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SBTRKT veröffentlicht ein neues AlbumEine Pop-Oper im Miniaturformat

Jahrelang was es ruhig und öde um den Künstler SBTRKT. Auf den 22 Tracks von „The Rat Road“ zeigt er, was ihn von anderen Produzenten unterscheidet.

Künstler SBTRKT, jetzt ohne Maske Foto: Nick Walker

Als der Londoner Künstler SBTRKT Anfang der zehner Jahre aufs Tableau kam, schien die Welt langsam wieder ins Lot zu finden: Die unruhigen nuller Jahre mit ihrem Al-Qaida-Terror, Kriegen im Irak und in Afghanistan und der globalen Finanzkrise schienen halbwegs überstanden.

Jetzt konnte ein neues Jahrzehnt beginnen, das sich vor allem durch eine neue Welle von Künst­le­r*in­nen ankündigte: Selbstsichere Millennials, die zwischen dem Ästhetizismus der Generation X und der drängenden Identitätspolitisierung einen aufregenden Weg fanden, um durch den Dschungel der Einflüsse zu schlüpfen – oder ihn mit viel Trockeneisnebel sogar noch blickdichter zu gestalten.

Musikalisch äußerte sich das unter anderem in der New British Wave des Post-Dubstep, einem Genrebegriff, der alles zusammenführte, was irgendwie von Dubstep (sehr prominent dabei der Londoner Burial) beeinflusst war, aber neue Wege auftat.

Da gab es die Tanzflächen-Fraktion, die vom Label Hessle Audio in Bristol angeführt wurde, und die Pop­ecke, die sich etwas durchlässiger zeigte: Das Londoner Duo Mount Kimbie spielte zwischen Dancefloor und Charts, James Blake dirigierte vom Klavier aus ganze Orchester – und dann war da die Musik von SBTRKT.

Gesang von Leilah und Sampha

SBTRKT-Album

SBTRKT: „The Rat Road“ (Save Yourself/AWAL)

Wenn man heute in sein feines Kaugummi-Zeitlupen-Duett „Limitless“ reinhört, kann man erahnen, was den britischen Produzenten aus der Masse herausstechen lässt: Instrumentals, die aufschäumende Emotionen mit klaren Beat-strukturen verbinden, dabei genügend Platz für die Gast­sän­ge­r*in­nen zum Glänzen und Scheinen lassen. Anno 2023 ist Platz für den Gesang von Leilah und Sampha.

Der zärtlichen D’Angelo-Stimme des sanft dreinblickenden Sampha hatte SBTRKT 2011 erstmalig eine Bühne geboten und damit dessen Solisten-Karriere enormen Vorschub geleistet. Er selbst blieb lieber hinter einer Maske verborgen. So was war damals noch möglich: Afrikanische Masken zu verwenden, ohne dass Cultural-Appropiation-Vorwürfe gemacht wurden.

So blieb SBTRKT mehr Zeit, um an seinen Songs zu knobeln: Sommerhits und Ohrwürmer voller House, R&B und knurrige Bass-Synths. SBTRKT schuf körperwarme Musik, dabei auch noch mit dem Versprechen eines zukunftsträchtigen Jahrzehnts in den Startlöchern.

Leider haben sich die Schwüre der neuen Klangwelt der zehner Jahre nicht ganz so eingelöst wie erhofft. Es folgten öde Jahre zwischen 2014 und 2017. Und um den kenianisch-indischen Schotten Aaron Jerome, wie SBTRKT bürgerlich heißt, wurde es in der Folge stiller. Zwar werkelte er als Ghostwriter an der Musik berühmterer Künst­le­r*in­nen und remixte sie – wie etwa Radiohead –, seit seinem Album „Save Yourself“ (2016) blieb er jedoch auf Tauchstation.

Mal Samplelastiger Hyperpop, dann klarer R&B-Popsound

Mit „The Rat Road“ haut er jetzt ein Album mit 22 Tracks raus und erzählt, dass es eine „Vorauswahl“ von 400 Songs gab. Man fühlt sich an das US-Enigma Frank Ocean erinnert. Der Einfluss von Oceans Alben „Channel Orange“ und „Blond“ ist bei SBTRKT deutlich. Auf dem Album finden sich einige der besten, durchdachtesten, facettenreichsten Produktionen des Schotten wieder. So etwa „Don’t Let“, das sich in drei Minuten zu maximalen Höhen aufschwingt, Schicht um Schicht aufträgt und voll komprimiert überwältigt, um dann in einer sanften Stimmung aufzugehen: eine Pop-Oper im Miniaturformat.

Etliche, oft sekundenkurze Klangvignetten, geben dem Songmaterial den Charme eines Skizzen-Mixtapes. Einerseits roh, dann wiederum über Skits ist alles zu einer großen Erzählung gestrickt. Dass dabei Brüche unumgänglich sind, zeigt „No Intention“, das auf „Don’t Let“ folgt. Ästhetisch passt das nicht zusammen: Links der samplelastige Hyperpop, rechts dann ein exakter und klarer R&B-Popsound mit der Stimme, der bis dato kaum in Erscheinung getretenen Leilah.

Wer kann, der sollte diese Erosionen in einem Künstleralbum mitgehen und das hybride Werk mit zehn Gästen und hunderten Ideen konzentriert hören. Auch wenn „The Rat Road“ hie und da unter seiner Volatilität und Sprunghaftigkeit leidet, einige der Songs gehören zum Besten, was in Großbritannien abseits des Jazz-Hypes produziert wurde, seit Post-Dubstep 2013 langsam verschwand.

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