Russische Kriegspropaganda für Kinder: Böser Mikola und guter Wanja
Moskaus Propaganda richtet sich auch an Kinder, wie ein Animationsfilm offenbart. Selbst in Schulklassen wird die Wahrheit über den Krieg verdreht.
„Russland ist für den Frieden“ – das ist die Schlusseinstellung des Animationsfilms „Das Märchen von Wanja und Mikola“.
„Zeigen Sie Ihren Kindern dieses Märchen“, bewirbt der Staatssender Rossia 1 den Propagandastreifen. Kinder erfahren von dem Jungen Mikola, der mit Wanja in eine Klasse geht. Dann aber wechselt Mikola die Klasse, findet neue Freunde und beginnt seine früheren Klassenkameraden mit einem Stock zu schlagen.
Um jegliche Zweideutigkeit auszuschließen, hat man Wanja und seine Klassenkameraden in einen blau-rot-weißen Pullover gesteckt. Mikolas Pulli ist blau-gelb. Auf der Brust seines neuen Freundes prangt unverkennbar die amerikanische Flagge, der andere Freund trägt Schwarz-Rot-Gold. Stimmen haben diese Figuren keine, es gibt nur einen Kommentar.
Als Wanja Mikolas Stock kaputt macht, erklärt die weibliche Stimme: „Da wurde Wanja angeschrien, er soll Mikola nicht schlagen. ‚Aber ich habe ihm doch nur den Stock weggenommen‘, sagte er. Die anderen aber haben ihn nicht gehört, da Mikola ganz laut geschrien hat: ‚Es war Wanja, der mich geschlagen hat!‘“ Der erste Teil des Clips endet mit einer Gretchenfrage, die auf den Bildschirm projiziert wird: „Warum habt ihr geschwiegen, als Mikola all die Kinder geschlagen hat?“
Das Gleichnis geht über in die Interpretation der Ereignisse. „Die Ukraine hat versprochen, das Lugansker Gebiet und das Donbass-Gebiet nicht mehr zu bombardieren, hielt sich aber nicht daran. Da hat sich Russland entschlossen, der Ukraine die Waffen wegzunehmen.“ Die Szene aus dem „Märchen“ mit Mikolas neuen Freunden wird nochmal eingeblendet und unterlegt: „Einige Länder beschuldigen jetzt Russland, einen Krieg gegen die Ukraine vom Zaun gebrochen zu haben.“
Für die Klassen 7–9 und 9–11 gibt es seit 28. Februar eine methodische Anleitung des Bildungsministeriums unter der Bezeichnung „Politinformation“ (sie liegt der taz vor). Die LehrerInnen bekommen einen Text für den Frontalunterricht an die Hand und die „richtigen“ Antworten, falls die SchülerInnen fragen: „Führt Russland Krieg gegen die Ukraine?“
Die korrekte Antwort lautet: „Wir führen keinen Krieg gegen die Ukraine. Das ist eine spezielle Friedensoperation mit dem Ziel, dort die Nationalisten aufzuhalten, die die russischsprachige Bevölkerung unterdrücken. Das Ziel ist die Verteidigung der Menschen, an denen vom Kiewer Regime ein Genozid verübt worden ist. Darum arbeiten wir an der Demilitarisierung und Denazifizierung der Ukraine.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“