SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus: Saleh-Kritiker organisieren sich
Innerhalb der SPD gründet sich eine neue, linke Strömung. Der Schritt sei die logische Konsequenz aus dem Handeln des wiedergewählten Fraktionschefs.
Die nach der gleichnamigen Autobiografie der einstigen SPD-Lichtgestalt Willy Brandt benannte Strömung versteht sich – der Name sagt es – als „links, frei und sozial-ökologisch“. In einem am Mittwoch an den Rest der SPD-Fraktion verschickten Schreiben werden all jene herzlich eingeladen, sich zu beteiligen, die „Meinungsvielfalt als einen Mehrwert für politische Diskurse verstehen“.
Genau das sei bislang das Problem in der Fraktion, die seit über 12 Jahren von Raed Saleh in Alleinregie geführt wird, heißt es auf taz-Nachfrage von „Links und frei“. Die Abgeordneten würden von der Spitze nicht mitgenommen, ihre Positionen nicht wertgeschätzt, Entscheidungen würden häufig vorab im kleinen Kreis um Saleh ausgehandelt und dann nur noch zwecks Abnicken verkündet.
Bei den Initiator:innen der Strömung soll es sich um genau jene 8 Abgeordneten handeln, die sich am Dienstag gegen die Wiederwahl von Saleh zum SPD-Fraktionschef gestellt und stattdessen für den Gegenkandidaten, Ex-Finanzsenator Matthias Kollatz, gestimmt haben. Auch wenn die Wahl geheim war, liegt die Vermutung nahe, dass das zutrifft. Neben Kollatz selbst gehören „Links und frei“ unter anderem der innenpolitische Sprecher Martin Matz, die Umweltexpertin Linda Vierecke und der Stadtentwicklungspolitiker Mathias Schulz an.
Abspaltung der „Parlamentarischen Linken“
Alle Links-Freien waren zuvor Teil der von Raed Saleh dominierten Fraktionsströmung „Parlamentarische Linke“, der bislang gut drei Viertel der Abgeordneten angehörten. Zusammen mit der kleineren, inzwischen weitgehend inaktiven „Berliner Mitte“ um den Reinickendorfer Jörg Stroedter und seine Ehefrau, Innensenatorin Iris Spranger, zählt die SPD-Fraktion nun also 3 Strömungen.
Die Gründung von „Frei und links“ sei auch als Signal nach außen zu verstehen, heißt es. Das „Fass zum Überlaufen gebracht“ habe dabei jetzt der Umstand, dass der Zirkel um Saleh bei der Wahl des Fraktionsvorstands am Dienstag zwar die geforderte Einführung einer Doppelspitze grundsätzlich ermöglicht, aber deren Umsetzung zugleich in die ferne Zukunft verschoben hat.
Im Rennen um den künftigen Landesvorsitz der Berliner SPD hatten die meisten Abgeordneten der neuen Strömung das zuletzt unterlegene Duo Kian Niroomand und Jana Bertels vom linken Parteiflügel offensiv unterstützt – gegen die jetzigen Gewinner Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini vom konservativen Flügel, aber eben auch gegen den bisherigen Parteichef Raed Saleh.
Dass der Spandauer in der Befragung der SPD-Basis mit unter 16 Prozent der Stimmen abgestraft wurde und in der ersten Runde ausschied, hätte Auswirkungen auf den ebenfalls von Saleh gehaltenen Fraktionsvorsitz haben müssen, sagt ein Mitglied der neuen Strömung. Das hatte es nicht. „Links und frei“ sei jetzt „die logische Konsequenz“. Dem Vernehmen nach soll Raed Saleh die Abspaltung gelassen sehen.
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