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SPD-Vorstand will Partei neu ausrichtenDie gelenkte Erneuerung

Die Parteispitze hat den Plan für eine Neuausrichtung der SPD vorgestellt. Die Mitglieder sollen sich einbringen, steuern will aber der Vorstand.

Passend zur SPD-Digitaloffensive präsentiert Generalsekretär Klingbeil seine Pläne im Livestream Foto: dpa

Berlin taz | Alles neu macht bei der SPD in diesem Jahr nicht der Mai, sondern der April. Der 22. April, um genau zu sein. Dann will die Partei auf dem außerordentlichen Bundesparteitag die Erneuerung der Sozialdemokratie in Gang bringen. Dazu hat der Bundesvorstand nun einen Leitantrag und ein Arbeitspapier für den Fahrplan zur Neuausrichtung bis Ende 2019 vorgelegt.

Darin versprechen die Parteioberen, die Basis künftig stärker in die Programmarbeit einzubeziehen. „Ihr seid alle Teil der Erneuerung“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Montagabend in Berlin. Dazu soll es zum Beispiel digitale Mitgliederbefragungen und Ideenworkshops auf lokaler Ebene geben. Parallel dazu werde es eine Impulsreihe geben, für die immer wieder Kreative, Intellektuelle und sogenannte Querdenker eingeladen werden sollen, um Denkanstöße zu geben. Die neuen Ideen münden dann Ende 2018 in einem Debattencamp.

An mehreren Stellen betont der Parteivorstand, wie stark die Mitglieder in den Erneuerungsprozess eingebunden werden sollen. Die Strukturierung des Dialogs liegt aber dennoch bei der Parteispitze. Im Arbeitspapier heißt es: „Der Parteivorstand verantwortet den Erneuerungsprozess. Daher übernimmt mindestens ein Parteivorstandsmitglied […] Verantwortung für jeweils ein Thema. Sie verdichten ihr Leitthema bis Mitte Juni zu einem Impulspapier, das die Diskussion mit Fragen eröffnet.“

Nach dem Debattencamp ist es ebenfalls der Vorstand, der aus den eingebrachten Ideen ein Thesenpapier formuliert, das dann erneut in der Partei diskutiert und in einen Leitantrag für den Bundesparteitag Ende 2019 münden soll. Ziel sei es, dann „vier, fünf klare Botschaften“ zu haben, mit denen die SPD in den nächsten Wahlkampf gehen könne, sagte Klingbeil.

Kindergrundsicherung und solidarisches Grundeinkommen

Auch die Themenbereiche gibt der Vorstand vor. Es soll um Wachstum, Wohlstand und Wertschöpfung im 21. Jahrhundert, die Zukunft der Arbeit und einen „bürgerfreundlichen Staat, der Schutz und soziale Teilhabe ermöglicht“, gehen. Auch „Deutschlands Rolle in einer sich rasant verändernden Welt“ wird diskutiert.

In einem Leitantrag für den kommenden Parteitag hat der Vorstand bereits einige Ideen formuliert. Mit einem neuen Steuerkonzept sollen Vermögende stärker belastet werden. Man wolle außerdem überprüfen, ob die Ansätze der Agenda-2010-Reformen „heutigen Gerechtigkeitsvorstellungen entsprechen“, wie die Süddeutsche Zeitung zitiert. Demnach will der Vorstand auf dem Parteitag auch das Konzept einer eigenständigen Kindergrundsicherung und das solidarische Grundeinkommen diskutieren.

Zudem soll ein neuer Ostbeauftragter, Sachsens SPD-Chef Martin Dulig, die Parteistruktur in den ostdeutschen Ländern stärken. Bei der Bundestagswahl 2017 erhielt die SPD dort nur noch 14,3 Prozent. Für die Sozialdemokraten wird es dort immer schwerer, Mandatsträger zu finden.

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6 Kommentare

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  • "Die SPD" hat sich längst "erneuert". Mehrfach sogar. Und zwar von Grund auf. So, wie ein Körper alle sieben Jahre aus neuen Zellen besteht, besteht auch die SPD anno 2018 aus anderen Menschen, als vor 10, 30 oder 50 Jahren. Ihre Führung hat daran nach Kräften mitgewirkt.

     

    24 Jahre nach Kriegsende, war "die SPD" (und mit ihr die Gesellschaft) so weit runderneuert, dass Willy Brandt Kanzler werden konnte. Das hat dem rechten SPD-"Flügel" nicht behagt. Er ist aktiv geworden und hat die Partei dergestalt neu ausgerichtet, dass schon fünf Jahre später Brandt durch Helmut Schmidt ersetzt werden konnte. Der hat die Partei (und die Gesellschaft) anschließend intensiv umgebaut. Danach war sie so neu, dass 1982 ein Mann namens Helmut Kohl Kanzler geworden ist. Erst als die Wähler Kohls Bräsigkeit satt hatten, hat die SPD wieder eine Chance bekommen. Ihr neuer starker Mann, ein gewisser Gerhard Schröder, hat die Partei ebenfalls grundlegend erneuert. Er hat so sehr polarisiert, dass er die Partei in zwei Teile gespalten und ihre Stimmenzahl deutlich geschrumpft hat. Die verbliebenen Getreuen hat er dann straff Richtung Sonnenaufgang geführt.

     

    Nun also wieder eine Erneuerung. Nachdem sie SPD dreimal rechts abgebogen ist, ohne auch nur annähernd wieder bei sich selber anzukommen, könnte Genosse Klingbeil zur Abwechslung mal links blinken, finde ich. Er wird es wohl auch tun. Allerdings nur, um dann doch wieder rechts abzubiegen.

     

    Sein "Debattencamp" wird nicht viel mehr werden, als ein Feigenblatt. Die SPD-Spitze fühlt sich der SPD-Basis heillos überlegen. Sie glaubt, einem Pfadfinderfähnlein vorzustehen, das unbedingt ihrer Führung bedarf, weil es sich sonst verläuft im Wald und einem bösen Wolf (neu: AfD) in die Fänge fällt.

     

    Nun ja. Wäre ich die SPD-Führung, würde ich an die Mündigkeit meiner verbliebenen Basis auch nicht glauben können. Ich wüsste schließlich, dass ich 50 Jahre lang dafür gesorgt habe, dass sie nicht erwachsen werden kann.

  • Auch wenn die Spitze der SPD sich bisher noch wehrt: Wir können dafür sorgen, dass frischer sozialliberaler Wind in die SPD einzieht. Zum Beispiel hier: http://www.plattform.pro

     

    Noch gut 700 Unterschriften, dann kann die Progressive Soziale Plattform ihre Arbeit endlich aufnehmen, und wir können mitbestimmen, in welche Richtung es gehen soll mit der Demokratie in Deutschland...

  • Wie kann die Partei, Vorstands Elite nur glauben, dass die Basis ihr bei der von Oben gelenkten Parteierneuerung mit machen wird, wenn sie schon bei der Umfrage zur GroKo nicht geschlossen hinter der Spitze stand?

     

    Es werden bereits jetzt, vor dem 22. April, die gleichen Fehler wie schon vorher gemacht, in dem man die Ausgabe eines Papiers verzögert, nach dem es eine Abstimmung der Basis zur Wahl des Parteivorstandes durch die Basis anstatt durch die Eliten geben sollte. Damit soll verhindert werden, dass ausreichend Zeit bleibt die 10% der Stimmen für diesen Antrag zu bekommen!

     

    Die Machtgeilheit der Oberen der SPD ist grenzenlos und die Angst ihre Posten zu verlieren ebenso.

    Wenn das alles schon wieder zur Gewohnheit innerhalb der SPD wird, kann es mit dem Wunsch der Erneuerung nicht weit her sein.

     

    Auch die Vorgabe der Themen durch den Vorstand, anstatt sie durch die Basis ausloten zu lassen, zeugt von dem Unwillen die Basis gerecht mit einzubeziehen, sondern sie wird wieder als Stimmvieh missbraucht.

     

    Auch die im Artikel genannten Themen sollten eigentlich nach dem Koalitionsvertrag bereits jetzt umgehend abgearbeitet werden, nicht erst nach dem "Debattencamp", welches im Herbst stattfinden soll, alles sieht er nach Zeit schinden aus, mit dem der Basis Sand in die Augen gestreut werden soll, weil man befürchtet, die GroKo Punkte nicht durchsetzen zu können.

    Die Grundsicherungsdebatte ist nichts anderes als Augenwischerei, denn nach allem, was so von der SPD Spitze kommt, soll doch nur weiter an Hartz IV herum "Gebastelt" werden!

     

    Mit diesen im Artikel genannten Themen, Kindergrundsicherung und soziale Grundsicherung, wird die SPD keine Erneuerung schaffen.

     

    Die prekär Beschäftigten, den Zeitarbeitsmarkt, die Sachgrundlose Befristung und vieles mehr, welches die SPD zu verantworten hat, muss auch die SPD wieder mit Sicht auf den Arbeiter abschaffen!

    Gerechten Lohn für die Arbeit und schon ist ein Großteil der Hartzer Vergangenheit!!!

  • "Man wolle außerdem überprüfen, ob die Ansätze der Agenda-2010-Reformen „heutigen Gerechtigkeitsvorstellungen entsprechen“"

     

    Wusste nicht, dass Ansätze der Agenda-2010-Reformen überhaupt irgendwelchen Gerechtigkeitsvorstellungen entsprachen.

     

    BTW, die ganze Sache mit SPDerneuern ist ein fauler Taschenspielertrick, etwa so wie der Macron'sche Bürgerdialog zu Europa. Während das Publikum mit viel inhaltsleerem Gequatsche und Aktivitäten sich ablenken lässt, wird es hintenrum verar...

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @agerwiese:

      So ist es im Zeitalter der Nebelkerzen.

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Ziel sei es, dann „vier, fünf klare Botschaften“ zu haben, mit denen die SPD in den nächsten Wahlkampf gehen könne.

     

    Nur wurden nicht nur Wähler und Partei-Genossen, sondern die komplette Sozialdemokratie über die vergangenen Jahre verraten. Glaube nicht, dass sich das schnell reparieren lässt...

     

    Harz4 - Verdopplung des Rüstungsetats - Wohnungsnot - Ängste in der Bevölkerung - Profitmaximierung auch in Kliniken und Schulen... ich könnte stundenlang weitermachen.