SPD-Linker zu Sondierungsergebnis: „Ein erster Schritt“
Matthias Miersch verteidigt die Sondierungsbeschlüsse zu Klima und Umwelt gegen Kritik. Sein Trost: Jamaika hätte auch nicht mehr erreicht.
taz: Herr Miersch, Sie haben für die SPD bei den Sondierungen die Themen Klima und Energie verhandelt. Wie lange haben Sie in den letzten 24 Stunden geschlafen?
Matthias Miersch: Keine Minute.
Und hat sich dieser Stress gelohnt? Wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen?
Wir konnten uns natürlich nicht überall durchsetzen, aber in vielen Bereichen haben wir zentrale Ziele erreicht. Auch beim Klimaschutz bin ich sehr zufrieden.
Das überrascht mich. Schließlich soll das Ziel für 2020 nicht mehr komplett erreicht werden, sondern nur „so weit wie möglich“. Dabei haben Sie selbst noch im November erklärt, dieses Ziel sei erreichbar, wenn man nur wolle. Was hat sich seitdem geändert?
Zum einen heißt „so weit wie möglich“ ja nicht, dass man das Ziel nicht erreicht. Zum anderen meine ich aber auch, dass wir uns ehrlich machen müssen. Nach den Jamaika-Plänen von Union, FDP und Grünen wäre das Ziel nicht erreicht worden. Vielmehr hätten diese vor allem zu jahrelangen Auseinandersetzungen in den Regionen geführt. Das verhindern wir durch die Einsetzung einer Kommission, in der alle Betroffenen mitwirken. Neben den Gewerkschaften gehören dazu natürlich auch Umweltverbände.
49, ist Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD im Bundestag. Zudem ist der Umweltexperte aus Hannover stellevertretender Fraktionsvorsitzender und Mitglied des Vorstands.
Diese Kommission, in der die Kohle-Länder großes Gewicht bekommen, soll auch das Ausstiegsdatum aus der Kohle festlegen. Hätten Sie da nicht jetzt schon Nägel mit Köpfen machen müssen?
Am Ende entscheidet natürlich nicht die Kommission, sondern die Politik. Aber die ist gut beraten, bei einem Prozess, der über Jahrzehnte halten soll, nicht über die Betroffenen zu reden, sondern mit ihnen. Ein ähnliches Vorgehen haben wir auch für die Sektoren Gebäude und Verkehr festgeschrieben, in denen bei Jamaika fast gar nichts passiert wäre. Hier muss viel zum Klimaschutz beigetragen werden. Und wir sorgen durch ein Klimaschutzgesetz dafür, dass die Ziele bis 2030 dann auch verbindlich eingehalten werden.
Und das langt Ihnen?
Das war jetzt erst ein erster Schritt. Bei den Koalitionsverhandlungen ist es jenseits dieser Kommission notwendig, Maßnahmenpakete kurzfristiger Art zu beschließen.
Auch bei Verkehr und Landwirtschaft ist das Sondierungspapier wenig konkret, Daten und Zahlen fehlen komplett. Wie soll damit verhindert werden, dass die Politik der CSU-Minister Schmidt und Dobrindt, jede Änderung zu verhindern, nahtlos weitergeht?
Auch der Verkehrssektor wird sein Klimaziel erreichen müssen, das haben wir im Klimakapitel festgelegt und dafür wird das Klimaschutzgesetz sorgen. Aber ich gebe Ihnen recht: Wir müssen das im Koalitionsvertrag weiter ausarbeiten.
Auch beim Pflanzengift Glyphosat heißt es nur „so schnell wie möglich“. Warum nennen Sie keine Zahlen und Fristen für die Reduzierung?
Für mich ist dieser Ausdruck das Genaueste, was wir reinschreiben können. Das ist schärfer als „in drei Jahren“, was etwa der französische Präsident Macron angekündigt hat.
Wirklich? Sie könnten doch „schnellstmöglich, spätestens in drei Jahren“ schreiben.
Auch dann stehen da aber schon mal diese drei Jahre, die dann sicher auch ausgenutzt werden.
Wie bewerten Sie die Chancen, dass der Parteitag dieses Ergebnis akzeptiert und es zu Koalitionsverhandlungen kommt?
Ich glaube, dass wir wirklich vorzeigbare Erfolge erzielt haben, neben dem Klima etwa bei Bildung, Wohnen und Rente. Ich glaube aber, dass wir auf dem Parteitag erklären müssen, wie sich durch die beschlossenen Maßnahmen das Leben von vielen einzelnen ganz konkret verbessert. Und wir müssen noch deutlicher machen, dass wir kein „Weiter so“ wollen.
Wie soll das gehen?
Ich würde mir zum Beispiel wünschen, dass wir eine „Agree-to-disagree“-Klausel in den Koalitionsvertrag aufnehmen. Wenn sich herausstellt, dass sich mit den Partnern kein Kompromiss erzielen lässt, sollten wir das Recht haben, mit wechselnden Mehrheiten zu agieren.
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