Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg: Groko beschnuppert sich
Seit vier Wochen steht die neue Große Koalition. Nun wollen Union und SPD sich „ein bisschen näherkommen“ – und die Streitereien hinter sich lassen.
Jedes Ressort habe klare Arbeitsvorgaben, sagte Kramp-Karrenbauer. Diese sollten jetzt auch umgesetzt werden. Nur am Rande ging sie ein auf die jüngsten Debatten über den Islam, Familiennachzug für Flüchtlinge oder innere Sicherheit, die sowohl innerhalb der Union als auch zwischen den Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD kontrovers geführt werden.
Bis zur Sommerpause soll es nach Kramp-Karrenbauers Worten Fortschritte geben vor allem bei den von Frankreich vorgeschlagenen EU-Reformen, den drohenden US-Strafzöllen, dem Dieselskandal und der inneren Sicherheit vom Familiennachzug bis zu schnelleren Abschiebungen. Zudem nannte sie als Kernprojekte die digitale Infrastruktur und in der Gesundheitspolitik den Pflegepakt und die elektronische Gesundheitskarte.
Es wird erwartet, dass bei der Klausur ein konkreter Zeitplan für die wichtigsten Regierungsprojekte festgezurrt wird. Die CDU-Generalsekretärin plädierte für einen Wettbewerb zwischen Unions- und SPD-geführten Ressorts, welches seine Vorhaben am schnellsten umsetzt.
Nahles fordert gemeinsame Kraftanstrengung
Auch die SPD-Fraktions- und designierte Parteichefin Andrea Nahles verlangte bei allen Unterschieden der Parteien eine gemeinsame Kraftanstrengung für das Land. Im ZDF sagte sie am Montag: „So langsam müsste mal ein Gesamtbild entstehen, wohin es denn in den nächsten Monaten gehen soll.“ In den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland hielt sie Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor, ihnen gehe es „viel zu sehr um Eigenprofilierung“.
Seehofer hatte unter anderem mit seinem Satz, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, eine hitzige Debatte entfacht. Spahn hatte vor allem mit einer Äußerung über Armut und der Forderung nach mehr „Recht und Ordnung“ für Wirbel gesorgt. Nahles hatte quasi ein Machtwort von Kanzlerin Merkel gegenüber Spahn und Seehofer gefordert.
Kramp-Karrenbauer hielt dem entgegen, Nahles' Äußerungen seien vor dem Hintergrund der in zwei Wochen anstehenden Wahl zur SPD-Vorsitzenden nachvollziehbar. Generell riet die CDU-Politikerin der SPD davon ab, gleichzeitig Regierungs- und Oppositionspartei sein zu wollen. Dies habe die Partei schon gegen Ende der vergangenen Legislaturperiode versucht, und das sei ihr nicht gut bekommen.
Seehofer wiederholte seine umstrittene Aussage zum Islam im CSU-Vorstand. Zugleich betonte er nach Teilnehmerangaben, er habe kein Verständnis für all jene, auch aus der Union, die „da irgendwas relativieren“. Vor kurzem hatte Seehofer erklärt, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, wohl aber die hier lebenden Muslime. Daraufhin war eine Debatte entbrannt, in der sich nicht nur der Koalitionspartner SPD, sondern auch Merkel von Seehofers Aussage distanziert hatten.
Zuletzt gab es zwischen CSU und SPD Streit über eine Übertragung nicht ausgeschöpfter Kontingente beim Familiennachzug für Flüchtlinge von Monat zu Monat. Im Koalitionsvertrag steht, dass der Nachzug auf monatlich 1.000 Menschen begrenzt werden soll. Die stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Julia Klöckner und Armin Laschet äußerten sich dazu zurückhaltend. Man sei noch im Status eines Referentenentwurfs, sagte Klöckner. „Wir sollten die Klausurtagung dazu nutzen, auch hinter verschlossenen Türen über Ideen zu reden.“ Seehofer sagte in München: „Die Sozialdemokraten stehen immer noch neben der Spur. Ich rate ihnen zu mehr Gelassenheit.“
Sich „ein bisschen näher“ kommen
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Laschet hofft, dass sich die Mitglieder der neuen Regierung bei der Klausur im Gästehaus der Bundesregierung in Meseberg „ein bisschen näher“ kommen. Sinn einer Klausur sei ja auch das bessere persönliche Kennenlernen. „Das Persönliche muss stimmen, in der Sache kann man streiten.“
In Meseberg wird es auch um den Bundeshaushalt gehen, dessen Entwurf bis Ende des Monats vorliegen soll. Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) will allzu großen Wünschen der anderen Ressortchefs einen Riegel vorschieben. Er will einen Haushalt ohne neue Schulden, die „Schwarze Null“ soll wie immer seit 2014 stehen. Darüber hinaus will es Scholz schaffen, was Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) nicht gelungen war: Der Anteil der Staatsschulden am Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll erstmals wieder unter die in den EU-Verträgen von Maastricht vorgeschriebene Marke von 60 Prozent sinken. 2017 verringerten sich die Schulden bereits stark.
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