Roman „Von Norden her rollt ein Donner“: Grauer Gast auf braunem Grund
Ein Buch über den Wolf (aber nicht nur): Markus Thielemann liest im Norden aus seinem Heide-Roman „Von Norden her rollt ein Donner“.
„Sein Name ist Jannes Kohlmeyer, er ist neunzehn Jahre alt. Das Krachen der Panzermunition, die tagsüber auf dem Fabrikgelände des Waffenherstellers Rheinmetall getestet wird, nimmt er kaum wahr. Es gehört für ihn zur Arbeit wie das Zischen des Windes und das Blöken des Viehs. Er hat andere Sorgen.“ Was mancher Verlag auf den Buchrücken drucken lassen würde, hier ist’s, auf Seite 10, eine Art nachgereichte Einführung: Alles Wesentliche, könnte man sagen, das Markus Thielemanns Roman „Von Norden rollt ein Donner“ ausmacht, in einen Absatz komprimiert.
Gut – dass dieser Jannes, aus dessen Perspektive das Buch erzählt ist, Schafe hütet, das ist noch hilfreich. Aber wenn die Leserin diese Passage erreicht hat, weiß sie das längst. Auch der Wolf hatte da schon seinen Auftritt. Er ist nicht der einzige Grund zur Sorge.
Der Hinweis auf den Rüstungskonzern macht klarer, worauf der Titel anspielt: Der heranrollende Donner ist kein Naturereignis. Er kündet davon, dass die Menschenleere der südlichen Lüneburger Heide schon so lange eine Rolle als Truppenübungsplatz und Munitions-Testgelände beschert.
Dieser selten besungene Umstand bildet nicht weniger als die abgedroschene Heideromantik den Hintergrund für die vor etwa zehn Jahren angesetzte Handlung des Romans. Und, eben, der grau bepelzte Nachrichtenstifter unserer Tage. Über den ist der studierte Geograf Thielemann, Wahl-Hannoveraner, zu seinem Schauplatz gekommen: „Ich wollte ein Buch über den Wolf schreiben“, sagt er.
Markus Thielemann: „Von Norden rollt ein Donner“. C. H. Beck Verlag, München 2024, 287 S., 23 Euro; E-Book 17,99 Euro
Lesungen: 22. 1, Bad Segeberg, Das Druckwerk, 20 Uhr; 23. 1., Heide, Scheller Boyens Buchhandlung, 19.30 Uhr; 29. 1., Celle, Kunst & Bühne, 19.30 Uhr; sowie 31. 1., Stadthagen, Buch zum Wein, voraussichtlich 19.30 Uhr. Weitere Termine im Februar
Und so eines ist ja auch herausgekommen – aber zum Glück noch viel mehr: ein ressentimentfreier Heimatroman, trotz aller Hinweise aufs alte und ganz neue Nazitum. Eine Mehr-Generationen-Familiengeschichte. Und eine erfreulich wenig quasi-ethnografisch fremdelnde Befassung mit dem Leben abseits großer Städte, nicht zu verwechseln mit einem in der Natur: Wenn die Heide eines nicht ist, das lernt, wer dieses Buch liest, dann etwas frei von menschlichem Eingriff einfach so Gewordenes. Nee, sie ist, sie wird gemacht.
Er streife so manches, führe zu wenig aber auch aus, das ist dem viel beachteten Buch, auf die Longlist des Buchpreises 2024 gelangt, attestiert worden. Und, dass Thielemanns mitunter ausführliche Beschreibungen der Spannung abträglich seien – was seine nur so lala idyllische Heide plötzlich beinahe am Meer gelegen scheinen lässt, an dem eines Herman Melville nämlich: Dass er die Romanform sprenge durch allerlei Exkurse, das wurde ja schon an „Moby Dick“ bekrittelt, heute ein gewichtiger Brocken Prosa-Kanon.
Jannes Kohlmeyer ist dabei kein niedersächsischer Kapitän Ahab, und „Von Norden rollt ein Donner“ auch kein „Moby Dick“ mit Schafen. Aber ein im guten Sinne zur Rückkehr einladendes Buch, zur Wiederbeschäftigung, eines, das nachwirken kann und dabei erst mal gar nicht so daher kommt.
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