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SPD-MitgliederbegehrenWenn das Unbehagen laut wird

Lukas Wallraff

Kommentar von

Lukas Wallraff

Ein SPD-Mitgliederbegehren gegen die Verschärfungen beim Bürgergeld dürfte scheitern. Ungemütlich würde es für die SPD-Spitze trotzdem werden.

Stehen unter Druck: die SPD-Parteivorsitzenden Bärbel Bas und Lars Klingbeil Foto: Kay Nietfeld/dpa

D er Tag der Revolution ist gekommen“: 107 Jahre nach der Ausrufung einer „freien sozialistischen Republik Deutschland“ durch den Spartakusbund-Anführer Karl Liebknecht am 9. November 1918 bahnt sich eine neue, linke Rebellion gegen die Herrschenden an – diesmal angekündigt von Franziska Drohsel.

Man habe jetzt genug Unterschriften zusammen und damit eine erste Hürde überschritten, erklärte die frühere Juso-Chefin am geschichtsträchtigen Novemberwochenende. Nun könne man ein Mitgliederbegehren in der SPD gegen die Sozialreformen der Regierung in Gang bringen. Gewiss: Die historische Tragweite dieser Aktion scheint sich noch in Grenzen zu halten. Man sollte das Unterfangen aber auch nicht unterschätzen und kleinreden.

Anders als Liebknecht planen Drohsel und ihre MitstreiterInnen zwar keinen Umsturz, aber immerhin einen Aufstand innerhalb der Regierungspartei SPD gegen die sozialpolitischen Beschlüsse der eigenen Parteichefin und Arbeitsministerin Bärbel Bas. Von der Abschaffung des Bürgergelds und der neuen, enger gefassten Grundsicherung halten die InitiatorInnen des Mitgliederbegehrens gar nichts, sie fordern „keine Verschärfung der Sanktionen“. Das ist eine klare Kampfansage.

Auch wenn es äußerst unwahrscheinlich ist, dass eine Mehrheit der traditionell braven SPD-Mitglieder den Aufstand am Ende unterstützt: Je mehr Zustimmung das Begehren bekommt, desto größer wird die Aufmerksamkeit und damit das Problem für die regierenden Sozialdemokraten. Wenn sogar aus den eigenen Reihen deutliches Unbehagen und Protest laut werden, ist es noch schwerer, gegen die Kritik der linken Opposition anzukommen.

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Was aber sollte die SPD-Führung tun? Wieder einmal zeigt sich ihr Dilemma: Einerseits soll sie weiter möglichst streitfrei mit der Union regieren, weil es dazu im Bundestag keine demokratische Alternative gibt. Andererseits wünschen sich Teile der Basis und wohl auch viele WählerInnen sichtbar linke Politik. Beides zusammenzubringen, bleibt eine Quadratur des Kreises.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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1 Kommentar

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  • Es gab es mal eine SPD die für echte Werte stand, wie etwa soziale Gerechtigkeit, den Genossenschaftsgedanken, etc. Und dafür wurde sie gewählt..für den Mut und das Rückgrat diese Werte zu erkämpfen und aufrecht zu erhalten.



    Und heute.?..richtet sich die Politik dieser Partei nach Umfrageergebnissen und populistischen Einschätzungen. Anstatt den Geist des Bürgergeldes als soziale Absicherung und Wahrung der Würde jedes/r Einzelnen zu verteidigen, stellt man fest, daß die Arbeiterschaft (zwischenzeitlich von der afd aufgestachelt) das als zu ihren Lasten einstuft..

    ( siehe auch):

    www.zeit.de/politi...tie-zohran-mamdani







    Und so verkennt sie die Lage: Hartz IV war (vor allem zu Beginn) so etwas wie die "eiternde Wunde" dieser Gesellschaft, im Bezug auf die Würde des Menschen. Wobei in den Folgejahren einiges zum besseren angepasst wurde..auch im Bezug auf nachhaltige Vermittlungserfolge.



    Mit der sog. Grundsicherung würde diese "eiternde Wunde" nicht nur wieder aufgerissen, sondern sogar noch weiter vertieft. Und sehr wahrscheinlich würde man dies der SPD nicht verzeihen.

    Liebe SPD besinnt Euch..und verkauft nicht Eure Seele..