Mitgliederbegehren zur SPD-Spitze: Drei Wochen für ein einziges Formular
Eine SPD-Basisinitiative will, dass alle Mitglieder über den Parteivorsitz abstimmen dürfen. Doch die Parteispitze soll das verzögert haben.

Über den Koalitionsvertrag durften die SPD-Mitglieder abstimmen – über den Bundesvorsitz dürfen sie das nicht Foto: dpa
BERLIN taz | Auch nach der Abstimmung über die Große Koalition grummelt es an der SPD-Basis weiter. Unter dem Titel „Erneuerung auf die krumme Tour – wie das Willy-Brandt-Haus die Basis ausbremst“, bezichtigen SPD-Genossen die Parteispitze im Netz, ein Mitgliederbegehren so lange verzögert zu haben, „bis es sein eigentliches Ziel nicht mehr erreichen kann“.
Worum es geht: Am 7. März – kurz nach Bekanntgabe des Ergebnisses des Mitgliedervotums in Sachen Große Koalition – initiieren Vertreter der No-Groko-Bewegung ein Mitgliederbegehren. Der Parteivorsitz soll per Urwahl im Rahmen einer Befragung von den Mitgliedern gewählt werden und nicht von den Delegierten des außerordentlichen Bundesparteitags am 22. April in Wiesbaden. Dort treten die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Andrea Nahles, und die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange an.
Für ein erfolgreiches Mitgliederbegehren auf Bundesebene sind innerhalb von drei Monaten die Unterschriften von 10 Prozent der Parteimitglieder (circa 46.000) notwendig. Wenn das Begehren Erfolg hätte, müsste der Parteivorstand dem Begehren stattgeben – oder aber es gäbe einen Mitgliederentscheid.
Die Initiatoren werfen der Bundespartei nun vor, das Begehren verzögert zu haben. Bei der Anzeige des Begehrens habe die Rechtsabteilung des Willy-Brandt-Hauses eine Datenschutzerklärung gefordert. „Auf Nachfrage, wann wir mit dem Eingang der Datenschutzerklärung rechnen können, sagte eine Mitarbeiterin ‚morgen oder übermorgen‘, so Sylvia Kunze.
Die stellvertretende Vorsitzende der SPD Frankfurt hat für die Initiatoren die Kommunikation mit der Berliner Parteizentrale geführt. Dem inneren Kreis der Begehrenssteller gehören nach eigenen Angaben 30 bis 40 SPDler an. „Wir setzen auf das Organisationsmodell Schneeflocke, welches auch beim Obama-Wahlkampf zum Einsatz kam“, schreiben sie.
„Befragung bis zum Parteitag nicht realisierbar“
Tatsächlich erhielten die Initiatoren das eine Seite umfassende Formular erst am 28. März. Auf eine Anfrage der taz zur langen Bearbeitungszeit antwortete die SPD-Pressestelle nur indirekt. „Im Rahmen der neuen Datenschutzgrundverordnung musste die erforderliche Datenschutzerklärung umfassend überarbeitet werden“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Sylvia Kunze sagt: „Hätte man uns zügig anfangen lassen, hätten wir sechs Wochen Zeit gehabt, Unterstützer zu finden. Nun sind es nur noch drei.“
Doch nicht nur die fehlende Datenschutzerklärung erzürnt die Begehrensinitiatoren. In einem Telefonat vom 26. März habe eine Mitarbeiterin der SPD-Rechtsabteilung Kunze gebeten, „sich noch einmal zu überlegen, ob wir das Begehren aufrechterhalten wollen.“ Das Ziel könne ja aus Zeitknappheit bis zum Parteitag ohnehin nicht erreicht werden. Die SPD wollte zu dem kolportierten Gesprächsablauf keine Auskunft geben, argumentierte gegenüber der taz aber ähnlich.
Die Initiatoren haben jetzt nur noch drei Wochen Zeit, Unterschriften zu sammeln
Die mit dem Begehren angestrebte, aber letztlich erst mit einem nachfolgenden Mitgliederentscheid durchsetzbare Befragung sei bis zum Zeitpunkt des Parteitags nicht realisierbar. „Eine Mitgliederbefragung über einen Vorstandsposten kann nur im Vorfeld der Vorstandswahl und damit nur mit ausreichendem Vorlauf vor der Einberufung eines Parteitags durchgeführt werden, dem nach dem Parteiengesetz allein die Wahl einer/eines Vorsitzenden vorbehalten ist“, heißt es in der Erklärung.
Die Initiatoren finden, dass durch die Verzögerung die „Erfolgsaussichten insgesamt gesenkt wurden“. Dennoch sammeln sie Unterschriften, obwohl das erforderliche Quorum nur schwer zu erreichen sein dürfte. Wie viele Unterzeichner das Begehren bisher gefunden hat, ist nicht bekannt.
Leser*innenkommentare
Rudolf Fissner
Na ja. Zumindestens werden grundsätzliche Richtungsfragen der SPD Fraktion von der Parteibasis abgestimmt und nicht wie in der Linkspartei von der Fraktionsvorsitzenden und ihrem Schattenmann aufoktroyiert.
Rainer B.
@Rudolf Fissner Als intimer Kenner dieser Frau Wagenbach müssen Sie das ja schließlich ganz genau wissen (;-))
Rainer B.
Die SPD hat nach eigenen Angaben „ihre Wurzeln in Judentum und Christentum, Humanismus und Aufklärung, marxistischer Gesellschaftsanalyse und den Erfahrungen der Arbeiterbewegung“.
Von Basisdemokratie steht da gar nix und die SPD-Parteispitze hat diesbezüglich doch auch überhaupt keinen Grund zur Veranlassung einer Intention. Die Pension der führenden Berg- und Gipfelhelden ist schließlich sicher.
Rudolf Fissner
@Rainer B. Eine Basisdemokratie, die in Westeuropa nicht im Judentum und Christentum, Humanismus und Aufklärung, marxistischer Gesellschaftsanalyse oder den Erfahrungen der Arbeiterbewegung wurzelt ist ihren Namen bisher nüscht wert gewesen und stellte in der Geschichte immer entweder rechtes oder linkes Volksgedöns dar.
Rainer B.
@Rudolf Fissner Donnerwetter! Und ich dachte immer Basisdemokratie ist Basisdemokratie ist Basisdemokratie. Aus welchen Schriften haben Sie denn nun derlei Schmonzes wieder erschnüffelt?
Franz Georg
Immerhin diskutiert man in der SPD noch darüber, ob die Mitglieder (die ja den Laden zum Großteil finanzieren) überhaupt zu Themen befragen will.
Bei den anderen, CDU/CSU/AfD, FDP oder Linke, wäre es unvorstellbar überhaupt daran zu denken die Mitglieder nach ihrer Meinung zu Fragen.
Jedesmal wenn die SPD so eine Mitgliederbefragung versucht, schreien die anderen Parteien ja nur "Was? Demokratische Strukturen in einer Partei, ist das überhaupt mit dem GG vereinbar?" - lächerlich!
76530 (Profil gelöscht)
Gast
Demokratieverständnis vom Allerfeinsten. Es war einmal eine Zeit, da wurden unterschiedliche Auffassungen noch i n h a l t l i c h, wenn es sein musste mit harten Bandagen, ausgetragen. Heute vor allem mit Verfahrenstricks und Mätzchen. Da befindet sich die SPD in guter (besser: schlechter) Gesellschaft.
Deutschland, das Land, das unter Migliedern der Camorra so beliebt ist. Warum? Weil man hier noch dazulernen kann, wie Funktionalität und Effizienz gehen.
98589 (Profil gelöscht)
Gast
@76530 (Profil gelöscht) Treffender Kommentar!
76530 (Profil gelöscht)
Gast
@98589 (Profil gelöscht) Resonanz tut gut. Positive besonders. Wir alle brauchen Resonanz. Danke!