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Kommentar Rot-Grün-Rot in BremenBündnis ohne Signalwirkung

Kommentar von Jan Zier

Niemand in Bremen redet von einem rot-grün-roten Projekt. Die Koalition ist schlicht aus Pragmatismus und persönlichen Sympathien entstanden.

Rot-Grün-Rot: In Bremen mag man sich Foto: dpa

F ür manche ist die rot-grüne-rote Landesregierung in Bremen der Beginn von etwas ganz Großem. Eine Mehrheit jenseits von CDU und FDP! Die ersten linken Ministerinnen in Westdeutschland! Das weckt Hoffnungen – vor allem bei jenen, die von Bremen weit weg sind. Die Wahrheit ist: Von dem neuen Senat einer mittleren Großstadt in Norddeutschland geht kein Signal für andere Bundesländer im Westen aus. Und schon gar kein bundespolitisches.

Auch wenn einige, gerade in Berlin, das herbeireden wollen. Dietmar Bartsch etwa, der Chef der Linksfraktion im Bundestag: Rot-Grün-Rot sei „ein kleiner Schritt für die Menschen in Bremen, ein großer für das Machtgefüge in Deutschland“, sagte er eben – in einer eher peinlichen Analogie zur Mondlandung. In der Linkspartei, aber auch bei den Grünen und der großkoalitio­när gebeutelten SPD wünschen sich das sicher manche, und das ist ja verständlich.

In der Bremer Linkspartei dagegen findet man die Frage, ob die eigene Regierungsbeteiligung nun auf den Bund ausstrahlt, „sekundär“. Die örtlichen Grünen sind ebenfalls skeptisch – die politische Ausgangslage in Berlin sei eine ganz andere, sagte etwa Grünen-Kochef Hermann Kuhn. Und der künftige SPD-Bürgermeister Andreas Bovenschulte sieht sich auch nicht als Retter seiner Partei. Nach der Sig­nalwirkung der Bremer Koalition für den Bund oder andere Länder gefragt, sagte er dem NDR: „Das darf man, glaube ich, nicht ganz so hoch hängen.“

Niemand in Bremen redet von einem rot-grün-roten Projekt – warum auch: Die großen inhaltlichen Fragen werden in Berlin und von der EU entschieden. Vieles von dem, was zwischen SPD, Grünen und Linkspartei bundesweit strittig ist, kann von Bremen aus kaum oder gar nicht beeinflusst werden. Und schließlich ist Rot-Grün-Rot in Bremen auch schlicht eine Frage von persönlicher Sympathie, linkem Pragmatismus und einer seit jeher schwächelnden CDU, die vom Niedergang der SPD kaum profitieren kann.

Wen also von Bremen irgendein Zeichen ausgeht, dann dieses: Auf kommunaler Ebene können SPD, Grüne und Linke jenseits aller ideologischen Debatten gut zusammenarbeiten. Und zwar ganz unaufgeregt.

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JAN ZIER, Jahrgang 1974, Lokalredakteur, Chef vom Dienst & Fotograf in Bremen, 2004 - 2023 bei der taz in Bremen. Schwerpunkte: Parteipolitik, Recht & Justiz, zeitgenössische Kunst & Kultur Promotion über die Rolle der Nationalen Parlamente in der EU
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