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SPD-VorstandNeuer Nebenjob für die Arbeitsministerin

Die SPD stellt ihr Spitzenpersonal vor. Mit Bärbel Bas übernimmt eine weitere Ministerin den Co-Parteivorsitz, Generalsekretär soll ein Linker werden.

Foto: Christophe Gateau/dpa

Berlin taz | Die Trennung von Amt und Mandat wird bei der SPD in dieser Legislaturperiode konsequent abgeschafft. Zwei der wichtigsten Mi­nis­te­r:in­nen der schwarz-roten Regierung sollen die Partei auf Vorschlag der Parteigremien auch als Doppelspitze führen: Lars Klingbeil und Bärbel Bas. Als neuen Generalsekretär haben Präsidium und Parteivorstand am Montag den knapp 34-jährigen Tim Klüssendorf vorgeschlagen, der das Amt ab sofort kommissarisch übernimmt. Gewählt wird erst auf dem Bundesparteitag im Juni. Alle drei präsentierten sich am Montag aber schon mal in einer kurzen Vorstellungsrunde in der Berliner Parteizentrale.

Saskia Esken, die seit 2019 die Partei geführt hatte, verabschiedete sich bei dieser Gelegenheit mit den Worten: „Es war mir eine große Freude, eine große Ehre.“ Sie sei sehr dankbar, dass Bas bereit sei, diese Aufgabe zu übernehmen. Sollte der Parteitag dem Vorschlag zustimmen, „dann weiß ich die SPD und meine Aufgabe in allerbesten Händen“. Esken hatte bis zuletzt um ein Regierungsamt gekämpft, vergeblich. Am Sonntagabend gab sie in der ARD bekannt, auch nicht mehr als Parteivorsitzende zu kandidieren. Der taz sagte sie: „Ich bin sehr im Reinen mit mir.“

Es sei immer selbstverständlich gewesen, die Doppelspitze beizubehalten, trat der neue SPD-Supermann Klingbeil anders lautenden Gerüchten entgegen und warb für Bas als „starke Ministerin, starke Nordrhein-Westfälin, starke Frau“.

Wenn’s leicht wäre, könnten es auch andere machen

Bärbel Bas, designierte SPD-Co-Chefin

Tatsächlich war es nicht einfach gewesen, eine Frau für die SPD-Spitze zu finden, die Klingbeils Machtfülle und Ehrgeiz auf Augenhöhe austarieren kann. Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen wie Manuela Schwesig und Anke Rehlinger hatten früh abgewinkt.

Bas, die in der letzten Legislatur Bundestagspräsidentin war, legte am Montag offen, sie habe sich nach vielen Gesprächen entschieden, der Partei das Angebot zu machen, als Co-Vorsitzende zu kandidieren. „Es ist mir nicht ganz leicht gefallen.“ Die Aufgabe sei „historisch“, man stehe derzeit bei 16,4 Prozent. Die Partei neu aufzustellen, werde nicht leicht. „Aber wenn’s leicht wäre, könnten es auch andere machen.“ Eine Bedingung für ihre Kandidatur war dem Vernehmen nach, dass es keine Gegenkandidatinnen gebe, auf eine Kampfkandidatur habe sich Bas keinesfalls einlassen wollen.

Langzeiarbeitlose in die Mangel nehmen

Die 57-Jährige passt einerseits perfekt für den Posten, hat sie doch einen klassisch sozialdemokratischen Lebenslauf. Nach dem Hauptschulabschluss mit Fachoberschulreife, machte Bas Mitte der 80er zunächst eine Ausbildung zur Bürogehilfin, arbeitete sich bis zur Abteilungsleiterin bei einer Betriebskrankenkasse hoch. Ihre Arbeit als Betriebsrätin brachte sie in die Politik.

Seit 2009 ist sie Abgeordnete des Bundestags, ihren Wahlkreis Duisburg I gewann sie auch am 23. Februar trotz leichter Verluste wieder direkt. „Ich weiß, was es heißt, wenn man über soziale Gerechtigkeit redet“, so die designierte Parteivorsitzende. Sie stehe für soziale Sicherheit, Bildungsgerechtigkeit und für den Kampf um die Demokratie.

Themen, bei denen die SPD in den kommenden vier Jahren punkten will, die Frage wird eher, ob sie das darf. Denn parallel muss sich Bas gerade auch in ihr neues Amt als Arbeits- und Sozialministerin einarbeiten. Das Haus übernahm sie in der vergangenen Woche von Hubertus Heil, der wie etliche andere Ampelminister der Klingbeil’schen Neuaufstellungsorgie zum Opfer fiel. Während Bas sich vorstellte, verließ Heil mit Blumenstrauß das Willy-Brandt-Haus.

Die neue Ministerin muss nicht nur das Bürgergeld rückabwickeln, das künftig neue Grundsicherung heißen und Langzeitarbeitslose stärker in die Mangel nehmen soll. Sie wird auch einen Drahtseilakt zwischen Loyalität und Profilierung hinlegen müssen. Eine Kostprobe gab es bereits: Bas’ Vorschlag, dass auch Beamte in die Rentenkasse einzahlen sollten, wies das Kanzleramt umgehend zurück. Am Montag beschwichtigte sie: „Ich wollte den Koalitionspartner auch nicht provozieren“, sondern habe lediglich das Thema in der zu bildenden Rentenkommission nicht aussparen wollen.

Für SPD-pur-Positionen ist ab sofort Tim Klüssendorf zuständig. Der Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD ist erst seit 2021 Bundestagsabgeordneter. Er arbeitete für die Fraktion ein Konzept zur gerechteren Besteuerung von großen Vermögen aus und warb früh, unter anderem in der taz, dafür, sehr Reiche stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen. Auf dem Bundesparteitag im Dezember 2023 überraschte er mit dem Antrag für eine Vermögensabgabe im Leitantrag. Die Delegierten stimmten dafür, obwohl die Führung um Klingbeil und den damaligen Generalsekretär Kevin Kühnert alle Register gezogen hatte, um dies zu verhindern.

„Demut und Selbstbewusststein“

„Das hat mir damals schon imponiert, dass jemand in seiner ersten Legislatur sagt, ich habe hier mitzureden“, blickte Klingbeil am Montag zurück. Und wandte bei Klüssendorf jenen Kniff an, mit dem er auch schon Kühnert diszipliniert hatte: Statt ihn kleinzumachen, beförderte er den Rebellen in die Hausleitung.

Ganz unerfahren ist Klüssendorf nicht: Als Mitarbeiter des Lübecker Oberbürgermeisters modernisierte er die Rathausverwaltung mit 4.000 Mitarbeitenden. Ab sofort ist Klüssendorf Chef der SPD-Parteizentrale mit 200 Mitarbeitern, die einer bei der Bundestagswahl schwer gedemütigten Partei mit rund 360.000 Mitgliedern neuen Schwung verleihen soll. Der Lübecker bekannte, er habe „einen riesigen Respekt vor dieser Aufgabe“, an die er mit Demut und Selbstbewusstsein gehe.

Klüssendorf folgt auf Matthias Miersch, der nun Fraktionsvorsitzender ist. Kurzfristig obliegt es ihm, den Bundesparteitag im Juni samt Wahlen vorzubereiten, an sich schon keine leichte Aufgabe. „Ich glaube, wir haben einiges aufzuarbeiten.“ Die große Herausforderung werde aber sein, „es zu schaffen, die Regierungspolitik selbstbewusst zu vertreten und gleichzeitig ein progressives Profil zu schärfen, ohne dass man das immer auf Kosten des Koalitionspartners macht“, so Klüssendorf. Hoffentlich hält er diesen Spagat länger durch als Kühnert.

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1 Kommentar

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  • Schon erstaunlich, wie viele von diesen angeblichen "18-Stunden-Jobs" man so parallel stemmen kann. Denn das behaupten PolitikerInnen ja immer wieder: dass sie 16-18h täglich arbeiten. Das ergibt für Klingbeil inzwischen fast eine ganze Arbeitswoche an einem Tag. Und Frau Bas schließt gut auf. Den Rest der sPD braucht man auf die Art eigentlich gar nicht mehr. Schön, dass Klingbeil jetzt auch einen unbetiligten gefunden hat, der den von Klingbeil versemmelten Wahlkampf "aufarbeiten" soll.