Russlands Einfluss in Österreich: Putins willige Wiener Handlanger
Russland hat in Österreich großen Einfluss. Ehemalige Politiker lassen sich dort gegen gute Bezahlung für Putins Interessen einspannen.
Schüssel, der Anfang des Jahrhunderts eine rechtskonservative Regierung mit der FPÖ anführte, sitzt nicht nur im Aufsichtsrat des deutschen Energiekonzerns RWE, sondern bessert seine üppige Politikerrente auch mit einem wohldotierten Aufsichtsratsmandat des russischen Ölriesen auf. Die Rede ist von 100.000 Euro jährlich.
Der Aufforderung der Sozialdemokraten, durch einen Rückzug gegen den russischen Angriffskrieg zu protestieren, will Schüssel nicht nachkommen. Lukoil, so ließ er über seine Sprecherin ausrichten, sei kein Staatskonzern, sondern eine an Londons Börse notierte Aktiengesellschaft. Sie sei auch nicht mit Sanktionen belegt.
Anders reagierte einer seiner Nachfolger, der ehemalige SPÖ-Kanzler Christian Kern. Der legte nach Beginn der militärischen Aggression Moskaus gegen die Ukraine sein Aufsichtsratsmandat bei der Russischen Staatsbahn RZD nieder: „Seit heute Nacht ist die RZD tatsächlich Teil einer Kriegslogistik geworden. Ich bedauere das zutiefst.“
Hofknicks vor Putin
Weniger Skrupel hat da Ex-Außenministerin Karin Kneissl, die im Sold des Moskauer Ölkonzerns Rosneft steht. Der ist zwar formal auch eine Aktiengesellschaft, personell und strategisch aber eng mit Wladimir Putin verbunden.
Die einst von der FPÖ in die Regierung von Sebastian Kurz geholte Nahostexpertin Kneissl hat auch beim russischen Propagandasender RT angeheuert. Bei dem zeigte sie noch direkt vor dem Überfall auf die Ukraine großes Verständnis für Putins Position. Russland ist zweitgrößte Auslandsinvestor in Österreich
Kneissl ist international vor allem durch ihre Hochzeit im Sommer 2018 in Erinnerung. Bei der bedankte sie sich für ein Tänzchen mit dem eigens angereisten Kreml-Chef mit einem Hofknicks.
Bewunderung für den russischen Autokraten hat in Österreich Tradition. Der ehemalige Präsident der Wirtschaftskammer, Christoph Leitl (ÖVP), betrachtet Putin als seinen persönlichen Freund und erkannte in ihm noch vergangene Woche einen „schenialen (sic!) politischen“ Schachspieler.
FPÖ und Putin-Parte sind Freunde
„Jeder Zug ist überlegt und er nützt gnadenlos jede Schwäche der anderen aus,“ so Leitl. Wenn man nicht auf ihn höre, „dann wird er grantig und dann wird er, auch wie wir jetzt sehen, aggressiv.“
Die rechte FPÖ hatte 2016 in Moskau sogar einen Freundschafts- und Kooperationsvertrag mit der Putin-Partei Einiges Russland geschlossen. Beobachter der FPÖ, die sie zum Referendum entsandte, das zur Annexion der Krim führte, äußerten sich voll des Lobes.
Abseits der persönlichen Verflechtungen vieler Politiker ist Österreich auch wirtschaftlich eng mit der Russischen Föderation verbunden. 80 Prozent der Gasimporte kommen von dort, was die zögerliche Haltung der Bundesregierung gegenüber bestimmten Sanktionen erklärt.
Jeder zweite Wiener Haushalt heizt mit Gas. Ein Gasbevorratungsgesetz, das zur Einlagerung eines Jahresbedarfs verpflichten soll, wird gerade erst diskutiert und bestenfalls 2023 nützlich sein.
Zweitgrößter Auslandsinvestor
Rund 600 Unternehmen unterschiedlicher Größe haben in Russland investiert. Über die Raiffeisen Bank ist Österreich auch auf Russlands Finanzsektor höchst präsent. Dort stehen rund 1,5 Milliarden Euro an Krediten aus.
Umgekehrt hat Russland mit der Sberbank in Wien eine Niederlassung, die für ganz Mitteleuropa zuständig ist – und jetzt durch die Sanktionen bereits ins Wanken gerät. Die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank hält sie für nicht mehr existenzfähig, wie sie in der Nacht auf Montag mitteilte: „Bei der Sberbank Europe AG und ihren Tochtergesellschaften kam es zu erheblichen Abflüssen von Einlagen infolge der Auswirkungen der geopolitischen Spannungen auf ihre Reputation“.
Russland ist mit 21,4 Milliarden Euro Direktinvestitionen nach Deutschland größter ausländischer Investor in Österreich. Die Sberbank bildet mit den Energiekonzernen Lukoil und Gazprom das führende Trio.
Der Oligarch Oleg Deripaska hält über seine zypriotische Rasperia Trading Limited 25,9 Prozent am Baukonzern Strabag, einem der größten in Österreich. Deripaska, einer der wichtigsten Wirtschaftsberater Putins, beschäftigt in seinem Unternehmen Russian Machines auch den österreichischen Milliardär Siegfried Wolf, der letztes Jahr das insolvente MAN-Werk in Steyr kaufte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund