piwik no script img

Rot-Grüne Minderheitsregierung in NRWSchwierig, aber nicht unmöglich

SPD und Grüne sind in Koalitionsverhandlungen gestartet - voller Optimismus. Die Ausgangslage für Hannelore Kraft ist jedenfalls besser als seinerzeit in Hessen für Andrea Ypsilanti.

Gemeinsam verbunden im Optimismus: Hannelore Kraft (SPD) und Sylvia Löhrmann (Grüne). Bild: apn

KÖLN taz | Mit demonstrativem Optimismus sind SPD und Grüne in ihre Koalitionsverhandlungen über eine rot-grüne Minderheitsregierung gestartet. "Die Atmosphäre war hervorragend", sagte die SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft nach der ersten Gesprächsrunde am Dienstag. "Wir wollen gemeinsam an einem Strang ziehen", sekundierte die grüne Landtagsfraktionschefin Sylvia Löhrmann. Am Freitag wollen die Verhandlungskommissionen erneut zusammentreffen.

Dass sich SPD und Grüne auf ein gemeinsames Regierungsprogramm verständigen werden, gilt als sicher. Wie lange das von ihnen angestrebte Experiment halten wird, ist hingegen noch nicht absehbar. Anders als von ihnen propagiert, werden sie nicht auf wechselnde Mehrheiten bauen können: CDU und FDP haben bereits unmissverständlich Fundamentalopposition angekündigt.

Allerdings ist die Ausgangsposition weitaus komfortabler als die für Andrea Ypsilanti und die SPD in Hessen 2008. Damals lagen SPD und Grüne zwei Mandate hinter Schwarz-Gelb und konnten sich deshalb nicht mehr als einen Abweichler aus dem rot-rot-grünen Lager leisten. Demgegenüber verfügen beide Parteien im Düsseldorfer Landtag über einen komfortablen Vorsprung von zehn Mandaten. Nur eine Stimme fehlt zur absoluten Mehrheit. Ob es um die Wahl der Ministerpräsidentin oder neue Gesetze geht: Es reicht für Rot-Grün schon, wenn nur zwei Linksparteiler nicht mit CDU und FDP stimmen.

Die elf linken Abgeordneten haben bereits angekündigt, sich bei der für den 13. oder 14. Juli geplanten Wahl von Kraft zur neuen Regierungschefin zumindest zu enthalten. Anders als seinerzeit in Hessen könnte sich die Sozialdemokratin in einem möglichen vierten Wahlgang, bei dem sie nur noch die relative Mehrheit benötigt, also sogar vier Abweichler aus den eigenen Reihen leisten.

SPD und Grüne gehen davon aus, dass die Linkspartei auch ohne vorherige Absprachen rot-grüne Gesetzesinitiativen nicht gemeinsam mit Schwarz-Gelb ablehnen wird. Tatsächlich hat die Linkspartei zugesagt, nicht auf Totalverweigerung zu setzen. "Allen Initiativen, die dem Ziel dienen, die Arbeits- und Lebensbedingungen für die Mehrheit der Menschen zu verbessern, werden wir zustimmen", versicherte Linksfraktionschef Wolfgang Zimmermann.

Wirklich problematisch wird es für Rot-Grün erst beim Haushalt, der bis spätestens Anfang 2011 verabschiedet sein muss. Bei mehr als 120 Milliarden Euro Schulden ist davon auszugehen, dass sich SPD und Grüne auf schmerzhafte Einsparungen verständigen werden. Stellenabbau im öffentlichen Dienst, Privatisierung öffentlichen Eigentums und Sozialabbau sind für die Linkspartei jedoch tabu. Dann bliebe Rot-Grün nur noch die Hoffnung auf die eine oder andere Stimme aus dem schwarz-gelben Lager. PASCAL BEUCKER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • H
    Hermann

    Wenn ich die Aussagen bei den Koalitionsverhandlungen höre, werden erinnerungen bei den Verhandlungen auf Bundesebene zwischen der CDU und der FDP wach.

    Die SPD möchte die Studiengebühren abschaffen, wissen aber nicht, wie sie gegenfinanziert werden soll. Solche Aussagen haben wir auch von der FDP gehört Steuern senken, aber keine klaren Konzepte, wie sie gegenfinanziert werden sollen. Ich frage mich manchmal wirklich, wie nah die Parteien an der Realität sind.

  • H
    Henk

    quote "In meinen Augen ist ja jeder Minderheitsregierung in der jede partei nach ihrem wählerauftrag abstimmt um längen demokratischer als irgendeine Macht-Zweck-koalition"

     

    In meinen Augen ist es umgekehrt. Die große Koalition im Bund hat es vorgemacht, dass Kompromisse demokratischer sind als die Lagerpolitik der knappen Mehrheiten, da diese Entscheidungen im Sinne einer gerade-eben-Hälfte der vertretenen Wähler ja dann eben auch Entscheidungen gegen die andere fast-Hälfte der vertretenen Wähler sind.

  • S
    SMT

    In meinen Augen ist ja jeder Minderheitsregierung in der jede partei nach ihrem wählerauftrag abstimmt um längen demokratischer als irgendeine Macht-Zweck-koalition. Hauptsache die Linke macht jetzt keinen auf "ihr seit alle dooof!" sondern unterstützt rot grün dort wo sie unterstützung verdienen....

  • A
    aloiskarl

    Was heisst denn - etwa bei der CDU in NRW - "Fundamentalopposition"? Wer verkündet diese Opposition?

     

    Im übrigen: Gottseidank hat sich keine "Ampel" eingenistet. Der Extremismus der heutigen FDP ist derart konsensunfähig, dass eine solche Koalition nur auf erpresserischer Politikdrohung - siehe Bundesregierung und Sparpaket - aufgebaut gewesen wäre.

    Nun gibt es eine Alternative, welche auch beobachtet und in praktischer Regierungsarbeit beurteilt werden kann. Und was lehrt uns diese Geschichte bereits jetzt?

    Totgesagtes (Rotgrün) lebt meist länger.