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Rüstungsexporte in KriegsgebietWaffen für fast eine halbe Milliarde Euro

Deutschland hat nach dem Angriff der Hamas in großem Stil Rüstungsgüter nach Israel geliefert. Ob die neue Regierung diese Praxis fortführt, ist offen.

Will weitere Rüstungsexporte an Israel prüfen: Außenminister Johann Wadephul (CDU) Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin dpa/taz | Seit dem Terrorangriff der Hamas vor fast 20 Monaten hat die Bundesregierung Rüstungsexporte für fast eine halbe Milliarde Euro an Israel genehmigt. Vom 7. Oktober 2023 bis zum 13. Mai 2025 wurde die Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstung im Wert von 485,1 Millionen Euro an Israel erlaubt, wie aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Ob auch die neue Regierung von Union und SPD nach ihrem Amtsantritt am 6. Mai Exportgenehmigungen erteilt hat, geht aus dem Schreiben des Staatssekretärs Bernhard Kluttig nicht hervor. Bundesaußenminister Johann Wadephul hatte zuletzt weitere Genehmigungen in einem Interview der Süddeutschen Zeitung infrage gestellt.

Es werde geprüft, „ob das, was im Gazastreifen geschieht, mit dem humanitären Völkerrecht in Einklang zu bringen ist“, sagte der CDU-Politiker. „An dieser Prüfung ausgerichtet, werden wir gegebenenfalls weitere Waffenlieferungen genehmigen.“ Auf die Frage, ob dies auch dazu führen könne, dass Waffenlieferungen nicht genehmigt würden, bekräftigte Wadephul: „Das sagt ja die Formulierung.“

Klage in Den Haag

Die Union ist in dieser Frage allerdings uneins. Wie Wadephul hatte auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zuletzt seine Rhetorik gegenüber Israel deutlich verändert. Wenn das humanitäre Völkerrecht gebrochen werde, müsse sich auch der Bundeskanzler dazu äußern. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann hingegen lehnt jede Form von Sanktionen gegen Israel ab. „Freunde kann man kritisieren, aber nicht sanktionieren. Das wäre das Ende der Staatsräson gegenüber Israel, und das ist mit der CSU nicht zu machen“, sagte Hoffmann dem Spiegel.

Um die deutschen Rüstungslieferungen an Israel gibt es seit Monaten Diskussionen. Beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag ist eine Klage des lateinamerikanischen Landes Nicaragua anhängig, das Deutschland wegen der Rüstungsexporte der Beihilfe zum Völkermord beschuldigt. Ende April 2024 wiesen die Richter einen Eilantrag zum Stopp der Lieferungen zwar ab. Der Forderung Deutschlands, die Klage Nicaraguas ganz zurückzuweisen, entsprachen sie aber nicht.

Der Linken-Verteidigungspolitiker Ulrich Thoden forderte von der Bundesregierung eine sofortige Einstellung aller Waffenlieferungen an Israel. „Anderenfalls könnte sie sich der Beihilfe zu Völkerrechtsverbrechen schuldig machen.“

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6 Kommentare

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  • Wenn wir Israel in einem Krieg nicht einmal mehr durch Waffenlieferungen unterstützen wollen, können wir meiner Meinung nach auch auf die Gedenkfeiern etc. zur Erinnerung an die sechs Millionen von uns getöteten jüdischen, unschuldigen Menschen verzichten. Die wäre dann sehr deutlich nur noch Heuchelei. Um die getöteten jüdischen Menschen (vorgeblich?) trauern und Verantwortung übernehmen wollen, aber die jetzt lebenden jüdischen Menschen offensichtlich nicht (be-)schützen zu wollen, ist infam.

    Ich hoffe, es kommt nicht so weit, habe aber leider keinen Einfluss.

    • @*Sabine*:

      Wie man der Meinung ist unsere Verbrechen in der Vergangenheit zu sühnen, indem man Verbrechen an anderen unterstützt werd ich nie verstehen. Und eine Regierung uneingeschränkt zu unterstützen, da sollten wir auch besser wissen was das für negative Folgen haben kann. Dann noch eine Regierung uneingeschränkt zu unterstützen die rechts und etliche auch in der Likud nicht nur den Koalitionspartner rechtsradikal sind, seit Monaten genozidale Äußerungen tätigen, offen eine Politik von Völkerrechtsbrüchen vertreten sei es durch neue Siedlungen, Annexion von Land, illegale Besatzung (auch in Syrien) oder aber der geplanten Vertreibung von 2 Millionen Menschen (Kriegsführung in Gaza ausgeblendet, die auch geprägt ist von Völkerrechtsbrüchen) ist für mich völlig unverständlich. Das dies dann auch noch alles mit unseren Verbrechen gerechtfertigt wird, dafür finde ich kaum Worte. Da hat man die komplett falschen Lehren gezogen. Die hätten sein müssen das Menschen alle gleich sind mit gleichen Rechte und den gleichen Wert haben, genauso wie Völkerrecht für alle gilt und man die Sicherheitsbedenken der einen nicht über unveräußerliche Rechte (Selbstbestimmungsrecht) der anderen stellt.

      • @Momo Bar:

        "Die hätten sein müssen das Menschen alle gleich sind mit gleichen Rechte und den gleichen Wert haben, genauso wie Völkerrecht für alle gilt und man die Sicherheitsbedenken der einen nicht über unveräußerliche Rechte (Selbstbestimmungsrecht) der anderen stellt."

        Ich stimme diesem Satz von Ihnen zu, bis auf einen Punkt: Es sind keine Sicherheitsbedenken, sondern konkrete Sicherheitsbedrohungen wie Sie wissen; seit dem ersten Tag der Gründung des Staates Israel. Israel kann vertrauen und darauf hoffen, dass die gegnerischen Parteien "nur reden und es nicht so meinen" oder sich schützen. Herr Netanjahu ist meiner Meinung nach zuallererst der Sicherheit seiner eigenen BürgerInnen verpflichtet. Der 07.10.23 hat meiner Meinung nach gezeigt, dass es ohne Schutz nicht geht. Nicht mal die, das soll nicht abwertend klingen, "harmlosen, alten Leutchen", wie beispielsweise Vivian Silver oder KZ-Überlebende meinte man am Leben lassen zu können.

    • @*Sabine*:

      Heuchelei?



      Heuchelei ist seinen antimuslimischen Rassismus hinter Philosemtismus zu verstecken.



      Heuchelei ist es, die deutsche Unterstützung für einen Völkermord an den Palästinensern mit unserer historischen Verantwortung zu begründen.



      Darüber hinaus ist es höchst anmaßend, dass Sie das Gedenken an den Holocaust derart abtun. Es gibt genug jüdische Menschen, die diese Waffenlieferungen ablehnen, genauso wie den Krieg in Gaza oder die illegale Besatzung im WJL. Diese Juden pfeifen also auf das Gedenken? Schon ein starkes Stück, Sabine.

    • @*Sabine*:

      Wäre es nicht eher heuchelei, der eigenen Kriegsverbrechen zu gedenken, aber Kriegsverbrechen in anderen Ländern dann mit Waffenlieferungen zu unterstützen?



      Ich sehe keinen widerspruch darin, den getöteten Juden (und übrigens auch den anderen Bevölkerungsgruppen, es waren nicht nur Juden) von damals zu gedenken und den Staat Israel (der nicht repräsentativ für alle Juden steht) heute nicht bei Verbrechen gegen Unschuldige zu unterstützen. Das Argument alle Palästinenser wären schuldig, weil ja die Hamas bliblablubb lasse ich hier nicht gelten.

  • Natürlich sind Waffenlieferungen in Kriegsgebiete zu überdenken, zumal Israel ja zur gewissenlosen Zerstörungskraft geworden ist.