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Rundgang durch die Sixtinische KapelleVoll die Vatikan-Experience

Ein paar Tage lang Mittelpunkt nicht nur der katholischen Welt: die Sixtinische Kapelle. Nur die Kardinäle hatten freie Sicht auf das Deckengemälde.

Das Jüngste Gericht: Himmelblau. Fleischrosa. Apokalypsegelb Foto: IMAGO/Zoonar.com/Marco Brivio

Ob man in der Sixtinischen Kapelle noch die Touristenströme hören konnte, als das Konklave zusammentrat, ist nicht bekannt. Fast wünscht man sich, dass das Echo platschiger Flipflops auf Marmor die Kardinäle an ihre weltlichen Schützlinge erinnerte.

Knapp fünf Millionen Menschen quetschen sich jährlich durch den Vatikan – nach dem Tod eines Papstes werden die Massen schlicht umgeleitet. Das Vatikanmuseum funktio­niert wie ein Ikea voller Sakralkunst – Abweichen vom Weg ist unmöglich. Also beginnt das Schieben: vorbei an schamlos ausgestellten sterblichen Überresten, weltweit geraubt aus den Gräbern Andersgläubiger, vorbei an antiken Skulpturen, opulenten Wandgemälden – und Aufforderungen, seine „Vatikan-Experience“ auf Instagram zu teilen.

Selbst die größte Religion der Welt braucht reach. Nur mehr echten traffic braucht sie wirklich nicht. Irgendwann fällt einem das Atmen schwer, den Versuch, etwas zu sehen, hat man längst aufgegeben, wenn man endlich die Kapelle erreicht. Dabei will man doch nur Adams Finger finden.

Etwas Kontemplation an dem Ort, der nicht nur für Katholiken das Zentrum der Welt ist, sondern auch für ungläubige Kunsthistorikerinnen. Man will die grellen Farben sehen, die erst seit den 1980ern wieder unter dem Kerzenruß der Jahrhunderte hervorgetreten sind. Himmelblau. Fleischrosa. Apokalypsegelb.

Man will die Beinkleider des Jüngsten Gerichts erkennen, die „il Braghettone“ – Daniele da Volterra, der Hosenmaler – nachträglich auftrug. Und man will da Cesena entdecken, den päpstlichen Zeremonienmeister, den Michelangelo aus Wut in die Hölle malte: mit Eselsohren, nackt, von einer Schlange gefesselt.

Dem sterblichen Besuchenden aber ist nichts davon gegönnt. „Miss, keep moving“, hallt es im Stakkato. Nur die Kardinäle durften sich hier frei bewegen. Und zwischendurch sogar in Ruhe den Kopf in den Nacken legen.

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2 Kommentare

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  • Vermutlich sollen die hier eingesetzten englischen Vokabeln 'Internationalität' der Insel Vatikan suggerieren - genauso wie etwa in der Würzburger Residenz, in der ich mich heute wieder einmal 'in the upper rooms' herumgetrieben habe - wo inzwischen auf französische oder gar andere Untertitel zugunsten des English ganz verzichtet wird.



    Allerdings frage ich mich doch, was hier im Blick auf "die größte Religion der Welt" mit Vokabeln wie 'reach' und 'traffic' eigentlich ausgesagt werden soll. Es scheint um die Frage zu gehen, inwieweit der im Vatikan zur Schau gestellte Katholizismus diejenigen, die da herumlaufen, anzusprechen vermag. Allerdings wirken diese englischen Wörter, die sich den Anschein (oder die Aura?) zeitgemäßer Fachbegriffe geben, auf mich wie Nebelkerzen - sorry.



    Irgendwie komme ich mir veräppelt vor, ungefähr so, wie es mir heute nach dem Besuch der Residenz im Café erging:

    - "Darf ich das Geschirr hier



    deponieren?"



    - "Look behind you, please..."



    - "You need not speak English to me, I 'm



    a German."

    Brave new world.

  • Voll die Experience, ey! Herrlich geil.