Rot-Grün verschiebt A100: Ausfahrt St. Nimmerlein
Heiß gehandelter Kompromiss zur A 100: SPD und Grüne legen den Weiterbau auf Eis - und ebnen so den Weg zur Koalition. Am Montag will sich SPD-Vorstand festlegen.
Beim rot-grünen Sondierungsknackpunkt A 100 zeichnet sich ein Kompromiss ab: Der Weiterbau der Stadtautobahn könnte auf Eis gelegt werden. Damit wäre einer Koalition von SPD und Grünen der Weg geebnet.
Der mögliche Deal: Die Pläne zur Verlängerung der A 100 nach Treptow bleiben die nächsten Jahre unangetastet in den Schubladen. Stattdessen einigt man sich auf ein grundsätzliches, integriertes Verkehrskonzept. Darin wäre auch der Ausbau anderer Straßen, etwa der ebenfalls umstrittenen Tangentialverbindung Ost, einer Schnellstraße von Spindlersfeld zum Flughafen Schönefeld, enthalten.
Die fünf Spitzenleute von SPD und Grünen, die seit Mittwoch zu einer möglichen Koalition sondieren, schwiegen am Wochenende zu getroffenen Vereinbarungen - wie vereinbart. Aus SPD-Kreisen hieß es aber, es sei "durchaus sinnvoll", die A 100 aufzuschieben, da der Weiterbau in den nächsten zwei Jahren ohnehin nicht realisierbar sei. Die drei Extrakilometer Stadtautobahn sollen mit Bundesgeldern, rund 420 Millionen Euro, finanziert werden. Für 2012 seien aber gar keine entsprechenden Mittel im Bundeshaushalt eingestellt.
Bei den Grünen blieb man vage, bestritt aber, den Weiterbau der A 100 für Zugeständnisse bei anderen Infrastrukturprojekten geschluckt zu haben. Die A-100-Verlängerung steht im Bundesverkehrswegeplan, der bis 2015 gilt. Bis dahin würden die Gelder nicht verfallen. Verzögert Berlin das Projekt länger, müsste laut Bundesverkehrsministerium ein neues Genehmigungsverfahren angestoßen werden.
Vom Tisch scheint damit die Variante, die A 100 als vierspurige Stadtstraße weiterzubauen. Damit wären keine der aktuellen Probleme zu lösen gewesen, heißt es aus der SPD. Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte in den Sondierungen betont, dass es um "eine Autobahn, nicht eine Stadtstraße" gehe. Franz Schulz, Grünen-Bürgermeister in Friedrichshain-Kreuzberg, lehnte am Sonntag eine abgespeckte Autobahn ab. "Der Zusatzverkehr und die Negativfolgen wäre dieselben." Wichtig seien nicht "Kompromissformeln", sondern Schritte, an deren Ende der Ausstieg vom Weiterbau stehe.
Die dritte Option, das Planfeststellungsverfahren ganz aufzuheben und die Bundesgelder abzulehnen, dürfte in den Sondierungen am Widerstand der SPD gescheitert sein. Wiederholt hatte Wowereit vor der Wahl den Weiterbau als zentrales Infrastrukturprojekt angekündigt. Fiele dieser nun vorerst aus, stünde Wowereit als Verlierer da. Die Grünen hatten dagegen betont, dass es eine Koalition nur ohne A-100-Bau geben werde.
Der SPD-Vorstand will am Montagabend entscheiden, ob er mit den Grünen Koalitionsverhandlungen aufnimmt - oder mit der CDU, was als unwahrscheinlich gilt. Parallel trifft sich die Grünen-Parteispitze, über deren Empfehlung zur Koalitionsfrage ein Parteitag am Freitag entscheiden wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Wirtschaft im Wahlkampf
Friedrich Merz und die Quadratur des Kuchens
Ministerpräsidentenwahl in Sachsen
Der Kemmerich-Effekt als Risiko