"Ruby-Gate" geht in die nächste Runde: Nächster Angriff auf Italiens Justiz
Regierungschef Silvio Berlusconi steht ab Mittwoch wieder einmal vor Gericht. Kurz zuvor hat das Parlament den Richtern die Zuständigekeit für das Verfahren entzogen.
ROM taz | Begünstigung der Prostitution einer Minderjährigen, dazu noch Nötigung im Amt: Dies sind die Anklagen gegen Italiens Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Am Mittwoch beginnt in Mailand der Prozess. "Ruby-Gate" hat Italiens Presse den Skandal rund um die wilden Nächte des 74-jährigen Politikers und Medienzaren getauft; jetzt tritt dieser Skandal in die entscheidende juristische Phase, die zugleich zum Endspiel im seit fast 20 Jahre anhaltenden Feldzug Berlusconis gegen die Justiz werden dürfte.
Auf dem Papier riskiert Italiens Premier 15 Jahre Haft für die Vorfälle, die sich im Frühjahr 2010 zugetragen haben sollen. Insgesamt 13 mal soll die Marokkanerin Karima El-Mahroug alias Ruby damals in Berlusconis Anwesen "Villa San Martino" vor den Toren Mailands über Nacht zu Gast gewesen sein.
Bei den wilden Partys - sie liefen unter dem Titel "Bunga Bunga" - mit zahlreichen jungen Frauen soll Berlusconi sich der damals 17-jährigen Karima auch sexuell genähert haben. Deshalb muss er sich wegen Begünstigung der Prostitution einer Minderjährigen verantworten.
Juristisch noch schwerer wiegt der zweite Vorwurf der Nötigung im Amt. Unter Ausnutzung seiner Position als Premier soll Berlusconi in der Nacht vom 27. auf den 28. Mai 2010 die Freilassung Karimas aus dem Mailänder Polizeipräsidium erwirkt haben. Angeblich, so Berlusconi am Telefon gegenüber der Polizeiführung, sei das unter Diebstahlsverdacht festgenommene Mädchen "die Nichte Mubaraks".
Der Angeklagte ließ wissen, am Mittwoch werde er nicht vor Gericht erscheinen. Die erste Verhandlung dürfte sich auf reine Verfahrensfragen wie die Festlegung der nächsten Prozesstermine beschränken.
Glaubwürdigkeit Karimas erschüttern
Dann aber wäre großes Theater angesagt. Die Staatsanwaltschaft hat gut 130 Zeugen benannt, unter ihnen zahlreiche der Mädchen die regelmäßige Party-Gäste bei Berlusconi waren. Die Verteidigung bietet Minister auf (sie sollen bestätigen, dass Berlusconi ernsthaft an das Mubarak-Märchen glaubte). Zudem hat sie diverse Stars und Sternchen auf der Liste. Ihre Aufgabe: die Glaubwürdigkeit Karimas zu erschüttern.
Berlusconis wirkliche Abwehrschlacht aber ist politisch: Sie zielt darauf, die Justiz endgültig zu zähmen. In einem ersten Schritt verabschiedete das Parlament am Dienstag eine Entschließung, wonach nicht die Mailänder Kammer, sondern das "Ministertribunal" für Berlusconi zuständig sei, da er in Ausübung seiner Amtspflichten gehandelt habe. Über diesen Zuständigkeitskonflikt muss nun das Verfassungsgericht befinden.
Zugleich will die Rechtskoalition ein Gesetz durchs Parlament boxen, das die Höchstdauer von Prozessen sowie die Verjährungsfristen erneut einschränken soll. Denn Berlusconi steht auch in drei anderen Prozessen wegen Bestechung, Unterschlagung und Steuerhinterziehung vor Gericht - und die wären mit dem neuen Gesetz sofort erledigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund