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SPD auf Distanz in Geheimdienst-AffäreKanzleramt hat „kläglich versagt“

SPD-Generalsekretärin Fahimi kritisiert offen Kanzlerin Merkel. Grünen-Chef Hofreiter sekundiert: Dem Kanzleramt sei die Kontrolle über den BND entglitten.

SPD-Generalsekretärin Fahimi will den Untersuchungsauftrag des NSA-Ausschusses ausdehnen. Bild: dpa

BERLIN afp | In der Affäre um mutmaßliche Spähaktionen des US-Geheimdienstes NSA und seine Unterstützung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) geht die SPD zunehmend auf Distanz zum Kanzleramt. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte am Sonntagabend in der ARD umfassende Aufklärung. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte Spiegel Online am Montag, nachdem das Kanzleramt bei der Aufsicht des BND „kläglich versagt“ habe, müsse sich womöglich der NSA-Untersuchungsausschuss damit befassen.

Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, dass sich der BND von den USA unter anderem auch für Wirtschaftsspionage habe einspannen lassen, „dann wäre das eine völlig neue Qualität“, sagte Vize-Kanzler Gabriel im Bericht aus Berlin der ARD. Es sei „offensichtlich“ so, dass der BND ein Eigenleben führe. Dies sei „skandalös“ und müsse beendet werden, forderte der Bundeswirtschaftsminister.

Hintergrund der Affäre sind die vor ein paar Tagen öffentlich bekannt gewordenen mutmaßlichen Spähaktionen der NSA mit Hilfe des BND (taz-Kommentar). Nach Informationen des Spiegel lieferte die NSA über Jahre hinweg sogenannte Selektoren an den BND. Dabei handelte es sich unter anderem um Handynummern oder Internet-IP-Adressen, die dann vom BND zur Überwachung in verschiedenen Weltregionen eingespeist worden seien. Offenbar suchte die NSA gezielt nach Informationen etwa über den Rüstungskonzern EADS, über Eurocopter oder über französische Behörden.

Das Kanzleramt soll bereits 2008 vom BND über NSA-Spähaktionen informiert worden sein, wie die Bild am Sonntag berichtete. Ein Regierungssprecher erklärte dazu, dass das Kanzleramt die in dem Bericht aufgeführten Unterlagen vergangenes Jahr dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Verfügung gestellt habe.

Fahimi: „Kanzleramt hat kläglich versagt“

Die Bild berichtete am Montag, das Bundeskanzleramt habe spätestens seit 2008 gewusst, dass die NSA den Konzern EADS und die Tochterfirma Eurocopter ausspähen wollte. „Man hat damals gesagt: 'Wir brauchen die Informationen der Amerikaner, so läuft es nun mal, wir wollen die Zusammenarbeit nicht gefährden'“, zitierte die Bild einen Beteiligten. Es sei unwahrscheinlich und „höchst unüblich, wenn der Chef des Kanzleramts über so einen Vorgang nicht informiert worden wäre“, zitierte die Zeitung einen Untersuchungsausschuss-Insider.

„Die jüngsten Enthüllungen in der NSA-Affäre legen nahe, dass das Kanzleramt bei der Aufsicht des Bundesnachrichtendienstes kläglich versagt hat“, sagte die SPD-Generalsekretärin Fahimi Spiegel Online. „Wir sollten dringend prüfen, ob der Untersuchungsauftrag des NSA-Ausschusses ausgedehnt werden muss“, sagte Fahimi.

„Hier deutet sich eine Weiterung der Affäre an, die möglicherweise zu einem handfesten Problem des Kanzleramtes wird“, sagte auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka, laut Spiegel Online.

Hofreiter: „Verantwortung wird verschleiert“

Der Fraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter, sagte der Passauer Neuen Presse (Montagsausgabe), die „Verantwortung des Kanzleramts und von Frau Merkel“ in der Spionage-Affäre solle verschleiert werden. „Frau Merkel tut wieder einmal so, als ob sie selbst mit dem Handeln des Kanzleramts nichts zu tun hätte“, kritisierte Hofreiter. Er forderte, der damals zuständige Kanzleramtsminister und heutige Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Ronald Pofalla als dessen Nachfolger sowie der amtierende Kanzleramtsminister Peter Altmaier (alle CDU) sollten vor dem NSA-Untersuchungsausschuss ins Kreuzverhör genommen werden.

„Frau Merkel und ihren jeweiligen Kanzleramtsministern ist offensichtlich die Kontrolle über den BND entglitten“, sagte Hofreiter der PNP. „Schlimmer noch: Sie haben es ganz bewusst ignoriert oder sogar verschleiert.“ Die Kanzlerin müsse sich „an ihrer Aussage messen lassen, dass Ausspähen unter Freunden gar nicht geht.“

Der frühere Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Peter Schaar, sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung (Montagsausgabe), schon jetzt sei deutlich, dass die datenschutzrechtlichen und parlamentarischen Mechanismen zur Kontrolle der Geheimdienste „endlich verbessert werden“ müssten.

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4 Kommentare

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  • Die fette Beute des BND war diesmal (und ist es wohl nach wie vor) nicht mehr und nicht weniger als die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland - also nichts, was für das Bundeskanzleramt als Aufsichtsbehörde des BND irgendwie von Interesse wäre. Darüber ist man ja längst hinweg und viele haben es seinerzeit auch überhaupt nicht richtig verstanden, als Angela Merkel davon sprach, dass jetzt "durchregiert" werde.

  • Wann geht die SPD auf Distanz zu Frank Walter Steinmeier?

    Er war im fraglichen Zeitraum Vizekanzler, musste also Erkenntnisse des Kanzleramtes gewusst haben. Außerdem war er schon früher mit Geheimdienstarbeit vertraut. So war er unter Schröder Staatssekretär im Bundeskanzleramt und Beauftragter für die Nachrichtendienste. Wenn einer über die Machenschaften von NSA, BND und anderen mafiösen Organisationen informiert war, dann war es Steinmeier. Die Presse lässt den "Atlantiker" Steinmeier aber unbehelligt von kritischen Fragen. Warum?

    • @Thomas Ebert:

      Genau richtig. Und deshalb gibt es jetzt von Seiten der SPD ein bißchen Theaterdonner, und von Seiten der CDU das gewohnte breithintrige Aussitzen. Und die Grünen hacken es auch nicht. D.h.: die gewohnte Farce.

  • Die Neuigkeiten, die keine sind, was die Zusammenarbeit der Geheimdienste in der EU, also auch die des BND mit den Geheimdiensten der Natostaaten anbetrifft, ist ja auf deutscher Seite an einen gesetzlichen Rahmen gebunden. Was dann tatsächlich operativ geschieht, sollte aber den jeweils Verantwortlichen in der Regierung mindestend zu mehr als 90% zur Kenntnis gelangen. Ob diese nun so ist oder war, muss neben dem tatsächlichen Sachverhalt sicher noch geklärt werden. Bisher sind die Medienveröffentlichungen nur Spekulationen.Wenn die Informationen stimmen, das ca. 50 % der NPD Führungsfunktionen mit V-Leuten aus dem Verfassungsschutz durchsetzt sind, fragt sich, was wäre denn, wenn diese Art "Parteifinanzierung" der NPD durch Zahlungen an V-Führungspersonen der Partei durch den Verfassungsschutz nicht erfolgt wäre. Was wäre dann von der NPD überhaupt noch übrig. In die NSU Mordserie sind vermutlich Mitarbeitende des Verf.S. in Deutschland un- oder gar mittelbar involviert ? So auch in der BND Affäre nun. Wenn sich die BND Verantwortlichenan den gesetzlichen Rahmen halten und die Zusammenarbeit an die gesetzlichen Vorschriften orientieren, könnte es vermutlich nur bedingt und dann auch überzeugend begründbar, zu dem Vorwurf kommen, das deutsche Unternehmen ( als juristische Personen ) mit geheimdienstlichen Mitteln in ihren Rechten beschränkt oder gar stark beeinträchtigt worden sind. Wenn diese Unternehmen gegen Exportbeschränkungen oder das Kriegswaffenkontrollgesetz verstossen haben sollten, ist das eine Angelegenheit für die deutsche Justiz. Die Bundesrepublik Deutschland verliert die Glaubwürdigkeit bei Bürgerinnen und Bürgern, das Deutschland seinen Staus als souveräner Staat noch nicht wiedererlangt hat.Insofern berühren sich hier die Bereiche NSU und die neue BND Affäre, da staatliches Handeln aller judikativen, exekutiven und legislativen Gewalt an Recht und Gesetz gebunden ist.