Rücktritt bei Ver.di: Führung mit der Keule
Der Landeschef der Gewerkschaft, Wolfgang Abel, hat das Handtuch geworfen. Vorausgegangen waren interne Konflikte über seinen Leitungsstil.
![](https://taz.de/picture/112365/14/c_verdi_chef_wolfgang_abel_HH_dpa.jpg)
HAMBURG taz | Die Entscheidung kommt nicht überraschend, der plötzliche Entschluss schon: Ver.di Landeschef Wolfgang Abel hat unmittelbar vor dem 1. Mai nach nur zwei Jahren Amtszeit seinen Rücktritt erklärt. Offiziell gibt er gesundheitliche Gründe an, gewerkschaftsintern ist jedoch längst bekannt, dass es im Ver.di-Gebälk krachte. „Die Spannungen müssen Ver.di-intern gelöst werden, es ist nicht meine Aufgabe, das nach außen hin zu kommentieren“, sagte Abel auf Anfrage der taz.
Das sehen andere anders: Es sei schon interessant, dass in Abels Rücktrittsschreiben „kein Wort der Selbstkritik“ zu finden sei, sagt eine Fachbereichsleiterin. Abel habe es nicht verstanden, eine pluralistische Gewerkschaft souverän zu leiten, sagt eine Ver.di-Betriebsratsvorsitzende. Stattdessen habe er versucht, Ver.di wie ein Unternehmen restriktiv zu führen und sich dem SPD-Bürgermeister Olaf Scholz zu unterwerfen.
Dabei kommt Abel eigentlich aus der progressiven Ecke. Anfang der neunziger Jahre als Landeschef der Postgewerkschaft galt Abel als DKP-nah. „Wir hatten in der Postgewerkschaft hochkarätige Funktionäre, das war aber immer geheim“, sagt ein Ex-DKP’ler.
Nachdem Abel als Leiter des Fachbereichs Post und Logistik die Ver.di-Landesleitung von Wolfgang Rose übernommen hatte, glänzte er zwar durch radikale Reden, intern wurde ihm allerdings ein autoritärer Führungsstil bis hin zum Mobbing vorgeworfen. Immer wieder korrigierte der ehrenamtliche Landesvorstand Abels Alleingänge.
Das hielt Abel nicht davon ab, den Ver.di-Fachbereichsleiter für besondere Dienstleistungen, Peter Bremme, abzumahnen, weil dieser die Lampedusa-Flüchtlinge in die Gewerkschaft aufgenommen hatte. „Die Spannungen, ausgelöst durch nicht abgestimmte Handlungen und öffentliche Erklärungen zur Lampedusa-Thematik, haben nicht nur zu zahlreichen Austritten, sondern auch zu bisher nicht gekannten Intrigen, Illoyalitäten und Zerwürfnissen in Ver.di Hamburg geführt“, schreibt nun Abel.
Zuvor hatte Abel eine Diskussionsveranstaltung mehrerer Ver.di-Fachbereiche über Sinn, Zweck und Unsinn der Elbvertiefung abblasen lassen. Seitdem steht gewerkschaftsintern das Wort „Elbvertiefung“ auf der roten Liste und wird durch die Vokabel „Fahrrinnenanpassung“ ersetzt. Selbst seine stellvertretende Landesleiterin Agnes Schreieder drohte er abzumahnen.
Das Fass zum Überlaufen brachte Abels einsamer Vorstoß, unmittelbar vor Beginn des Volksentscheids zur Rekommunalisierung der Strom und Gasnetze ein Betriebsräte-Seminar anzusetzen. Dort sollte mit Betriebsräten von Vattenfall und Eon gegen die Volksinitiative mobilisiert werden. Hauptreferent war Olaf Scholz.
Abel führt eine Entscheidung des ehrenamtlichen Ver.di-Landesvorstandes zur Unterstützung eines Kongresses über die 30-Stunden-Woche als Rücktrittsgrund an, weil die Veranstaltung von marxistischen Gruppen dominiert werde. Das klingt wenig glaubwürdig. Vielmehr scheint hier ein Gewerkschafter aufgrund seiner fragwürdigen Sozialisation in einer „progressiven“ Organisation gescheitert zu sein.
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