Koalitionsverhandlungen in Berlin: Kein Wunschkonzert

SPD und Grüne beschließen Gespräche über eine Koalition in der Hauptstadt. Der Vorbildcharakter für andere Bundesländer ist gering.

Sieht ja ganz schick aus. Aber klingt's auch harmonisch? Bild: dpa

BERLIN taz | Kaum eine Woche nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhauswahl sieht es so aus, als ob die Hauptstadt in den nächsten fünf Jahren rot-grün regiert wird. Die Spitzen von SPD und Grünen beschlossen, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Mit einem Kompromiss vertagten sie den größten Streitpunkt: die Verlängerung der Autobahn 100, die mit 420 Millionen Euro eines der größten Infrastrukturprojekte in Ostdeutschland wäre.

Ein Fortsetzung der rot-roten Koalition, die seit 2002 unter dem Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) regiert, war nach der Wahl nicht mehr möglich. Stattdessen konnte sich die SPD trotz leichter Verluste aussuchen, ob sie mit den Grünen oder der CDU koalieren will. Die Grünen hatten noch im Mai Umfragewerte von knapp 30 Prozent erreicht, rutschten jedoch bis zur Wahl auf 17 Prozent ab. Ihre Spitzenkandidatin Renate Künast, die angetreten war, Wowereit abzulösen, will sich wieder auf ihr Amt als Fraktionsvorsitzende im Bundestag konzentrieren.

Die SPD hatte vergangene Woche auch mit der CDU ein Sondierungsgespräch geführt. Es gebe durchaus Schnittmengen, bilanzierte Wowereit im Anschluss und strahlte die Botschaft aus: Wenn es mit den Grünen nicht klappt, ist Rot-Schwarz durchaus vorstellbar. Das erhöhte den Druck auf die Grünen, in Sachen Autobahn nachzugeben. Sie hatten vor der Wahl den Weiterbau konsequent abgelehnt. Ihr Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Volker Ratzmann, kündigte vor einem Jahr an, die Grünen würden notfalls zum Bundesverfassungegricht gehen, um den Bau zu verhindern. Wowereit hingegen hatte den Weiterbau zu einem zentralen Projekt erklärt.

Der jetzt ausgehandelte Kompromiss vertagt eine endgültige Entscheidung. Er sieht vor, beim CSU-geführten Bundesbauministerium darauf zu drängen, die für den Autobahnbau vorsehehen 420 Millionen aus der Bundeskasse anderweitig verwenden zu können. Das Ministerium wies das am Dienstag zurück: "Wir haben hier kein Wunschkonzert." Die Hoffnungen der Grünen gründen sich jedoch darauf, dass nach der Bundestagwahl 2013 eine rot-grüne Mehrheit im Bundestag die geplanten Gelder für den Bau aus Spargründen streichen könnte.

Protest gegen Künast

In mehreren Landesverbänden der Grünen lehnt man es ab, Berlin künftig als Maßstab zu nehmen. Die Fraktionschefs im Bundestag, Trittin und Künast, waren nach dem Ergebnis der Berlin-Wahl auf Abstand zu Bündnissen mit der CDU gegangen. "Die Option Schwarz-Grün werden wir bei den nächsten Wahlen zumachen müssen", sagte Künast, die sich zuvor lange ein Bündnis mit den Christdemokraten offen gehalten hatte. Führende Landespolitiker der Grünen wollen sich aber nicht allein auf die SPD als einzig möglichen Koalitionspartner konzentrieren.

Vor allem der Grünen-Fraktionschef in Schleswig-Holstein, Robert Habeck, der im Mai 2012 die nächste Landtagswahl zu bestreiten hat, will sich alle Optionen offen halten und lehnte jede Einschmischung aus dem Bund ab. "Die Intervention aus Berlin ist ein Foul gegenüber den gepflogenheiten in der grünen Partei", zitiert ihn die FAZ.

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