SPD denkt über Koalitionen nach: Eiern um die Ampel
Die SPD will sich eine Koalition mit FDP und Grünen für die Bundestagswahl 2013 offenhalten. Doch sprechen wollen die Sozialdemokraten darüber nicht.
BERLIN taz | Wenn Frank-Walter Steinmeier in diesen Tagen über Ampelkoalitionen sinniert, bewegt sich der SPD-Fraktionschef ganz bewusst in einer Grauzone. Er erinnert dann daran, dass er 2009 eine Ampel im Bund wollte – und erregt sich gleichzeitig über die Form der Abfuhr, die er vom damaligen FDP-Parteichef Guido Westerwelle erhalten habe. Um die Verwirrung perfekt zu machen, gesteht er der FDP aber Entwicklungspotenzial zu. Aber auch nicht zu viel: Bisher habe die „keine großen Schnittmengen mit der SPD hinterlassen“.
Was Steinmeier genau mit diesen Sätzen sagen möchte, ist offenbar selbst erfahrenen Agenturjournalisten nicht mehr klar. Am Sonntag meldete AFP: „Steinmeier sieht Chance für Ampelkoalition im Bund“. Nur vier Tage später, am Mittwoch, destillierte die dpa die Nachricht „Steinmeier gegen Ampelkoalition 2013“ aus den Windungen des SPD-Mannes.
Hinter dem scheinbaren Missverständnis – so streut es Steinmeiers Umfeld – steckt eine strategische Überlegung der SPD: Man will sich die Ampelkoalition als Möglichkeit für die Bundestagswahl 2013 offenhalten, falls es für Rot-Grün nicht reicht – allerdings ohne darüber zu sprechen, dass man sich die Möglichkeit offenhält. Denn man fürchtet eine zu klare Aussage und damit eine Koalitionsdiskussion. „Das wäre eine völlig unnötige Debatte“, sagt der hessische SPD-Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel.
Diese Taktik führt dazu, dass sich selbst Öffentlichkeitsprofis wie Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann bei dem Thema in leeren Phrasen verlieren: „Es gibt keine Beschlüsse oder Überlegungen dieser Art“, sagte Oppermann am Mittwoch vor Pressevertretern im Reichstagsgebäude, „die Frage ist, ob die FDP in der Lage ist, in einen Erneuerungsprozess einzutreten.“
Lieblingsgegner der SPD
Die Diskussion erscheint kurios, war doch die FDP in dieser Legislaturperiode der verlässliche Lieblingsgegner der SPD. Kaum eine Gelegenheit haben Fraktions- und Parteispitze ausgelassen, um über die Klientelpartei FDP und deren unsoziale Politik zu lästern.
Aber kann man eine Partei, mit der man vielleicht koalieren möchte, im Wahlkampf mit voller Kraft attackieren? Natürlich, heißt es in Fraktionskreisen, man könne den Wahlkampf ohne Nachsicht führen und sich trotzdem alles offenhalten.
Doch so einfach, wie es sich die SPD-Spitze gedacht hat, ist es nicht. In den Ländern gibt es Kritik an der Idee der Ampel. „Ich halte davon nichts“, sagt der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Ralf Stegner, „die FDP ist am weitesten von der SPD entfernt“. Die Liberalen seien eine „reine Egoistenpartei, die Regeneration in der Opposition braucht“. Stegners Fazit: „Wir müssen auf Rot-Grün setzen.“
Bereits am Samstag hatte der saarländische SPD-Spitzenkandidat Heiko Maas eine Ampel für den Bund abgelehnt „Bis 2013 ist eine Koalition mit der FDP keine Option“, sagte Maas im taz-Interview: „Wir werden bei der Bundestagswahl 2013 einen Richtungswahlkampf führen: Rot-Grün gegen Schwarz-Gelb.“
Doch auch bei den Grünen will man offen bleiben. „Es ergibt keinen Sinn, eine Partei durch solche Debatten stark zu reden, die um ihre parlamentarische Existenz bangen muss“, sagt Fraktionschef Jürgen Trittin über die Ampel, „das ist der Grund, warum wir Grünen darauf setzen, Schwarz-Gelb bei der nächsten Bundestagswahl restlos abzulösen.“ Ein klares Ja oder Nein sieht anders aus.
Deutlich wird man in dieser Frage nur in der FDP. Von dort ging die Ampeldiskussion aus, weil man den rot-grünen Bundespräsidentschaftskandidaten Joachim Gauck unterstützte. Aber ein Rezept für den Bund? „Die Diskussion“, sagt Parteivize Birgit Homburger, „ist an den Haaren herbeigezogen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“