Ronaldos Cola-Verzicht bei der EM: Geht’s raus und trinkt’s Wasser!
Cristiano Ronaldo hat bei einer Pressekonferenz Flaschen des EM-Sponsors Coca-Cola aus dem Kameraausschnitt entfernt. Was bedeutet das?
Es war nur ein kleiner Griff für Cristiano Ronaldo, aber ein großer für die Menschheit. „Agua“, sagte die problematische portugiesische Ikone des Profifußballs und der Selbstvermarktung, nachdem sie am Montag bei der Pressekonferenz vor dem EM-Spiel gegen Ungarn zwei Cola-Fläschchen des EM-Sponsors Coca-Cola aus dem Kameraausschnitt entfernt hatte und das ebenfalls dargebotene Wasser hochhielt.
Bevor wir näher darauf eingehen, welche Verwerfungen diese Geste verursachte und welche Absichten ihr möglicherweise zugrunde lagen, müssen wir kurz klarstellen, warum überhaupt Coca-Cola-Fläschchen vor einem berühmten Fußballspieler stehen: Sie sollen suggerieren, dass, wer dieses Getränk zu sich nimmt, wie Cristiano Ronaldo ist beziehungsweise sein kann. Und das ist so offensichtlich gelogen, wie es die Wahrheit ist, dass eine Ikone der Schriftstellerei wie die US-Autorin Joan Didion nichts als eine eiskalte Coca-Cola frühstückte, jedenfalls phasenweise – und gut: Ein paar Zigaretten kommen schon auch immer noch dazu.
Die Frage ist also vielleicht zunächst, warum Profisportler sich überhaupt so weit erniedrigen, dass sie Produkte bewerben, die nichts mit ihrem Erfolg und ihrer, gerade im Fall Ronaldo, werbewirksamen körperlichen Attraktivität zu tun haben, sondern sie im Gegenteil beschädigen würden.
Wenn das alle so wie Ronaldo machten, ja dann! – hätte Greenpeace nicht mit einer daneben gegangenen Aktion beim Spiel der deutschen Mannschaft in München gegen den offiziellen Sponsor der Euro 2020 und zugleich Hauptsponsor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), den VW-Konzern, protestieren müssen; denn was, bitte, hat ein betrügerischer und mit Subventionen der Allgemeinheit gepamperter Autohersteller mit den Regeln des sportlichen Fair Play zu tun?
Die Handlungsmacht des Einzelnen
Wer die Aktion von Ronaldo geringschätzt, kann sich vielleicht auch umgekehrt fragen, was gewonnen wäre, wenn eine deutsche Ikone wie Bastian Schweinsteiger nicht für Salami, Kartoffelchips und Spielhöllen geworben hätte, sondern für etwas Besseres, das gewiss überall zu finden gewesen wäre.
Und auch der Nachahmungseffekt, der sich in der Geste des französischen Superstars Pogba zeigte, als dieser bei der Pressekonferenz nach dem Deutschlandspiel eine Bierflasche der Firma Heineken entfernte, kann natürlich, gerade da es sich um alkoholfreies Bier handelte, als ein imageförderndes „Ich mach jetzt auch einen auf gut“ gelesen werden.
Aber allein die Möglichkeit, das zu tun, schien vorher eben gar nicht vorhanden – so eine Art von Raumdeutung würde man sich von mehr, von vielen, von allen Spielern wünschen. Und vielleicht müssen wir bei einer Gestalt wie Ronaldo mit 300.000.000 Followern auf Instagram überhaupt noch mal ganz neu über die Definition und die Bedeutung des „Einzelnen“ und seiner Handlungsmacht nachdenken.
Arbeitet Ronaldo heimlich für Pepsi?
Doch nun zur Börse. Am Mittwoch schrieb der Guardian, dass Ronaldos montägliches Verschieben zweier Glasbehälter mit einem anschließenden Kurssturz der Aktie des Getränkekonzerns in Höhe von 1,6 Prozent zusammengefallen sei, von 56,10 Dollar je Aktie bei Börsenschluss am Freitag auf 55,22 Dollar nach Ronaldos Abseitsstellung der Brause am Montag; und das entspräche einem Verlust für Coca-Cola von 4 Milliarden Dollar.
Börsenexperten von FAZ bis taz zweifeln diese Interpretation des Spielverlaufs allerdings an. Just am Montag seien Coca-Cola-Aktien ohne das Bezugsrecht für die vierteljährlich ausgezahlte Dividende gehandelt worden, was immer zu Kurseinbrüchen führe.
Hat Ronaldo das nun gewusst und seinen Spielzug geplant? Arbeitet er doch eigentlich für Pepsi (nachdem er für Coca-Cola und sogar für KFC schon früher geworben hatte)? War das Wasser etwa von nasty Nestlé oder eben eines der Coca-Cola-Marken Apollinaris oder Vio? Egal. Was bleibt ist: Geht’s raus und trinkt’s Wasser – Ronaldo macht das auch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“