Roman Lob beim ESC: „Ich besitze keine Deutschlandfahne“
Roman Lob wird Deutschland beim Eurovision Song Contest vertreten. Ein Gespräch über Zuhause, Piraten und Aserbaidschan.
taz: Herr Lob, sind Sie schon einmal so weit wie nach Aserbaidschan verreist?
Roman Lob: Noch nie, nein.
Wie geht es Ihnen wenige Tage, ehe es nach Baku zum Eurovision Song Contest losgeht?
Muss ich ehrlich sagen – ich bin schon ziemlich aufgeregt. Es wird, glaube ich aber, ein geiles Ding.
Sie haben doch bestimmt Einflüsterer, die Sie zu beruhigen suchen, oder?
1990 in Düsseldorf geboren, lebt in Neustadt (Wied). Realschulabschluss, gelernter Industriemechaniker, spielte bis zu einer Handverletzung Handball und sang im Kindergartenchor. Hat vor „Unser Star für Baku“ 2007 auch bei der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ mitgemacht. Spielt in der Band „Rooftop Kingdom“ – tritt in Rheinland-Pfalz mit ihr auch öffentlich auf. Am Donnerstag reist er nach Baku.
So würde ich die nicht nennen. Es sind Freunde, Menschen, die hinter mir stehen. Alle sagen sie mir, ich soll doch einfach mein Ding durchziehen. Ich glaube, das ist wichtig, das eigene Ding. So sein, wie man ist. Sonst sieht es wie eine Fassade aus.
Haben Sie eine Idee davon, was das sein könnte – Ihr Ding?
Auf die Bühne gehen, 100 Prozent geben, Spaß haben. Das ist die Hauptsache, und dann warte ich ab, wie die Leute vor dem Fernseher drauf sind. Vielleicht sagen sie: 12 Punkte!
Was ist für Sie der Eurovision Song Contest?
Verschiedene Kulturen treffen aufeinander, eine riesige Klassenfahrt auf europäisch, wo Musik gemacht wird. Ich hab das bei Backstageberichten mit Lena vor zwei Jahren gesehen – so sah das aus.
Möglicherweise eine Fassade – doch Sie haben keine Furcht, in einer riesigen Halle plötzlich sich klein zu fühlen, etwa, wie es bei Max Mutzke vor acht Jahren aussah, als der beim ESC mitmachte?
Ich werd mich nicht erschrecken. Vielleicht werde ich überwältigt sein. Könnte sein, dass ich denke, wenn ich die Bühne in Baku das erste Mal betrete: Boah, die ist ja viel größer als groß. Ich werde es angehen!
Der Rummel um Sie ist heftig, Ihr Leben, das eines musizierenden Industriemechanikers, hat sich ziemlich geändert. Haben Sie schon mal bereut, sich beim Casting für „Unser Star für Baku“ beworben zu haben?
Auf keinen Fall. Bis jetzt hat alles super viel Spaß gemacht. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich als Person aufgefressen werde.
Was Sie empfindlich stören würde?
Erstens das, ja klar. Aber das würde auch gar nicht gehen. Ich bin immer Roman Lob, mal genervt, mal gut drauf. Eigentlich immer super drauf.
Sie wirken mit Ihren Käppis und Mützen sehr modisch.
Ja, ich habe mehrere davon, Mützen, Basecaps, die habe ich auch getragen, als es noch kein „Unser Star für Baku“ gab. Ich bin nicht so ein Fan von meinen Haaren, muss ich ehrlich zugeben. Eigentlich habe ich immer so einen bad hair day.
Bitte?
Na, meine Haare sitzen nie. Und wenn ich sie mit Gel oder irgendwas sonst style, bin ich nie zufrieden. Da können andere sagen, dass es auch ohne Mütze gut aussieht – seit der achten Klasse trage ich ständig Kappen.
Bis zu welcher Temperaturgrenze?
Für die heißen Tage gibt es ja Indoor-Mützen.
Mischen sich Ihre Eltern in Ihr Styling ein?
Tun sie, ja. Die Frage ist nur, ob ich darauf höre. Die wollen, dass es mir gut geht, und ich will auch, dass es mir gut geht. Meine Mutter und mein Vater wollen, dass ich mein Ding mache. Meine Mum sagt, konzentrier dich, kehr in dich, such deine innere Ruhe – dann passt es.
Wohnen Sie noch im Elternhaus?
Nee, ich bin vor kurzem ausgezogen. In eine eigene Wohnung, aber in der Nähe meiner Familie. Das mag ich, ich bin gern, wo auch meine Freunde und meine Familie sind.
Warum?
Ich war jetzt lange auf Promoreise, zu Radiostationen, ich kenne jetzt alle deutschen Flughäfen – und heute Abend freue ich mich, mal wieder im eigenen Bett zu schlafen. Es ist nicht so, dass Hotels schlecht sind, da waren schon gute dabei, aber zu Hause ist es ja immer am besten.
Nochmal zu den Mützen: Wie viele haben Sie von denen?
So sieben bis acht Mützen, Kappen so zwölf. Manche sammeln Briefmarken oder Geldmünzen, ich Kopfbeckungen. Ist ein Hobby.
Würde man in vierzig Jahren eine Fotogalerie dieses Jahres aufblättern und sähe Sie, könnte man denken: Der hat bestimmt die Piraten gewählt. Beleidigt Sie das?
Ich wie ein Piratenwähler?
Ja, so ein bisschen mützig …
… finde ich überhaupt nicht beleidigend. Jeder kann doch eine Meinung haben, die Piraten haben eine, andere andere Meinungen. Aber ob das nach Aussehen geht? Ich könnte auch die CDU wählen oder die Grünen – das weiß doch niemand, von außen betrachtet. Das wäre oberflächlich. Sehe ich einen Obdachlosen auf der Straße, denke ich doch auch nicht, das ist ein unfreundlicher Mensch.
Sie sind schon des Öfteren zur Politik in Aserbaidschan befragt worden, zu Menschenrechtsfragen. Wie sehen Sie diese Diskussion?
Ich sage ehrlich, dass ich nach Aserbaidschan als Musiker gehe, und ich glaube, die anderen Länder auch. Im ESC sehe ich eine große Chance für Aserbaidschan – da wird sich was tun nach all den Diskussionen.
Ist Lena mit ihrem Sieg in Oslo vor zwei Jahren ein Vorbild für Sie?
Ja, weil ich selbst auch die Idee bekam, mich zu bewerben. Ich wollte einfach das Feeling spüren, das war meine Inspiration.
Geht es um Sie oder um Deutschland?
Ich vergleich den ESC immer mit dem Fußball und der Nationalmannschaft, obwohl ich wahrscheinlich nicht sagen sollte, ich bin die Nationalmannschaft für Deutschland.
Weshalb denn nicht?
Eigentlich ist es so. Ich trete für Deutschland an, ich will alle glücklich machen und den bestmöglichen Platz holen. Das ist ja auch der Zweck der Sache, dass man da hingeht und dass hinterher Deutschland stolz auf mich ist.
Aber an Jogi Löw sind die Erwartungen höher gespannt als an Sie?
Bei Jogi Löw ist alles höher geschraubt, klar.
Gucken Sie auch Fußball?
Ich würde lieber einen Musikcontest gucken als Fußball, muss ich sagen. Ich bin nicht so der Riesenfan von Fußball, mir liegt Handball näher. Habe ich auch gespielt. Ich gucke gern Fußball bei Länderspielen, aber sonst nicht so.
Viele werden zur Europameisterschaft im Fußball eine schwarz-rot-goldene Fahne aus dem Fenster hängen – Sie auch?
Ich besitze gar keine Deutschlandfahne, ich bin jetzt auch nicht so’n Riesenfan, dass ich eine Fahne raushängen müsste. Und wenn Deutschland nicht gewinnt, geht für mich auch nicht die Welt unter.
Ihre Welt geht weiter, auch wenn Sie in Baku nicht so okay abschneiden?
Was soll ich denn machen, wenn ich schlecht abschneide? Ich gehe raus auf die Bühne und gebe mein Bestes. Danach geht mein Leben weiter, wo auch immer ich mich in der Tabelle wiederfinde. Ich überlege mir, wie es mit einem neuen Album weitergeht, wie das sein soll – und wenn irgendwann die Leute keinen Bock mehr auf Roman Lob haben, weil der den ESC verhauen hat, dann ist es das eben so.
Sie machen sich nur wenige Gedanken …
… doch, mache ich. Ich wäre natürlich nicht glücklich, sollte ich als Letzter nach Hause fahren. Aber man kann dann nichts daran ändern. Man muss halt weitermachen.
Als Industriemechaniker?
Auch, das habe ich ja gelernt. Aber erst einmal mit Musik. Ich gucke mal, was geht. Und wenn es dort nicht mehr weitergeht, dann weiß ich, was ich kann.
Sie waren beim Casting für „Unser Star für Baku“ ein Paradiesvogel – als einziger Arbeiter unter lauter Lehramtsstudenten.
Ich war nie so der Lerntyp. Man muss ja auch kein Schulspitzentyp sein. Ich will jetzt einfach Musik machen – nicht theoretisch, sondern praktisch. Ich bin eher so ein praktischer Typ.
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