SPD-Mitgliederbegehren: Wenn das Unbehagen laut wird
Ein SPD-Mitgliederbegehren gegen die Verschärfungen beim Bürgergeld dürfte scheitern. Ungemütlich würde es für die SPD-Spitze trotzdem werden.
D er Tag der Revolution ist gekommen“: 107 Jahre nach der Ausrufung einer „freien sozialistischen Republik Deutschland“ durch den Spartakusbund-Anführer Karl Liebknecht am 9. November 1918 bahnt sich eine neue, linke Rebellion gegen die Herrschenden an – diesmal angekündigt von Franziska Drohsel.
Man habe jetzt genug Unterschriften zusammen und damit eine erste Hürde überschritten, erklärte die frühere Juso-Chefin am geschichtsträchtigen Novemberwochenende. Nun könne man ein Mitgliederbegehren in der SPD gegen die Sozialreformen der Regierung in Gang bringen. Gewiss: Die historische Tragweite dieser Aktion scheint sich noch in Grenzen zu halten. Man sollte das Unterfangen aber auch nicht unterschätzen und kleinreden.
Anders als Liebknecht planen Drohsel und ihre MitstreiterInnen zwar keinen Umsturz, aber immerhin einen Aufstand innerhalb der Regierungspartei SPD gegen die sozialpolitischen Beschlüsse der eigenen Parteichefin und Arbeitsministerin Bärbel Bas. Von der Abschaffung des Bürgergelds und der neuen, enger gefassten Grundsicherung halten die InitiatorInnen des Mitgliederbegehrens gar nichts, sie fordern „keine Verschärfung der Sanktionen“. Das ist eine klare Kampfansage.
Auch wenn es äußerst unwahrscheinlich ist, dass eine Mehrheit der traditionell braven SPD-Mitglieder den Aufstand am Ende unterstützt: Je mehr Zustimmung das Begehren bekommt, desto größer wird die Aufmerksamkeit und damit das Problem für die regierenden Sozialdemokraten. Wenn sogar aus den eigenen Reihen deutliches Unbehagen und Protest laut werden, ist es noch schwerer, gegen die Kritik der linken Opposition anzukommen.
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Was aber sollte die SPD-Führung tun? Wieder einmal zeigt sich ihr Dilemma: Einerseits soll sie weiter möglichst streitfrei mit der Union regieren, weil es dazu im Bundestag keine demokratische Alternative gibt. Andererseits wünschen sich Teile der Basis und wohl auch viele WählerInnen sichtbar linke Politik. Beides zusammenzubringen, bleibt eine Quadratur des Kreises.
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