SPD-BSW-Regierung in Brandenburg: Das neue Normal
Die dünne Mehrheit der Brandenburger Regierung erfordert pragmatische Allianzen. Und sie ist ein Vorbote der neuen Normalität in deutschen Parlamenten.

D ietmar Woidke ist mit Stimmen der Opposition zum Chef der SPD-BSW-Regierung in Potsdam gewählt worden. Das klingt solider, als es ist. Denn im ersten Wahlgang fehlten Woidke zwei Stimmen aus dem eigenen Lager. Diese Botschaft hallt umso lauter nach. Denn, dass die CDU-Opposition der wackelnden Regierung aus Staatsraison künftig zu Mehrheiten gegen die AfD verhelfen wird, ist nicht zu erwarten. Die holprige Wahl ist eine Warnung: So regiert es sich mit äußerst schmaler Mehrheit.
Knappe Mehrheiten können disziplinieren. In NRW regierte Schwarz-Gelb, in Thüringen Rot-Rot-Grün störungsarm mit nur einer Stimme Mehrheit. Doch dieses Szenario ist für Brandenburg, seit 34 Jahren SPD-regiert und bisher ein stählerner Anker der Stabilität, unwahrscheinlich. Denn Schwarz-Gelb und Rot-Rot-Grün verbanden klare politische Konzepte. Die SPD-BSW-Koalition in Potsdam aber ist aus Verlegenheit geboren. Sie ist die einzig mögliche Koalition ohne AfD. Ihre Raison d’Être ist der Mangel an Alternativen.
Wie Feuer zu Eis
Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist nach wie vor eine Blackbox. Es ist eine junge Partei, die von einer Anti-Ampel-Stimmung nach oben gespült wurde. Populistische Formationen wie sie kommen und gehen.
Dem BSW fehlt zudem ein Mechanismus, um interne Konflikte zu regulieren. Dass die MinisterInnen in Potsdam und vielleicht auch in Erfurt die Weisheiten der großen Vorsitzenden wie biblische Gesetzestafeln entgegennehmen werden, ist unwahrscheinlich. Sie müssen ein eigenes Gewicht haben, um zu bestehen. Zoff zwischen Wagenknecht und den Landesfürsten, zwischen Rechthaberei und Realpolitik ist somit programmiert. Wagenknechts Krachrhetorik gegen die Eliten passt zum Pragmatismus der Landespolitik wie Feuer zu Eis.
Woidke ist dem BSW in der Präambel des Koalitionsvertrages recht weit entgegengekommen. Doch es wäre ein Fehler, den Einfluss des BSW zu überschätzen. Es klingt zwar mitunter wie ein Sprachrohr Putins, in der Landespolitik aber wird das keine große Rolle spielen. Wenn Woidke klug ist, wird er mit der CDU kooperieren, um Zufallsmehrheiten der AfD im Landtag zu verhindern.
Wird diese SPD-BSW-Regierung fünf Jahre halten? Das wäre eine Überraschung. Fast zwei Drittel der Brandenburger trauen ihr nicht über den Weg. Diese Unsicherheiten sind das neue Normal in Zeiten, in denen die AfD Regierungen gegen sie erzwingt. Brandenburg ist kein Sonderfall, sondern ein erster Blitz des kommenden Unwetters. Die Zeiten, als klare politische Lager mit klaren Mehrheiten regierten, sind vorbei. Das neue Normal ist: Der Boden schwankt.
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