SPD, Grüne und FDP zu Corona-Maßnahmen: Ampel zeigt Ländern grünes Licht
Länder sollen Kontaktbeschränkungen anordnen können. Die Schließung von Schulen, Geschäften und Restaurants bleibt aber tabu.
Die werdende Ampel-Koalition reagiert auf die massive Kritik aus den Bundesländern und von medizinischen Experten. Die Länder sollen doch mehr Instrumente zur Eindämmung der Pandemie behalten als zunächst geplant. Außerdem soll 3G am Arbeitsplatz sowie in Bussen und Bahnen eingeführt werden. Über eine Impfpflicht für bestimmte Beschäftigten-Gruppen hat sich die kommende Koalition, entgegen erster Agenturmeldungen am Nachmittag, noch nicht geeinigt.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt hatte am Montag eine Einigung mit SPD und FDP über eine Impfpflicht für die Beschäftigten von Pflegeheimen, Kindertagesstätten „et cetera“ verkündet. Nach Dementis aus Verhandlungskreisen musste Göring-Eckardt sich später aber entschuldigen, dass sie einen falschen Eindruck erweckt hatte.
Ausgangspunkt der Diskussion war der Plan von SPD, FDP und Grüne die „epidemische Lage nationaler Tragweite“ am 25. November auslaufen zu lassen. Ab dann haben die Bundesländer keinen Zugriff mehr auf Instrumente wie den Shutdown von Gastronomie, Einzelhandel und Schulen.
Nach einem Gesetzentwurf, den die drei Parteien vorige Woche vorlegten, sollten die Länder nur noch einen stark reduzierten „Instrumentenkasten“ zur Verfügung haben. So sollen die Länder noch Maskenpflicht, Abstandsgebot und Hygienekonzepte vorschreiben können. Und sie sollen Geschäfte, Restaurants und sonstige Einrichtungen zu 3G- oder zu 2G-Zugangskontrollen verpflichten können.
Es geht um den Bundesrat
Gegen diese Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten der Länder gab es angesichts der Rekordzahlen an Corona-Infizierten und teilweise bereits überlasteten Intensivstationen massive Kritik. Die CDU/CSU forderte letzte Woche im Bundestag, die „epidemische Lage“ zu verlängern. Auch die drei Grünen-Gesundheitsminister:innen aus Baden-Württemberg, Hessen und Brandenburg drängten darauf.
Auf diese Kritik musste die kommende Bundes-Ampel reagieren. Denn die geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes braucht die Zustimmung des Bundesrats, der am Freitag, einen Tag nach dem Bundestag, über das Gesetz abstimmen wird.
Inzwischen haben SPD, FDP und Grüne reagiert. Es soll zwar bei der für die FDP identitätsstiftenden Aufhebung der „epidemischen Lage“ bleiben. Die Länder sollen aber mehr Handlungsmöglichkeiten behalten. So sollen ausdrücklich auch „Kontaktbeschränkungen“ in den neuen Instrumentenkasten aufgenommen werden. Die Länder könnten also die Zahl der Menschen beschränken, die sich in Wohnungen oder bei Veranstaltungen begegnen dürfen.
Außerdem soll die Öffnungsklausel erhalten bleiben, die den Landtagen ermöglicht, eine Art epidemische Lage auf Landesebene festzustellen. Im jeweiligen Land könnte die Landesregierung dann notfalls Kultur- und Sportveranstaltungen verbieten, Freizeitparks und Hochschulen schließen sowie Versammlungen untersagen. Tabu bliebe für die Länder aber der Shutdown von Einzelhandel, Gastronomie, Hotels, Kitas und Schulen. Zudem darf es keine Ausgangssperren geben.
Auf Booster konzentrieren
Wie bereits letzte Woche angekündigt, wird der Gesetzentwurf um eine 3G-Pflicht am Arbeitsplatz ergänzt. Bei Schnelltests darf der Test maximal 24 Stunden alt sein, bei den genaueren PCR-Tests beträgt die Frist 48 Stunden. Der Arbeitgeber muss die Einhaltung der 3G-Pflicht überwachen. Hierzu darf er auch den Impf- und Genesenen-Status abfragen. Die Gewerkschaften hatten hier nach langen Diskussionen zugestimmt, weil es um eine Maßnahme des Infektionsschutzes für die Bevölkerung geht.
Wie sich erst am Wochenende andeutete, muss der Arbeitgeber den Beschäftigten Homeoffice anbieten, wenn diese Büroarbeiten verrichten. Ausnahmen gibt es nur, wenn „zwingende betriebsbedingte“ oder persönliche Gründe dagegenstehen. Wer zu Hause zum Beispiel gar keinen Platz hat, muss auch nicht ins Home-Office. Auch eine 3G-Pflicht für Busse und Bahnen war nicht im ursprünglichen Gesetzentwruf erhalten und soll nun ergänzt werden.
Bereits angekündigt war die Ergänzung um eine strenge Testpflicht für die Mitarbeiter:innen und Besucher:innen von Krankenhäusern, Arztpraxen, Rettungsdiensten, Pflegeheimen, Schulen, Kitas, Gefängnissen, Asyl- und Obdachlosenheimen. Diese Testpflicht gilt auch für Geimpfte und Genesene, wobei diese einen Schnelltest ohne fremde Kontrolle durchführen dürfen.
Bei einer Anhörung im Hauptausschuss des Bundestags warb der Virologe Christian Drosten für Kontaktbeschränkungen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. 3G und 2G-Konzepte genügten nicht. Die Ausbreitungs-Forscherin Viola Priesemann plädierte dafür, möglichst viel Ressourcen auf Booster-Impfungen zu konzentrieren. Tests seien lange nicht so relevant. „Wir müssen wieder täglich 1 Prozent der Bevölkerung impfen“, sagte sie. Derzeit sind es nur 0,2 Prozent.
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