piwik no script img

SPD-Parteitag und GleichstellungDie Standhafte

Ein Hauch von Cordsakko: Elke Ferner macht sich in der SPD gerade sehr unbeliebt. Schafft sie es, freiwillige Doppelspitzen durchzusetzen?

„Ich glaube, wir können gewinnen“: Elke Ferner wirbt auf dem SPD-Parteitag für die Doppelspitze. Foto: dpa

Berlin taz | Besonders lustig fand Elke Ferner die Unterstellung eines Parteifreundes, sie vertrete die Doppelspitze ja nur noch mit einem Augenzwinkern. „Ich und nicht kämpfen? Kommt nicht in die Tüte.“ Um das also gleich klarzustellen: Ferner wird den Jungs diese Nummer nicht einfach so durchgehen lassen.

Wer ein paar bittere Wahrheiten über die SPD erfahren will, muss im Aufzug in den vierten Stock des Familienministeriums fahren, zum Büro der Staatssekretärin. Elke Ferner, 57 Jahre, hennarote Kurzhaarfrisur und Hornbrille, ordert einen Espresso, stemmt die Hände in die Taschen und wirkt so, als mache ihr das Ganze auch noch Spaß.

Ihr sei klar gewesen, dass die Doppelspitze kein Selbstläufer werde, sagt sie. Schließlich kämpfe sie in der SPD seit über 30 Jahren für die Gleichstellung von Frauen. „Ich wurde von den SPD-Frauen nicht dafür gewählt, Everybody‘s Darling zu sein.“

Ferners Mission klingt einfach, ist es aber nicht. Sie will der SPD auf dem Parteitag, der von Donnerstag bis Samstag in einer Berliner Messehalle stattfindet, etwas Modernität einhauchen. Ferner wirbt dafür, einen Satz in die Bundessatzung einzufügen, der Doppelspitzen erlaubt. Wenn die 600 Delegierten den Antrag annehmen, dann wären zwei gleichberechtigte Vorsitzende möglich, ein Mann und eine Frau. Da die Bundessatzung andere Satzungen sticht, könnten sich auch Landesverbände und Ortsvereine darauf berufen. Sigmar und Gabriele, witzeln Sozis in diesen Tagen gerne.

Eine kleine Revolution

Es wäre eine Revolution in der SPD, die gut 150 Jahre auf dem Buckel hat, aber noch nie von einer Frau geführt wurde. Dass Sigmar Gabriel, der Chef, gerne seine Generalsekretärin zusammenstaucht, ist dabei fast das kleinste Übel. Wichtig ist das ganze, doch sehr männliche Erscheinungsbild. In jedem vierten SPD-Kreisverband ist eine Frau Chefin, bei den Ortsvereinen sind es noch weniger. Der Frauenanteil in der Mitgliedschaft liegt bei 31 Prozent.

Nicht immer, aber ziemlich oft läuft es in der SPD noch so wie früher. Die Männer machen am Bratwurst-Grill die Posten unter sich aus, die Frauen werden Stellvertreterinnen. Elke Ferner will das ändern. Sie glaubt, dass Doppelspitzen die SPD attraktiver machen. Sie glaubt an ein Signal.

Ferner wischt in ihrem Büro vergnügt auf ihrem Tablet herum. Die SPD-Frauen haben eine Facebook-Seite für die Doppelspitze geschaltet. Darauf ist ein altes Wahlplakat zu sehen, ein Arbeiter neben einer Arbeiterin, beide halten eine Fahne hoch – „Doppelspitze jetzt ermöglichen!“. Die Seite hat 1280 Likes, Stand Mittwoch Nachmittag. Sowieso findet die Idee Anklang in der Basis. Manche Jusogruppe besitzt längst eine Doppelspitze, erst neulich hat ein Ortsverein im hessischen Hohenstein-Born ein Team aus Mann und Frau gewählt.

Ferner baut bei ihrem Kampf auf zwei Verbündete. Erstens hat sie das SPD-Programm im Rücken. Die Sozialdemokraten kämpfen ja für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie wollen sich um die gestresste Generation zwischen 30 und 45 kümmern, die sich zwischen Kindern, Job und zu pflegenden Eltern aufreibt. Das betont Gabriel bei jeder Gelegenheit.

Ein Ehrenamt schlaucht

Ferner wendet die Argumente auf die SPD an. „Was wir fordern, sollten wir uns auch im eigenen Laden trauen.“ Anspruch und Wirklichkeit müssten zusammenpassen. Viele junge Leute und gerade Frauen schreckten davor zurück, sich die Verantwortung für einen Ortsverein alleine ans Bein zu binden. Ein Ehrenamt schlaucht, wenn man nebenher noch ein normales Leben hat. Warum keine Arbeitsteilung erlauben?

Ferners kann – zweitens – auf die SPD-Frauen setzen, zumindest in der Theorie. Sie ist die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), in der die 150.000 weiblichen Mitglieder organisiert sind. Doppelspitzen gäben der SPD ein weiblicheres Gesicht, davon ist Ferner überzeugt.

Die Idee klang so gut, dass Gabriel sie sofort unterstützte, als der Antrag der SPD-Frauen Ende Oktober öffentlich wurde. Aus Überzeugung, aber wohl auch, weil ein Nein sehr unmodern gewirkt hätte. Es schien gut zu laufen für Ferner. Bis, nun ja, bis sich die Antragskommission traf, die die Linien für den Parteitag festlegt. Ein paar Vorstandsmitglieder sitzen darin, vor allem aber Entsandte aus den Ländern und Bezirken.

In dieser Sitzung flogen Ferner alle Vorurteile um die Ohren, die seit den 80ern gegen Doppelspitzen kommen. Die Reibungsverluste. Der Absprachebedarf. Nur ein einziger Chef könne eine schlüssige Linie vorgeben, grummelten die Genossen. Die ehemalige Generalsekretärin Yasmin Fahimi oder der Hesse Thorsten Schäfer-Gümbel verwiesen in den vergangenen Tagen auf angeblich sich ständig widersprechende Doppel-Chefs bei den Grünen, sie zweifelten am Sinn einer verpflichtenden Doppelspitze.

Unfaire Argumente

Das Argument ist ziemlich unfair, denn Zwang wollen Ferner und die SPD-Frauen ausdrücklich nicht. Sie setzen auf Freiwilligkeit. Ein Ortsverein, der mit dem Mann an der Spitze glücklich ist, dürfte das bleiben. Ferner sagt: „Wir nehmen niemandem etwas weg.“

Man könnte es so sehen: Als die SPD verstanden hatte, dass die Doppelspitze tatsächlich kommen könnte, hat sie tief ein- und ausgeatmet. Der Hauch, der bei Ferner ankam, roch nach Leberwurst, Irish Moos und Cordsakko. Vor allem sagt keiner der Kritiker ehrlich, was auch hinter dem Unbehagen steckt. Wenn die freiwillige Doppelspitze käme, müssten viele Männer plötzlich begründen, warum sie ihre Macht nicht teilen wollen. Das wäre etwas ganz Neues in der SPD.

Ferner ist von den Jungs in ihrer Partei einiges gewohnt. Seit 1983 ist sie dabei. Geboren in Idar-Oberstein, gelernte EDV-Kauffrau, kommt sie aus dem Saarland. Sie hat mit Oskar Lafontaine zusammengearbeitet, noch so einem politischen Alphamännchen. Ferner kämpfte in der SPD für Quoten, sie half 2011 bei der Parteitagsrevolte mit, die das Reißverschlussprinzip einführte. Seitdem wechseln sich auf den Landeslisten für die Bundestagswahl weibliche und männliche Kandidaten ab.

Auch die Doppelspitze ist keine neue Diskussion. Ferner und ihre Kolleginnen forderten sie schon 2013 auf einem Parteitag. Damals wurde der Wunsch an eine Kommission, die Landesverbände und die Bezirke überwiesen. Seitdem passierte in Sachen Doppelspitze nicht viel. Außer, dass das Willy-Brandt-Haus vorwitzigen Ortsvereinen solche verbot, weil sie die Satzung eben nicht erlaubt.

Elke Ferner wäre nicht Elke Ferner, wenn sie nicht optimistisch bliebe. Die Delegierten wüssten, wie aufreibend die Arbeit im Ortsverein sein könne, sagt sie. „Ich glaube, wir können gewinnen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Wo kommen wir denn hin, wenn eine Partei ihren Untergliederungen Doppelspitzen gestattet? Noch dazu zur Hälfte mit Frauen? Frauen etwas gestatten! Und das in einer Partei, die noch nie von einer Frau geführt wurde? Nein! Die SPD stammt noch aus dem Deutschen Kaiserreich. Das sollten wir bedenken, wenn die SPD keine Doppelspitzen erlaubt. Kaiser Wilhelm II hätte es auch nicht getan. Er hatte eine ähnliche Mentalität.

  • Es nervt nur noch.

    Kompetenz ist geschlechtsunabhängig. Das bedeutet, dass auch die Kompetenz des Führens nicht von diesem abhängt.

    Geteilte Führung aus Gleichstellungsgründen ist demzufolge Gender-Unfug?

    • @Trabantus:

      "Gender Unfug?" Nicht ganz. Frauen müssen sich (noch) viel mehr Mühe geben, wenn sie etwas erreichen wollen. Das wird, wenn sie sich dereinst durchgesetzt habenen werden, natürlich nicht so bleiben. Momentan ist es aber noch ein sehr guter Grund für eine Doppelspitze.

       

      So lange Menschen Macht noch anstreben und nicht besitzen, macht sie das manchmal kreativ. Und zwar vor allem dann, wenn sie es nicht (wie viele traditionell geprägte Männer) gewöhnt sind, sich allein auf ihre Körperkraft, auf ihre Fähigkeit zum Unfair-Sein oder auf die nackte Gewalt ihrer Gefolgsleute zu verlassen. Dann nämlich müssen sie bei möglichst vielen unterschiedlichen Leuten um Zustimmung für ihre Ideen werben, und das geht nur, wenn sie ihre Forderungen gut begründen. So gut, dass keiner was dagegen haben kann. Wenn also etwas wirklich "Unfug" ist, fällt das viel eher auf.

       

      Die Spitzen-Männer der SPD Männer brauchen sich solcher Kritik noch nicht zu stellen. Deswegen wehren sich so viele gegen eine Doppelspitze. Es ist ja schlicht nicht wahr, dass sie "niemandem was weg[nimmt]". Das tut sie zweifellos. Sie nimmt den Alphakerlen ihre unverdiente Sicherheit. Und das, nicht wahr, kann schon gefährlich wirken aus der Sicht von Leuten, die es nicht mehr gewöhnt sind, was zu tun für ihre Privilegien.

      • @mowgli:

        Und was haben Sie als Frau persönlich von der Doppelspitze?

    • @Trabantus:

      Es geht nur darum, Pöstchen, Privilegien und künftige Karriereaussichten in der freien Wirtschaft zu mehren. Warum soll nur 1 Selbstbediener*In absahnen, wenn es auch 2 tun könnten?