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Rücktritt gefordertSenator unter Beschuss

Nach der unfreiwilligen Freilassung eines Sexualstraftäters hat die Opposition die Hatz auf Hamburgs Justizsenator eröffnet

Sitzt in der Zwickmühle: Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) Foto: Daniel Reinhardt/dpa

HAMBURG taz | Die Anmoderation erinnert an eine Bild-Schlagzeile: „Chaos in der Justiz – Skandal-Senator Steffen ist Sicherheitsrisiko für unsere Stadt“, titelt die CDU ihren Beitrag für die heutige Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft. Die Hatz auf Till Steffen, einen der drei grünen Senatoren der Stadt ist damit in vollem Gange.

So richtig eröffnet wurde sie am Montag, als die Vizechefin der Hamburger FDP-Fraktion, Anna von Treuenfels-Frowein, von Steffen forderte, er möge wegen nachgewiesener Überforderung „seinen Hut nehmen“.

Der Anlass für die Rücktrittsforderung lässt Steffen in der Tat nicht gut aussehen: Am 2. Mai wurde ein zu Sicherheitsverwahrung verurteilter Sexualstraftäter auf Anordnung des Oberlandesgerichts (OLG) auf freien Fuß gesetzt – die Justizvollzugsanstalt Hamburg-Fuhlsbüttel hatte es zuvor nicht geschafft, dem 5o-Jährigen fristgerecht einen Therapieplatz zu organisieren.

Bleibt nur Schadensbegrenzung

Der Wiedergänger

Nicht zum ersten Mal ist Till Steffen seit 2015 Hamburgs Justizsenator. Bereits von 2008 bis 2010 bekleidete er dieses Amt im schwarz-grünen Senat.

Geboren wurde Steffen 1973 in Wiesbaden. Er studierte Jura in Mainz, Hamburg und Aberdeen. 1997 kam er nach Hamburg und arbeitete als Rechtsanwalt.

Mitglied der Grünen ist Steffen seit 1990. 1994 gründete er die Grüne Jugend mit und gehörte dem ersten Bundesvorstand an.

2014 trat Steffen für die Spitzenkandidatur der Grünen bei der Bürgerschaftswahl 2015 an. Er unterlag mit 124 zu 131 Stimmen knapp gegen Jens Kerstan.

Zwar wurde der wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern verurteilte Mann bereits am 6. Mai wieder festgesetzt – der bereits losgebrochene Sturm der Entrüstung entwickelte sich dennoch zum nicht mehr abflauenden Orkan. Seitdem bemüht sich Steffen um Schadensbegrenzung, die Opposition um Dauerbeschuss.

Das Prozedere wirkt rituell. Denn Justizsenatoren geraten in genau drei Situationen automatisch ins Fadenkreuz: Wenn ein Straftäter aus dem Knast flieht, wenn er nach seiner umstrittenen Entlassung neue Straftaten begeht, oder wenn er auf freien Fuß gesetzt werden muss, weil er nicht fristgerecht vor Gericht gestellt oder in eine angeordnete Therapie gesteckt wurde. Handelt es sich bei den Freigekommenen wie in diesem Fall um einen „Kinderschänder“, geht die Empörung stets durch die Decke.

„Ich bedaure sehr, dass es zu dieser Entlassung gekommen ist“, verteidigt sich Steffen. „Ich bin selbst Vater, ich weiß, welche Ängste das berührt.“ Der Grüne rechtfertigt sich damit, dass er erst am 1. März von dem aktuellen Fall erfahren habe und die Entlassung nicht mehr verhindern konnte.

Entschlossen – aber zu spät

„Justizsenator Steffen hat ab dem Moment, als er von dem Vorgang Kenntnis bekam, entschlossen gehandelt“, springt ihm die justizpolitische Sprecherin der Grünen, Carola Timm, bei. Sie registriert dabei nicht, wie die Worte „ab dem Moment“ ihr Senatorenlob pulverisieren.

Steffen sitzt damit in der Zwickmühle, die schon viele Politiker den Job gekostet hat: Hat er schon früh von einem sich anbahnenden Problem erfahren, dann hat er zu spät gehandelt. Wurde er aber erst spät unterrichtet, dann hat er seine Behörde nicht im Griff. „Sollte Steffen nicht informiert gewesen sein, muss er sich dieses Nichtwissen zurechnen lassen“, ätzt Treuenfels-Frowein.

Strafverschärfend kommt hinzu, dass der aktuelle Fall nicht der erste auf Steffens Mängelliste ist. Im Mai 2015 mussten zwei Totschläger wegen überlanger Verfahrensdauer aus der Haft entlassen werden. Im Oktober ordnete dann das OLG wegen eines zu späten Prozesstermins die Entlassung eines mutmaßlichen Messerstechers aus der U-Haft an.

Rechtfertigung als Bausatz

Die Reaktionen auf solche Vorfälle stammen, auch bei Steffen, aus einem begrenzten Verteidigungsrepertoire. Die Entlassung der Totschläger wurde als das Ergebnis einer „Verkettung unglücklicher Umstände“ und „Einzelfall“ bagatellisiert.

Nun kombiniert Steffen die Bausteine „Behördenschelte“ („Ich hätte erwartet, früher informiert zu werden“), „Sofortmaßnahmen“ und „brutalst mögliche Aufklärung“ der Vorfälle – alles Reaktionen, die so unoriginell wie alternativlos sind.

Auch wenn FDP und CDU am heutigen Mittwoch in der Bürgerschaft noch einmal so richtig auf Steffen eindreschen, so wissen sie doch, dass sie seinen Kopf nicht kriegen werden. Es geht nur darum, den Senator zu beschädigen und geduldig auf den nächsten Straftäter oder Angeklagten zu warten, der auf freien Fuß kommt, obwohl er es nicht sollte. Dann könnte Steffen fällig sein.

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