Rücktritt des SPD-Generalsekretärs: Die Schwierigkeit des Linksbleibens
Kevin Kühnert hat die Politik bereichert. Junge Linke werden mehr zwischen eigenen Idealen und Regierungsrealität zerrieben als alte Machtmenschen.
D er überraschende Rückzug von Kevin Kühnert aus der Politik ist in vieler Hinsicht tragisch. Natürlich vor allem für den Menschen selbst, der schon mit 35 Jahren aus gesundheitlichen Gründen seinen Beruf vorläufig aufgibt, der für ihn eindeutig auch Berufung ist. Für die SPD ist sein Ausscheiden ein schwerer Verlust, weil weit und breit keine anderen jungen SozialdemokratInnen seines politischen Formats und rhetorischen Talents in Sicht sind. Gerade im anstehenden Bundestagswahlkampf bräuchte die SPD diese Fähigkeiten dringend. Ja, auch in Talkshows und bei Tiktok.
Kühnerts Nachfolger als Generalsekretär, Matthias Miersch, ist 55; er mag klug und in der Partei anerkannt sein, aber in der Außenwelt kennt ihn kein Mensch. Dass er noch zu einem politischen Popstar wie der frühere Juso-Chef wird, ist eher unwahrscheinlich. Aber nicht nur die SPD wird Kühnert vermissen.
Mit seinem Auftreten hat er die politische Kultur im Land bereichert, weil er in der Sache klar und deutlich, aber fast immer auch mit Achtung und Interesse für andere Meinungen argumentierte. Das gelingt im zunehmend polarisierten Zack-zack-Betrieb in Politik und (sozialen) Medien leider nur noch wenigen.
Wenn es etwas Gutes an Kühnerts Rücktritt gibt, dann das kurze Innehalten, das nach der Eilmeldung auch bei politischen KontrahentInnen zu spüren war, die ihm über die üblichen Floskeln hinaus Respekt und Empathie zukommen ließen. Wahrscheinlich auch, weil sich der früher radikale No-GroKo-Kämpfer zum geschmeidigen Regierungsverteidiger gewandelt hatte. Dass er sich beim Scholz-Erklären oft bis zur Schmerzgrenze verbiegen musste, war ihm anzumerken, tat beim Zusehen weh und führte zu einem persönlichen Profilverlust des einstigen Vorzeigelinken.
Quadratur des Kreises beim Job
Das lag an seiner schwierigen Jobbeschreibung. An der Aufgabe, einerseits die eigenen Leute zu begeistern und andererseits loyal die Kompromisse und das Gemurkse in der Ampel mitzutragen, ist letztlich auch die 30-jährige Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang gescheitert. Auch sie sollte den linken Flügel ihrer Partei repräsentieren, auch sie musste sich aber dem zunehmenden Rechtsruck in Migrations- und Wirtschaftsfragen beugen, um nicht noch mehr Ampelstreit auszulösen.
Das Verbiegen ohne persönliche Konsequenzen scheint alten Machtmenschen und FDP-PolitikerInnen jeden Alters leichter zu fallen als jungen Linken wie Lang und Kühnert. Das ist bedauerlich, denn künftige Koalitionen dürften kaum leichter werden. Da werden dringend begabte Linke gebraucht, die das Wunderwerk können: Kompromisse schließen und trotzdem glaubwürdig als eigenständige Kraft erkennbar bleiben.
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