Russische Ultranationalisten: Schirinowski für Ukraine-Aufteilung
Polen, Ungarn, Rumänien: Der Chef der Ultranationalisten bietet diesen Ländern den Westen der Ukraine an. Auf der Krim werden die letzten ukrainischen Fahnen eingeholt.
MOSKAU/KIEW/WARSCHAU dpa/rtr | Zur Lösung der Krise in der Ukraine hat die russische Parlamentspartei des Ultranationalisten Wladimir Schirinowski eine Aufteilung des Landes ins Spiel gebracht. Es seien Briefe an die Regierungen in Polen, Rumänien und Ungarn gegangen mit Vorschlägen, sich in den angrenzenden ukrainischen Gebieten für Volksentscheide einzusetzen, damit die Menschen dort wie auf der Halbinsel Krim über einen Anschluss an „historische Regionen“ entscheiden könnten. Das teilte Schirinowskis Liberaldemokratische Partei Russlands (LDPR) am Montag in Moskau mit.
„Ich denke, dass nicht nur russische Erde wieder unter die russische Flagge zurückkehren sollte, sondern natürlich auch die westlichen Gebiete der Ukraine zu Polen, Ungarn und Rumänien“, hatte Schirinowski unlängst gesagt. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien in der Ukraine auf einem Staatsgebiet Völker zusammengekommen, die kulturell und psychologisch nichts gemein hätten.
Die Westukraine wurde 1945 in der heutigen Form der damaligen Sowjetunion angeschlossen. Das polnische Außenministerium bestätigte den Erhalt eines offiziellen Schreibens der Partei der russischen Duma, äußerte sich aber nicht zum Inhalt. „Die Vorschläge sind so kurios, dass niemand sie ernst nimmt“, sagte der Sprecher des polnischen Außenministeriums, Marcin Wojciechowski.
Unterdessen fordert das ostukrainische Gebiet Donezk von der Regierung in Kiew eine größtmögliche Dezentralisierung. Das sagte der Vorsitzende des Gebietsparlaments, Andrej Schischazki, am Montag vor Journalisten in Donezk. „Ich bin für eine einige, ungeteilte Ukraine“, bekräftigte er. Doch Besonderheiten jeder Region müssten berücksichtigt werden. Sie sollten weitgehend über die von ihnen erarbeiteten Steuern bestimmen können. Die Führung in Kiew könne zudem Vertrauen im Osten gewinnen, wenn sie Russisch zur zweiten Staatssprache mache. Schischazki stellte klar, dass in Donezk kein Referendum vorbereitet wird. Prorussische Demonstranten fordern eine Volksabstimmung wie auf der Krim über einen Anschluss an Russland.
Mit Blendgranaten auf den Marinestützpunkt
Derweil beugt sich die Ukraine dem russischem Druck und zieht ihr Militär von der Halbinsel Krim ab. Damit solle Leib und Leben der Soldaten und ihrer Familien geschützt werden, sagte der ukrainische Präsident Alexander Turtschinow am Montag. Zuvor waren russische Truppen mit Waffengewalt auf den Marinestützpunkt Feodosia vorgerückt, einen der letzten ukrainischen Militärposten auf der Krim.
Die Bundesregierung forderte Moskau auf, ein Blutvergießen in der Ukraine zu verhindern. Die Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) wollen am Rande eines Atom-Gipfels in Den Haag über die Ukraine-Krise beraten. Die EU und die USA haben schon Kontensperren und Einreiseverbote gegen Einzelpersonen verhängt. Sie wollen die Regierung in Moskau zum Einlenken bewegen, die die Halbinsel im Eilverfahren in die Russische Föderation eingegliedert hat.
Turtschinow sagte, das Verteidigungsministerium sei angewiesen worden, das ukrainische Militärpersonal von der Krim abzuziehen. Es solle sich auch darum kümmern, dass deren Angehörige unversehrt zurückkämen. Das ukrainische Militär hatte am frühen Morgen erklärt, russische Soldaten hätten bei der Besetzung Feodosias Blendgranaten und Automatikwaffen eingesetzt, während ukrainische Soldaten unbewaffnet gewesen seien. Offiziere seien für Verhöre weggebracht und ukrainische Fahnen eingeholt worden. Am Samstag waren russische Soldaten in den Stützpunkt Belbek eingerückt.
Die Bundesregierung erklärte, Kanzlerin Angela Merkel habe dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Sonntag in einem Telefonat erklärt, dass die Krim-Eingliederung gegen das Völkerrecht verstoße und nicht anerkannt werde. Positiv sei zu werten, dass im dem Gespräch auch von Putin die Entsendung internationaler Beobachter begrüßt worden sei, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Dies sei ein erster Schritt, um einer weiteren Eskalation vorzubeugen. „Weitere positive Schritte waren in dem Gespräch nicht festzuhalten.“ Merkel habe in dem Telefonat auf beunruhigende Sachverhalte hingewiesen, wie etwa Meldungen über russische Truppenstationierungen an der Grenze zur Ukraine.
Die russische Bank Rossija warnte derweil ihre Kunden vor Folgen der US-Sanktionen. Vorerst sollten keine Zahlungen und Überweisungen mehr in Fremdwährungen auf Konten bei der Bank vorgenommen werden, erklärte das Institut, das von US-Behörden als Bank der russischen Elite angesehen wird. Sie steht ebenso wie ihr Verwaltungsrats-Chef und größter Aktionär Juri Kowaltschuk auf der US-Sanktionsliste. Rossija hat nach US-Angaben Geschäftsbeziehungen zu etlichen Geldhäusern in den USA und Europa.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht