piwik no script img

Russisches FußballländerspielDuell zweier Parias im Weltfußball

Russlands Fußballverband wird bei der schwierigen Suche nach Gegnern in Kenia fündig. Das Spiel ist ein Gurkenkick.

Russische Fußballnormalität? Beim Spiel gegen Kenia bemüht man sich, die Form zu wahren Foto: imago

E s war ein grauenhafter Kick, den die Nationalmannschaften aus Russland und Kenia da hingelegt haben. 2:2 endete das Freundschaftsspiel, das am Montagabend im türkischen Antalya stattgefunden hat. Ein Tor war kurioser als das andere. Die Fehler in den Abwehrreihen waren einfach nur absurd. Kurzum – es war ein lächerlicher Auftritt, den sich die beiden Auswahlteams da geliefert haben. Und dennoch wird man im russischen Fußballverband froh sein, dass es überhaupt zu dem Spiel gekommen ist.

Nachdem der Verband wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine von internationalen Wettbewerbsspielen der Uefa und der Fifa ausgeschlossen wurde, ist es schwer, Gegner zu finden für die im Kalender des Weltfußballs reservierten Länderspielfenster.

Mit Kenia, dem 109. der Fifa-Weltrangliste, glaubte man, den idealen Sparringpartner gefunden zu haben. Ein Sieg sollte da nun wirklich drin sein. Außerdem eignete sich Kenia als Gegner gut, um das Spiel als Duell der Parias im Weltfußball zu verkaufen. Kenia war bis November 2022 von der Fifa suspendiert. Nachdem die Regierung die Spitze des Fußballverbands wegen Korruptionsverdacht abgesetzt hatte, sah die Fifa den Tatbestand der verbotenen staatlichen Einmischung in den Fußball gegeben. Seit knapp einem Jahr gehört Kenia wieder zur Fifa-Familie.

Und auch politisch passt die Paarung ganz gut in die Zeit. Im Mai besuchte Russlands Außenminister Sergei Lawrow Nairobi, versprach dem Land intensive Zusammenarbeit in der Nahrungsmittelfrage und übergab dabei als Mitbringsel das Versprechen der Lieferung von 34.000 Tonnen Düngemittel. Dabei tat er alles, um den Eindruck zu verwischen, Russlands Ausstieg aus dem Getreideabkommen mit der Ukraine könnte etwas mit der kritischen Ernährungslage in Afrika zu tun haben.

Serie von peinlichen Auftritten

Bei der Suche nach Verbündeten gegen den Westen war Lawrow also in Ostafrika fündig geworden. Und bald darauf präsentierte der Russische Fußballverband Kenia als Gegner für ein Testspiel. Dass es ein solcher Gurkenkick werden würde, damit konnte ja nun wirklich niemand rechnen. Oder doch?

Seit dem Frühjahr 2022 haben die Russen einen peinlichen Auftritt nach dem anderen hingelegt

Seit die Russen von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen wurden, haben sie einen peinlichen Auftritt nach dem anderen hingelegt. Einem knappen 2:1-Erfolg gegen Kirgistan folgte ein Remis gegen Tadschikistan und ein weiteren torloses Unentschieden gegen Usbekistan. Das 1:1 gegen den Iran war da schon fast eine Sensation. Der sportliche Wert des 2:0-Siegs gegen den Irak wurde auch in Russland als nicht besonders hoch eingeschätzt. Was folgte, war dann ein müdes 1:1 gegen Katar. Als Russland dann am vergangenen Donnerstag Kamerun mit 1:0 besiegt hat, wähnte sich der russische Fußball endlich wieder auf einem guten Weg.

Überhaupt verlief der Auftritt Kameruns in Moskau ganz nach den Wünschen der Gastgeber. Kameruns Team fügte sich nicht nur brav in die 0:1-Niederlage, sondern machte auch noch PR für die Hauptstadt von Putins Reich. Clinton N’Jie, der kamerunische Stürmer, der bis zum vergangenen Jahr bei Dynamo Moskau gespielt hat und jetzt in Sivas in der Türkei unter Vertrag steht, sagte: „Für mich ist Moskau eine der besten Städte der Welt.“ Er wurde in der russischen Sportpresse rauf- und runterzitiert. „Der Bürgermeister tut viel für die Entwicklung der Stadt. Hier lässt es sich leicht leben.“ Es waren wunderbare Tage in Moskau, und Russlands Trainer Waleri Karpin meinte, fast so etwas wie eine positive Stimmung rund um das Nationalteam zu spüren.

Und jetzt das! Wieso? Karpin meinte nach dem Spiel: „Es gibt viele Probleme, aber ich werde Ihnen nicht alle aufzählen.“ Auch spielerische Probleme? „Natürlich.“ Bis November hat er Zeit, sie anzugehen. Da steht das nächste Länderspielfenster an. Es gibt nur noch ein Problem. Die Russen haben keinen Verband gefunden, der gegen sie antreten möchte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!