Russen in Brennelementefabrik im Emsland: Putins Atommaschinen im Möbellager
Der Betreiber der Brennelementefabrik bestätigt Recherchen von Atomkraftgegner:innen: Russische Atommaschinen sind im Lingener Gewerbegebiet.
Framatome-ANF bestätigte am Freitag auf taz-Anfrage entsprechende Recherchen von Atomkraftgegner:innen. Man habe das niedersächsische Umweltministerium „über die Adresse der Halle mit den Maschinen informiert“, sagte ein Sprecher.
Das von dem Grünen Christian Meyer geführte Ministerium muss nun über den Antrag auf Erweiterung der Fabrik entscheiden. Am Donnerstag hatten Anti-Atom-Initiativen berichtet, sie hätten den Ort in Lingen entdeckt, an dem der russische Atomkonzern Rosatom heimlich und ohne Genehmigung errichtete Maschinen zur Produktion von AKW-Brennelementen versteckt habe.
Es handele sich um ein ehemaliges Möbelhaus im Gewerbegebiet, so die Anti-Atom-Organisation „.ausgestrahlt“ und das „Bündnis AgiEL – Atomkraftgegner:innen im Emsland“. Die Aktivist:innen beschreiben den Ort als „schnöde weiße Halle: Kahle hohe Wände, ein grauer Vorplatz, ein Firmenschild ist nirgendwo zu sehen. Nur wer näher tritt, bemerkt die zugeklebten Scheiben, die frisch installierten Überwachungskameras, den einsamen Wachmann, der irgendwann angelaufen kommt.“ Vor dem Gebäude in der Straße Darmer Esch haben die Initiativen inzwischen ein großes Hinweisschild mit der Aufschrift „Putins geheime Atom-Maschinen“ platziert.
Bereits Schulungen vor Ort
Bereits Anfang Mai hatten „.ausgestrahlt“ und „AgiEL“ aufgedeckt, dass Framatome-ANF ungeachtet des laufenden Genehmigungsverfahrens die Vorbereitungen für den Ausbau vorantreibt. Das Unternehmen musste einräumen, dass Mitarbeitende des russischen Atomkonzerns Rosatom bereits vor Ort sind – und dass sie die Maschinen, für deren Aufbau Framatome eine Genehmigung beantragt hat, bereits zusammenbauen, konfigurieren und testen. Außerdem sollen schon Schulungen für die Mitarbeitenden von ANF durchgeführt worden sein. Den Ort des Geschehens aber hielt die Atomfabrik geheim. Bereits vor mehreren Monaten hatte Framatome-ANF eine Kooperation mit Rosatom mit Sitz in Lyon gegründet.
„Wochenlang hat Framatome-ANF den Standort seiner geheimen Außenstelle verschwiegen“, sagt nun Alexander Vent vom Bündnis AgiEL. Er verwies darauf, dass es mehr als 10.000 Einwendungen gegen den geplanten Atom-Deal mit Russland gebe.
„Die Öffentlichkeit soll daher wissen, wo die Brennelementefabrik Lingen mit Rosatom gemeinsame Sache macht. Die Öffentlichkeit soll wissen, wo Putins geheime Atom-Maschinen getestet werden. Die Öffentlichkeit soll wissen, wo die Abgesandten des Kreml in aller Ruhe Kontakte zu den Mitarbeitenden von ANF knüpfen durften.“ Nach den Worten von Bettina Ackermann, Rosatom-Expertin bei „.ausgestrahlt“, will Framatome „im Verborgenen Sicherheitsregeln umgehen und Fakten schaffen am Gesetz vorbei“.
Das Errichten der Maschinen sei illegal, denn die beantragte atomrechtliche Genehmigung dafür liege noch nicht vor. Die Aktivist:innen sehen Rosatom als „ein Werkzeug des Kreml“. Das Staatsunternehmen bündele alle nuklearen Aktivitäten des Landes, vom Uranabbau bis zu den Atomwaffen, und sei aktiv am Krieg gegen die Ukraine beteiligt, etwa durch die Besetzung des AKW Saporischschja.
„Umweltministerium muss klare Kante zeigen“
Den vermuteten Aufbau der neuen Maschinen durch russische Spezialisten von Rosatom halten die Initiativen auch für ein Sicherheitsrisiko, weil sie die Grundlage für Spionage und Sabotage lege. „Das Umweltministerium darf sich nicht länger wegducken, sondern muss endlich klare Kante zeigen“, fordern Vent und Ackermann. „Die Atomaufsicht muss einschreiten und die Anlagen umgehend konfiszieren.“
Unterdessen beklagt sich Framatome-ANF über ein stockendes Genehmigungsverfahren. Man habe den Genehmigungsantrag vor 27 Monaten eingereicht, so der Firmensprecher zu taz. Die Einspruchsfrist sei seit mehr als drei Monaten abgelaufen. Aber noch immer habe Framatome-ANF keine Informationen und insbesondere kein Datum für den atomrechtlichen Erörterungstermin bekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Wohnungslosigkeit im Winter
Krankenhaus schiebt Obdachlosen in die Kälte