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Russischer Rückzug in der OstukraineUkrainische Armee befreit Charkiw

Die russische Armee soll sich aus mehreren Donbass-Städten zurückgezogen haben. In den befreiten Orten wird das volle Ausmaß der Zerstörung sichtbar.

Pause vom Krieg: Ein ukrainischer Soldat raucht in der befreiten Region Charkiw Foto: Kostiantyn Liberov/ap

Berlin taz | Seit Beginn ihrer Gegenoffensive haben die ukrainischen Streitkräfte nach eigenen Angaben über 300 Ortschaften in der Region Charkiw befreit. Die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Anna Malyar sagte am Dienstag: „Seit dem 6. September bis heute wurden 3.800 Quadratkilometer, mehr als 300 Ortschaften und etwa 150.000 unserer Einwohner von der Besatzung befreit.“

In den befreiten Orten wird nun das volle Ausmaß der Zerstörung während der russischen Besatzung sichtbar. In Isjum, einem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt, der für Nachschub der in Richtung Donbass angreifenden russischen Truppen sorgte, sind nach Angaben von strana.news mehr als 80 Prozent der Gebäude zerstört. Mehr als 1.000 Zivilisten starben hier während der Besatzung, erklärte Maxim Strelnikow, Abgeordneter des Stadtrats von Isjum bei einem Briefing. Noch mehr Menschen litten, da sie keine medizinische Versorgung erhielten.

Von Isjum aus hatten die russischen Streitkräfte ihre Angriffe geführt, um von Norden her Slowjansk und Kramatorsk zu erobern, die beiden größten von der Ukraine kontrollierten Städte im Donbass, während zugleich vom Süden her russische Truppen aus der „Volksrepublik Donezk“ vorrücken sollten. Somit sollten die gesamten ukrainischen Stellungen in der Ostukraine in die Zange genommen werden. Dies ist nun gescheitert.

Die russische Offensive auf Slowjansk war schon im August weitgehend zum Stillstand gekommen – nämlich an der rund 80 Kilometer breiten Front entlang des Flusses Donezk östlich von Isjum bis hin zum monatelang umkämpften Sewerodonezk. Ukrainische Kräfte haben den Fluss inzwischen wieder an einigen Stellen nach Norden überschritten und sind in mehrere lang umkämpfte Frontstädte eingerückt, wo die russischen Truppen jetzt von Nachschub an Truppen abgeschnitten sind.

Auch die Lage in der Südukraine ist ungünstig für Russland

Aus den Städten Lyman sowie Kreminna, nur 25 Kilometer von Sewerodonezk entfernt, sollen sich die russischen Truppen am Dienstag völlig zurückgezogen haben. Serhiy Gadai, ukrainischer Leiter des Gebiets Luhansk, sagte am Dienstag: „Wir beobachten die Lage in Lyman, dessen Befreiung für unsere Region von entscheidender Bedeutung ist, da die Kämpfe um die Stadt noch immer andauern. Seit heute ist Kreminna völlig verlassen – die russische Armee hat die Stadt verlassen. Dort weht eine ukrainische Flagge, die von Partisanen gehisst wurde.“ Sollte auch Sewerodonezk wieder an die Ukraine fallen, wäre die wichtigste und verlustreichste russische Eroberung der vergangenen Monate wieder rückgängig gemacht.

Auch in der Südukraine entwickelt sich die Lage zu Ungunsten Russlands. Am 12. September sei die Frontlinie in der Südukraine bereits weitere 12 Kilometer vorgerückt, mehr als 500 Quadratkilometer und 13 Siedlungen seien befreit worden, so Generalmajor Dmytro Marchenko gegenüber Suspilne. „In den letzten zwei Wochen wurden mehr als 1.800 russische Militärs vernichtet“, fügte er hinzu.

In der russischen Region Belgorod, die an die ukrainische Region Charkiw angrenzt, werden mittlerweile Menschen evakuiert, nachdem Russland seine Armee aus sämtlichen Positionen jenseits der Grenze zur Ukraine zurückgezogen hat. Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow hat die Bewohner der Dörfer Schurawlewka und Nechotejewka aufgefordert, ihre Häuser vorübergehend zu verlassen.

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3 Kommentare

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  • Wenn es die Helden der Ukraine nicht gebe, dann wäre Europa längst in Gefahr. Wir müssen ihnen danken, sie verteidigen mit ihrem Leben die Freiheit Europas.



    Und Deutschland muss endlich aufhören zu zaudern und liefern. Gut, dass es die USA, UK, das Baltikum und Polen gibt. PArtner, auf die die Ukraine sich in der Not verlassen kann.

  • Einige Kommentator_innen sind dieser Tage merkwürdig still.

  • In den besetzten Ortschaften war Folter, Mord, Plünderung im allgemeinen an der Tagesordnung. In ' fast jedem Ort '. (FAZ). Ebenso der Guardian, dort wird aber auch von einer Ortschaft berichtet, in der sich russische Soldaten anders verhalten hätten und ihre Distanz zu ihrer Führung zum Ausdruck gebracht hätten.