SPD-Parteitag in Bremen: Die letzte Chance

Beim Parteitag wählt die SPD Andreas Bovenschulte zum Bürgermeisterkandidaten. Und hofft dringend, dass die rot-rot-grüne Koalition klappt.

Nebeneinander sitzen Andreas Bovenschulte und Carsten Sieling und lächeln

Alter und mutmaßlich neuer Bremer Bürgermeister: Andreas Bovenschulte (l.) und Carsten Sieling Foto: dpa

BREMEN taz | „Ganz gut“, „viel durchgesetzt“, „klasse“, – das Lob für den Koalitionsvertrag fällt beim Landesparteitag der SPD zwar unterschiedlich überschwänglich aus – doch alles in allem finden sich die Delegierten in diesem Papier wieder. Und so wird auf dem Parteitag am Samstag vier Stunden lang ein wenig Kritik geübt, ein paar fast schon vernarbte Wunden werden geleckt, vor allem aber gibt es viel Lob für den Vertrag, für die Verhandler, für den alten Bürgermeister Carsten Sieling und den neuen Andreas Bovenschulte.

Die Abstimmungsergebnisse sind entsprechend eindeutig: Einstimmig mit 141 Stimmen wird der Vertrag angenommen, bei vier Enthaltungen. Und Bovenschulte wird mit 95,9 Prozent der Stimmen zum Kandidaten für das Bürgermeisteramt ernannt.

Sieling nimmt zum Abschied seinen Blumenstrauß und den lang andauernden Applaus der Delegierten entgegen und lächelt freundlich. Das Reden überlässt er später dem Neuen, Andreas Bovenschulte, der das auch noch besser kann. „Was für einen Unterschied sechs Wochen im Leben einer Partei machen können“, sinniert Bovenschulte: „Die Angst, dass wir aus dem Loch nicht mehr rauskommen, war nach der Wahl mit Händen zu spüren.“

Auch jetzt will keiner der Redner die „krachende Niederlage“, die „Klatsche“, die „schmerzhafte Wahl“ vergessen – doch der Koalitionsvertrag versöhnt. Besonders die zukünftige Bildungspolitik wird gelobt: „Es soll dort am meisten Geld hin, wo es am meisten gebraucht wird“, so Sascha Aulepp. Auch die Sicherheitspolitik wird als SPD-Verdienst gesehen: „Mehr Polizei, mehr Cops, mehr Ordnungsdienst – alles gute Schlagzeilen für uns“, lobt der Delegierte Wolfgang Grotheer.

Die Jusos sind glücklich

Natürlich gebe es viel grüne Politik im Koalitionsvertrag. „Aber uns sind diese Themen ja auch wichtig“, so die Bremer Bundestagsabgeordnete Sarah Rygliewski. Der Verweis, dass die Energiewende sozialverträglich ablaufen muss, sei eine Leistung der SPD. Selbst Klaus Hering aus dem Betriebsrat des Stahlwerks Arcelor scheint nicht bange zu sein: „Ohne Unternehmen funktioniert Klimaschutz nicht. Das steht ja auch drin im Koalitionsvertrag.“

Auch die Jusos sind glücklich: Über den Klimaschutz, über 750 neue Wohnheimplätze für Studierende, vor allem aber über den Ausbildungsfonds, der ausbildende Betriebe entlastet. Nur die Verwaltungskostenbeiträge fürs Studium, die sollten gleich ganz abgeschafft werden, statt schrittweise.

Während eine große Mehrheit sich mit den Inhalten des Vertrages zufrieden zeigt, sind es die Ressorts und damit der direkte Einfluss auf Themensetzung, die den SozialdemokratInnen zu schaffen machen. Neben dem Bürgermeisteramt und dem Abgeordneten Bremens für den Bund hat die Partei nur noch drei Senatsposten: Inneres unter Senator Ulli Mäurer, Bildung und Kinder unter Senatorin Claudia Bogedan und Justiz, Wissenschaft und Häfen unter der neuen Bremerhavener Senatorin Claudia Schilling.

Ansprechpartner: „Bovi“

Arbeit, Soziales, Gesundheit, Stadtentwicklung, Umwelt – alles Bereiche, auf die die SPD in Zukunft über die Exekutive wenig Einfluss hat. „Es wird schwerer, Politik zu gestalten“, gibt Mitverhandler Volker Stahmann zu. Besonders schmerzt, dass die SPD das Arbeits- und Wirtschaftsressort an die Linken verloren hat.

Doch man macht sich Mut: „Meine Erwartung ist, dass Arbeitnehmerpolitik zur Chefsache wird“, so Ernesto Harder, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA). „Mein Ansprechpartner ist in Zukunft Bovi.“ Eine weitere Hoffnung: Über den Zugriff auf die Bereiche Häfen und Wissenschaft könne die SPD weiterhin Wirtschaftspolitik gestalten.

Die Zuversicht kann auch Zwangsoptimismus geschuldet sein: Die Regierung muss ein Erfolg werden. Bei Rot-Rot-Grün in Bremen geht es für viele auf dem Parteitag um nicht weniger als die Zukunft der SPD im Bund. „Die Frage ist, ob wir gesellschaftliche Mehrheiten auch jenseits der CDU organisieren können“, so Aulepp. Und Bovenschulte mahnt: „Das ist eine riesige Chance für die SPD. Die müssen wir jetzt aber auch nutzen, eine weitere werden wir nämlich nicht bekommen.“

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