Rückzug der Rebellen in Äthiopien: Kein Frieden in Sicht
Tigrays Rebellen haben sich zurückgezogen und machen den Weg für humanitäre Hilfe frei. Doch die äthiopische Regierung denkt nicht an Frieden.
E rst sechs Wochen ist es her, da befanden sich Tigrays Rebellen auf dem Vormarsch Richtung Addis Abeba. Internationale Diplomaten ließen sich aus der äthiopischen Hauptstadt evakuieren, Rebellen anderer äthiopischer Regionen vollzogen den Schulterschluss mit den Tigray-Kämpfern.
Internationale Emissäre sondierten bei der äthiopischen Regierung in Addis Abeba und der Tigray-Führung in Mekelle, wie eine weitere Zuspitzung des Krieges bis hin zum Völkermord an Tigrayern im Regierungsgebiet zu vermeiden wäre. Eine Überlegung: Tigrays Truppen stellen ihren Vormarsch ein und ziehen sich nach Tigray zurück, im Gegenzug beendet Äthiopiens Regierung ihre Hilfsblockade der abtrünnigen Region. Dann könnten beide Seiten vor dem Hintergrund eines Waffenstillstands miteinander verhandeln.
Nun haben sich Tigrays Rebellen tatsächlich nach Tigray zurückgezogen. Aber das ist nicht das Ergebnis eines Friedensprozesses, sondern folgt aus einer militärischen Niederlage. Frisch eingekaufte Kampfdrohnen haben Äthiopiens Armee zumindest vorläufig eine militärische Überlegenheit verliehen. Reihenweise haben sie Panzer und schwere Artillerie zerstört, Nachschubkolonnen bombardiert, feindliche Kämpfer massakriert. Ähnlich wie in Bergkarabach und in Libyen wirkten Drohnen auch im zentraläthiopischen Hochland kriegsentscheidend.
Tigrays Rebellen stellen ihren Rückzug jetzt als Schritt in Richtung Frieden dar. Aber Äthiopiens Regierung denkt überhaupt nicht daran. Vielmehr verstärkt sie nun ihre Drohnenangriffe auch gegen die Zivilbevölkerung. Am liebsten möchte sie den Krieg erneut nach Tigray hineintragen – und diesmal den Endsieg davontragen, getreu der Devise von Ministerpräsident Abiy Ahmed, die Rebellen seien Terroristen, die man auslöschen sollte.
An einer Friedenslösung, die die Interessen beider Seiten berücksichtigt, führt kein Weg vorbei, wenn man nicht den Tod weiterer Zehntausender in Kauf nehmen will. Und zugleich ist dieser Weg derzeit unauffindbar. Es wird über Weihnachten noch viel Blut fließen in den äthiopischen Bergen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen