Rückbau des AKW Fessenheim: Muss Baden-Württemberg zahlen?
Das Ländle hat keine Ahnung, ob es für das Ende des französischen AKWs Milliarden bereitstellen muss. Denn die landeseigene EnBW mauert.
FREIBURG taz | Bizarre Folge des Aktienrechts: Selbst in den baden-württembergischen Landesministerien herrscht Unklarheit darüber, ob das Land als Gesellschafter der EnBW für den Rückbau des französischen Atomkraftwerks Fessenheim bezahlen muss. Denn die zugrundeliegenden Verträge sind geheim.
Die Konstellation geht zurück auf die Baugeschichte des Reaktors. Im Jahr 1972 beteiligte sich das Badenwerk mit 17,5 Prozent an den Baukosten der beiden Fessenheim-Blöcke. Im Gegenzug sicherte sich das damals komplett landeseigene Unternehmen vertraglich einen entsprechenden Anteil des erzeugten Stroms.
Bis heute muss der Rechtsnachfolger des Badenswerks, die EnBW, die fixen und variablen Kosten des Kraftwerks Fessenheim zum entsprechenden Anteil tragen, was auch Investitionskosten sowie Reparatur- und Nachrüstungsmaßnahmen einschließt.
Ministerium ohne „eigene Erkenntnisse“
Doch was ist mit den Kosten des Rückbaus? Die beiden Blöcke sollen 2016 altersbedingt abgeschaltet werden – da wird die Frage langsam aktuell. Die EnBW schreibt nun in ihrem jüngsten Geschäftsbericht, es bestehe „grundsätzlich das Risiko, dass sich die EnBW an den Kosten für den Kraftwerksrückbau beteiligen muss“. Das wäre für das Land Baden-Württemberg bitter, das heute fast 47 Prozent der EnBW-Anteile besitzt.
Zur Aufklärung des Sachverhalts wäre es nun hilfreich, wenn Landespolitiker einen Blick in die alten Verträge werfen könnten – doch der ist ihnen verwehrt. Selbst das Finanzministerium, das die Beteiligungen des Landes verwaltet, musste jüngst nach einer Anfrage von CDU-Abgeordneten eingestehen, ihm lägen „weder der Vertrag noch genaue Vertragsinhalte“ vor. Da die EnBW „die Herausgabe von Verträgen, die das operative Geschäft betreffen, abgelehnt“ habe, verfüge das Ministerium bezüglich der Rückbaukosten über „keine eigenen Erkenntnisse“.
Zwar sitzen der Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) und die Staatsministerin Silke Krebs (Grüne) Kraft ihres Amtes im Aufsichtsrat der EnBW und können daher die betreffenden Verträge einsehen. Doch aufgrund des Aktiengesetzes unterliegen sie einer umfassenden Verschwiegenheitspflicht – mit der Folge, dass sie über die Inhalte des Vertrags selbst den Ministerien und dem Parlament keine Auskünfte erteilen dürfen.
Also rätselt nun ganz Baden-Württemberg darüber, ob die EdF der EnBW eines Tages eine dicke Rechnung schicken wird oder nicht. Zwar betont die EnBW in ihrem Geschäftsbericht, dass nach ihrem Ermessen „dahingehend kein rechtmäßiger Anspruch des Kraftwerksbetreibers“ bestehe.
Externe Prüfung unmöglich
Aber diese Rechtsauffassung kann bislang kein Externer prüfen, weil die EnBW mauert: Einen Antrag zweier Zeitungen des Landes, die nach dem Landesumweltinformationsgesetz Einblick in die fraglichen Unterlagen erhalten wollten, lehnte der Konzern im vergangenen Herbst ab.
Eine der beiden Zeitungen, die Freiburger Wochenzeitung Der Sonntag, warnte nun, es werde ein „grundlegendes Funktionsprinzip unserer Demokratie“ – nämlich die Kontrolle der Regierung durch das Parlament im Auftrag der Bürger – ,„durch das Regelwerk einer Aktiengesellschaft außer Kraft gesetzt“. Das dürfe vor allem dann nicht sein, wenn diese Aktiengesellschaft „quasi ein Tochterunternehmen des Landes“ ist.
Auch unter den Bürgern wendet sich auf der deutschen Rheinseite die Stimmung zunehmend gegen die Landesregierung, die in dieser Sache als wenig engagiert wahrgenommen wird. Als vor einigen Monaten Helmfried Meinel, Ministerialdirektor im Umweltministerium, im badischen Müllheim ein Gutachten zur Sicherheit des Reaktors Fessenheim präsentierte, wollten die weit mehr als 100 Atomkraftgegner lieber über die EnBW-Beteiligung und die zugrundeliegenden Verträge reden – am Ende verließ der Landesvertreter ziemlich gerupft die Sitzung. Obwohl er eigentlich der eigenen Basis gegenüber stand.
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