen, sondern sich als clevere, verlässliche Leute herausstellen? Wenn Kretschmann als guter und pragmatischer Landesvater gesehen wird?

     

    Das sind alles rationale und sogar recht wahrscheinliche Annahmen.

    Schmid dagegen schafft es noch bei einer rekordverdächtigen Niederlage ein halb volles Glas zu sehen...kein Wunder, das die niemand mehr wählt.

  • S
    Schwabe

    ..."Die müssen der Verantwortung jetzt erst mal gerecht werden."... sagt die SPD nach fast 60 Jahren Opposition. Ich lach mich tot. Sie sollten sich freuen, daß sie es endlich mal dazu gebracht haben, mitregieren zu können! Ich wünsche mir von Politikern eine weniger ehrenkäsige und dafür pragmatischere Einstellung zu ihrem Beruf. Sie sind doch schließlich nicht elitär.......... oder doch? :O