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Russlands Verhältnis zu den TalibanGefährlicher Flirt

Für Moskau sind die Taliban Terroristen und Verhandlungspartner zugleich – noch. Denn die Sorge vor islamistischem Terror wächst.

Übung von Usbeken, Russen und Tadschiken am 10.8.2021 unweit der afghanischen Grenze Foto: Didor Sadulloev/ap

Moskau taz | Noch vor wenigen Tagen hatte sich Samir Kabulow, Russlands Sondergesandter für Afghanistanfragen, gelassen gegeben. „Wir fühlen uns in Sicherheit“, sagte er angesichts des immer weiteren Vorrückens der Taliban in Afghanistan. Da hatten europäische Staaten und die USA ihre Diplomaten bereits aus Kabul evakuiert.

Russland aber, das eine zwiespältige Haltung zu den Taliban pflegt, gab sich standhaft – bis Kabulow an diesem Montag erklärte, dass nun auch Teile der russischen Botschaft aus Afghanistan abgezogen würden. Man wolle „nicht zu viel Präsenz“ zeigen, sondern reden. An diesem Dienstag soll offenbar der russische Botschafter in Kabul den „Sicherheitskoordinator“ der Taliban treffen. Danach werde entschieden, ob Moskau die Taliban als Regierung anerkennt.

„Schizophrenie der modernen russischen Diplomatie“, nennt der Moskauer Afghanistanforscher, Andrei Serenko, diese Haltung. Einerseits stehen die Taliban in Russland auf der Liste der terroristischen Organisationen und sind damit verboten – wie der IS und der Antikorruptionsfonds des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexei Nawalny. Eigentlich ist damit jedes Interagieren mit solch einer Gruppierung eine mögliche Straftat.

Andererseits hatte der russische Außenminister Sergei Lawrow zuletzt im Juli eine Taliban-Delegation in Moskau empfangen. Russland, sich als Rechtsnachfolger der Sowjetunion seiner Rolle und Fehler in Afghanistan bewusst, gab sich als Vermittler. Die Widersprüchlichkeit, die damit einherging, schob es beiseite.

Nichts als Häme

Hatte Moskau seinen Einsatz in Syrien nicht damit begründet, gegen Terroristen vorzugehen? Nun standen Terroristen in Moskau vor Mikrofonen und erklärten, wie wichtig für sie Menschenrechte seien. Seht her, die radikalen Islamisten hätten sich geändert, frohlockten daraufhin Russlands Propagandist*innen.

Doch in diesen Tagen ist es die Häme über das Versagen der USA in Afghanistan, die staatsnahe russische Kom­men­ta­to­r*in­nen geradezu siegestrunken vor sich hertragen. Eine gefährliche Haltung, da auch Russland – trotz der Besuche der Gotteskrieger in Moskau – auf der Feindesliste der Taliban steht.

Russische Beobachter fürchten, dass der radikale Islamismus, gegen den Russland in seinen nordkaukasischen Republiken und an den Grenzen zu Zentralasien mit harten Mitteln seit Jahren vorgeht, zu einer Art neuen Mode unter Muslimen im Land werden könnte.

Die Schadenfreude über das Scheitern der USA als weltpolitische Ordnungsmacht übertüncht die Sorgen vor neuem Terror im Land. Dass diese Sorgen da sind, zeigen die Manöver, die Russland Anfang August mit Tadschikistan und Usbekistan an der Grenze zu Afghanistan abhielt.

Regelrecht überrannt

Tadschikistan hatte Russland im Rahmen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit im Juli um Hilfe gebeten, da das Land im Zuge des Taliban-Vormarsches von afghanischen Regierungstruppen regelrecht überrannt wurde.

Russland, das in Tadschikistan eine Militärpräsenz mit 7.000 Mann unterhält und mit den Tadschiken für die Sicherung der mehr als 1.000 Kilometer langen tadschikisch-afghanischen Grenze zuständig ist, schickte zusätzliches Personal und Militärtechnik. Die Angst vor religiösem Extremismus an russischen Grenzen ist groß. „Wir erleben die Geburt eines neuen dschihadistischen Trends. Keine afghanische Grenze wird diese Dschihadisten aufhalten“, sagte Afghanistanforscher Serenko.

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