SPD-Politiker fordert staatliche Restriktionen: "Neoliberalismus ist am Ende"
Die weltweite Finanzkrise und der Berliner Bankenskandal haben die selben Ursachen, sagt Frank Zimmermann (SPD). Deshalb fordert er staatliche Restriktionen - nicht nur für die Finanzwirtschaft.
taz: Herr Zimmermann, weltweit kriseln die Banken wegen geplatzter Immobiliengeschäfte. Die Berliner Bankgesellschaft stand deswegen schon 2001 vor dem Aus. Lässt sich das eine mit dem anderen vergleichen?
, war Leiter des Untersuchungsausschusses zum Berliner Bankenskandal.
Frank Zimmermann: Im Prinzip ja. Damals wie heute geht es um ruinöse Geschäfte. Auch die Bankgesellschaft hat auf eine Immobilienblase gesetzt. Und sie hat im großen Stil Derivatgeschäfte betrieben, in der Größenordnung von 1,3 Billionen Euro. Das war ein bisschen viel für die Bankgesellschaft. Auch wenn die Geschäfte im Einzelnen unterschiedlich sein mögen, die Haltung ist damals wie heute die gleiche.
Sie haben den Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses zum Bankenskandal geleitet. Als Gründe für die Krise haben Sie damals krasses Missmanagement, politisches Versagen, Größenwahn, kriminelle Energie und ein System der Verschleierung genannt. Täuscht der Eindruck, dass dies systemimmanent für das ganze Bankengewerbe ist?
Es sind nicht nur einzelne schwarze Schafe. Das Problem steckt in der Tat in maßlosen Renditeerwartungen und ungezügelten Märkten, die zu waghalsigen Spekulationen einladen. Das System der völlig liberalisierten Finanzmärkte führt in die Irre. Daraus folgt die Forderung nach einer Reregulierung der Finanzwirtschaft.
Aber kann staatliche Kontrolle tatsächlich helfen? Die Bankgesellschaft war landeseigen, dennoch kam es zu milliardenschweren Problemen.
Richtig. Aber sie hat sich auf den gleichen Märkten bewegt. Sie hat als öffentliche Bank mit der Staatshaftung im Rücken wuchtig Risikogeschäfte betrieben. Das ist eins der zentralen Probleme, auch bei anderen Landesbanken.
Also müsste nicht die Kontrolle der Banken, sondern die Kontrolle des Finanzmarktes gefordert werden?
Es geht um beides.
Ausweg in Berlin war die Privatisierung der Bank. In den USA werden Banken gerade verstaatlicht. Was ist denn nun besser?
Der Ausweg in Berlin war die Sanierung unter der Regie des Landes. Die EU-Kommission hatte uns die Risikoabschirmung von 21 Milliarden Euro nur unter der Bedingung genehmigt, dass wir anschließend wieder richtigen Wettbewerb herstellen. Ohne diese Verpflichtung hätten wir die Bank durchaus behalten können. Trotzdem waren die Abarbeitung der Risiken und der Verkauf für Berlin die beste aller Lösungen. Denn wir haben einen optimalen Erlös erzielt…
… 5,3 Milliarden Euro.
Die bekämen wir heute nicht mehr. Aus diesem Erlös werden wir vermutlich alle Risiken abdecken können und somit das Allerschlimmste verhindern. In der jetzigen Krise geht es darum, dass der Staat für die Zukunft seinen Einfluss sichert, wenn er die Banken mit Milliarden vor dem Kollaps rettet.
Auch die Finanzminister der Länder wollen Einfluss nehmen - auf das 500-Milliarden-Rettungspaket der Bundesregierung. Sie wollen möglichst nur für die Risiken ihrer eigenen Landesbanken geradestehen. Ist das richtig?
Selbstverständlich. Entweder jeder steht für seine Banken ein, oder man teilt es nach einem Schlüssel auf. Außerdem steht nirgendwo geschrieben, dass die Länder 35 Prozent aufbringen müssen.
Berlin hat seine eigene Bankenkrise schon geschultert, die anderen Länder und der Bund hatten eine Unterstützung verweigert. Hätte die Stadt etwas gut?
Ja. Wenn sich Berlin dennoch beteiligt, dann nur unter Bedingungen: Zügelung und wirksame Kontrolle des Bankensektors.
Als Folge des Berliner Bankenskandals musste Klaus Landowsky, Fraktionsvorsitzender der CDU und zugleich Chef der Banktochter BerlinHyp, zurücktreten. Die große Koalition platzte daraufhin im Jahr 2001. Warum hat die wesentlich größere aktuelle Finanzkrise den politischen Raum bisher noch nicht erschüttert?
Die Notwendigkeit der Rettungsaktion ist unbestritten, weil der Staat sonst noch schlimmere Folgen in Kauf nehmen müsste. Aber es ist auch eine Veränderung unseres politischen Systems. Die Menschen erwarten einen aktiveren Staat, wenn es um Krisenprävention geht. Die neoliberale Ideologie ist am Ende. Die SPD muss darauf eine Antwort finden, und die heißt: neue Regeln für den Markt.
Die Grundprobleme der Berliner Bankgesellschaft waren schon Mitte der 90er-Jahre absehbar, aufgeflogen sind sie erst 2001. Auch der US-Immobilienmarkt stand seit Jahren auf wackeligen Beinen. Erst jetzt kommt es zu politischem Handeln.
Ja. Leider zu spät. Deshalb muss der Staat für die künftige Krisenbewältigung Konsequenzen ziehen.
Welche könnten das sein?
Wenn zum Beispiel die Auto- und die Energiewirtschaft so weitermachen, dann werden zwangsläufig Krisen kommen. Zur Beschränkung der CO2-Emissionen, zur nachhaltigen Energiewirtschaft und zur Kontrolle der Finanzmärkte braucht es dringend staatliche Restriktionen. Sonst kommt es zu untragbaren ökologischen oder sozialen Folgen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!